Erinnerungen an altes Stadttheater Der Glanz ist zurück im Königswinterer Hof

Königswinter · Einst war der Saal in der Altstadt das Theater der Stadt, Operetten wie "Die Fledermaus" wurden gegeben. Nach langem Leerstand wird der aufwendig sanierte Gebäudekomplex Anfang November wiedereröffnet.

Walter Ullrich wundert sich noch heute. „Wie kamen die Leute 1946, als noch kein Mensch ein Auto besaß, nach Königswinter? Das können doch nicht nur Ortsansässige gewesen sein“, sagt der Theatermann aus Bad Godesberg. In den Nachkriegsjahren 1946 und 1947 war der heute 87-Jährige als junger Mann mehrere Male im Königswinterer Stadttheater zu Gast.

Die Blütezeit des Theaterbetriebs im Saal des Königswinterer Hofs dauerte nicht lange, der Niedergang der Gastronomie-Immobilie mündete in einem jahrelangen Leerstand. Bis der Bonner Unternehmer Enver Neziri sie gekauft und saniert hat – auch den Saal samt Bühne (siehe Infokasten). Am 10. November wird der Königswinterer Hof wiedereröffnet. Anlass für einen Rückblick auf den Glanz in der nach Unterhaltung dürstenden Nachkriegszeit.

Manche Stücke wurden hundertmal gespielt

Das Theater war von Helmut Urban und Walter Kujewesky gegründet worden. „Die Intendanten erzählten mir damals, dass das Theater so gut lief, dass manche Stücke hundertmal aufgeführt wurden“, erinnert sich Ullrich. Bei geschätzten rund 500 Besuchern, die im Saal und auf der Empore Platz fanden, hätte jeder Einwohner von Königswinter eine Aufführung zehnmal besucht haben müssen, rechnet er vor.

Irgendwie schafften es die Leute aber, offensichtlich auch ohne Auto, in die Drachenfelsstadt zu kommen. Auch in Siegburg, Euskirchen und in Bonn – in der damaligen „Irrenanstalt“ am Kaiser-Karl-Ring – habe es zu dieser Zeit Stadttheater gegeben.

„Die Aufführungen in Königswinter waren sehr ordentlich. Auch die Bühnenbilder. Das Theater hatte Solisten, Ballett, Chor und Orchester, alles in allem über 60 fest Mitwirkende“, erzählt Ullrich. In seiner Zeit wurden nur Operetten aufgeführt.

Er erlebte die Schauspielerin Marion Treher im „Schwarzwaldmädel“ und in „Gräfin Mariza“. Später habe sie viele Jahre auch am von ihm gegründeten Kleinen Theater in Bad Godesberg gespielt. So spielte Treher auch in der Eröffnungsvorstellung des Ullrich'schen Theaterbetriebs am 21. Oktober 1958 im Kellertheater an der Ubierstraße.

Der Saal war als einziger weit und breit unzerstört geblieben

Am Stadttheater in Königswinter sei auch die Soubrette Charlotte Eybisch aufgetreten, die später am Stadttheater Bad Godesberg engagiert war.

Die Beliebtheit des Theaters hatte auch damit zu tun, dass viele große Säle im Krieg zerstört worden waren – nicht aber der in Königswinter, wie der frühere Leiter des Siebengebirgsmuseums, Elmar Scheuren, vor einiger Zeit berichtete.

Das Repertoire von damals zeigt die große Bandbreite der Aufführungen: Zur offiziellen Eröffnung am 1. Januar 1946 wurde unter anderem das Klavierkonzert Nr. 1 von Beethoven gespielt, Publikumsmagneten waren vor allem Operetten wie „Die Fledermaus“ oder „Das Schwarzwaldmädel“.

Aber auch Volksnahes wurde geboten: Jeden zweiten Mittwoch im Monat wurde zum Hausfrauennachmittag mit leichtem Unterhaltungsprogramm geladen. Eintritt: 2,50 Reichsmark ohne Kaffeegedeck – so stand es im Programmheft. Bezahlt wurde in der Nachkriegszeit mit Naturalien.

Die Blütezeit war mit der Währungsreform vorbei

Mit der Währungsreform im Juni 1948 war es dann schnell vorbei mit dem florierenden Theaterbetrieb in Königswinter. Wo zuvor Stars wie Grethe Weiser für ein volles Haus gesorgt hatten, verirrten sich nun bestenfalls noch 30 Kulturfreunde in den Saal. Weder Theater noch Publikum hatten genug Geld. Und so ging das Königswinterer Theater sang- und klanglos unter.

Die große Grete Weiser traf Ullrich nicht mehr, weil er im Herbst 1947 als Schauspieler ans Bergstadt-Theater nach Lüdenscheid ging. Zuvor hatte er noch mit den Intendanten in Königswinter kurz verhandelt, die sich mit dem Gedanken trugen, am Stadttheater auch das Schauspiel einzuführen.

Ullrich entschied sich für Lüdenscheid, weil er dort große Hauptrollen spielen durfte. „Für den Ferdinand in Kabale und Liebe bekam ich dort 2,80 Mark pro Aufführung“, sagt er. Damals sei er auf die Idee gekommen, ein Kasperletheater aufzuführen. Aus Würstchendosen wurden Scheinwerfer gebaut, aus Holz Puppen geschnitzt, Mama Ullrich nähte die Kostüme. „50 Pfennig für die Kinder gab es auch nach der Währungsreform noch“, sagt Ullrich. So ließen sich in einer Stunde 40 bis 50 Mark verdienen – deutlich mehr als die Gage für den Ferdinand.

Von seinen Besuchen in Königswinter ist dem Schauspieler besonders ein Café auf dem Weg von der Fähre zur Bühne im Gedächtnis geblieben. „Da gab es ein Creme-Dessert zum Preis einer Lebensmittelmarke für fünf Gramm Fett“, erzählt er. „Da ich nach dem Krieg auf Süßes wie versessen war, bin ich da immer vorbeigegangen.“

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