Ehrenamtliche Flüchtlingshilfe in Königswinter Deutsch lernen auf der Tischtennisplatte

Königswinter · Eine private Flüchtlingshilfe in Königswinter hat mittlerweile 650 Facebook-Unterstützer und 50 Aktive. Die Kooperation mit der Stadt Königswinter und dem Forum Ehrenamt stockt.

Ihr Smartphone hat Sabine Bembenek ständig im Blick. Und schon wieder meldet es sich. Es gibt einen spontanen Einsatz. Morgen hat ein Jugendlicher aus dem Haus Katharina in der Königswinterer Altstadt einen Termin zur Anmeldung in einer Förderklasse in Hennef. Bembenek schreibt dies über Whatsapp an ihre private Flüchtlingshilfe-Gruppe. Schnell findet sich jemand, der den Jungen mit seinem Privatauto nach Hennef fahren wird.

Rund 650 Mitglieder hat die Facebook-Gruppe Flüchtlingshilfe Königswinter/Bonn/Rhein-Sieg mittlerweile. Im Oktober waren es noch 200. Viele kommen aus Bonn und Bad Honnef, die meisten aber aus Königswinter. „Etwa 50 von ihnen sind vor Ort aktiv“, sagt Bembenek. Aber gerade, wenn es um Spenden oder die Suche nach Wohnungen geht, erweise sich der große Verteiler als äußerst hilfreich und wachse stetig weiter.

Die Aktiven geben Deutschunterricht, übernehmen Fahrdienste, organisieren Umzüge und Aktivitäten, helfen beim Renovieren von Wohnungen, die Familienhelfer begleiten Flüchtlinge zum Arzt, zu Behörden oder verbringen einfach einen Teil ihrer Freizeit mit ihnen. Bembenek aus Heisterbacherrott, Maike Biert und Carina Lindner (beide aus Dollendorf) sind die Administratorinnen. In der Anfangszeit, als sie sich engagieren wollten, hatten sie Kontakt zur Stadt und zum Forum Ehrenamt aufgenommen. Eine Koordination der Freiwilligen und der Hilfsangebote war dort nicht möglich, und so organisierte man sich privat.

Anfangs besorgte Bembenek nur Spenden von Unternehmen, sammelte in Kitas gespendete Babynahrung, Windeln und Spielzeug für die Flüchtlingskinder ein und brachte sie in die damalige Notunterkunft am Palastweiher und nach Stieldorf. Den Bedarf erhielt sie von den Mitarbeitern der Stadt. „So ist das exorbitant gewachsen und die Hilfe hat sich verselbstständigt“, sagt sie.

Seitdem sie vor etwa 15 Jahren eine syrische Flüchtlingsfamilie begleitete, hat sie Freude an der Arbeit gefunden. Die 47-Jährige hat berufliche Erfahrung im Verwaltungs- und im Projektmanagement in internationalen Unternehmen. Zurzeit arbeitet sie aber nicht. „Die Flüchtlingshilfe ist mehr als ein normaler Vollzeit-Job. Viel Zeitaufwand entsteht, da es einfach an der Koordination mit den Schnittstellen hapert, es keine zentrale Kommunikationsstelle, kein offizielles Lager gibt“, sagt sie. Auch Maike Biert kommt auf rund 20 Stunden in der Woche, vor allem an den Wochenenden engagiert sie sich sehr viel, aber sie ist auch noch berufstätig und hat zwei kleine Kinder.

Mit dem Netzwerk Xing startete die Flüchtlingshilfe im September, es folgte Facebook, inzwischen kommuniziert man auch über Whatsapp. Der Helfer-Chat hier umfasst knapp 30 Personen, sozusagen eine schnelle Eingreiftruppe, um spontan auf Anforderungen reagieren zu können. „Wenn zum Beispiel zum Wochenende Flüchtlinge kommen oder die Mitarbeiter der Stadt den Bedarf mit bestehenden Mitteln nicht spontan decken können, sind wir gerne da“, sagt Bembenek. Zudem gibt es Chats für die Familien-, Deutsch- und Fahrtransport-Helfer.

Für Bembenek gehören zum Bedarf neben einem Bett, Essen und Anziehsachen zum Beispiel auch ein Tisch und ein Stuhl, um nicht auf dem Bett oder dem Boden essen zu müssen. „Ich möchte so etwas in Deutschland niemandem zumuten.“ Sie wünscht sich auch ein Lager für Möbel, weil die Flüchtlinge nach und nach mit der Genehmigung ihrer Anträge aus den Heimen in Wohnungen umziehen.

Dabei bedürfe es ganz schneller, kostengünstiger Hilfe. „Wir kriegen das über die Flüchtlings- und unsere Familienhelfer meist noch sehr spontan hin“, sagt Bembenek. Im Hinblick auf die geplanten Container-Unterkünfte müsse aber schnell gehandelt werden. „Auch Leute, die als offizielle Integrationslotsen arbeiten wollen, engagieren sich inzwischen bei der Flüchtlingshilfe, weil sie beim Forum Ehrenamt zu lange auf Einsätze warten müssen“, sagt Biert.

Es gäbe viele Beispiele, wo das besser laufe: In Bad Honnef, wo die Messlatte für die Integrationslotsen nicht so hoch gelegt werde, nähmen freiwillige Helfer die Flüchtlinge bei der Ankunft in Empfang und brächten sie zu den Unterkünften. „Das nenne ich Willkommenskultur“, so Biert. Auch dass in den Flüchtlingsheimen Räume nur vom Forum Ehrenamt genutzt werden können, bedauert sie sehr.

Biert ist überzeugt, dass die Mitarbeiter bei der Stadt und beim Forum Ehrenamt mit der Aufgabe der Koordination der Flüchtlingshilfe überfordert sind, was bei der Stadt sicher auch dem Personalnotstand geschuldet sei. Der Runde Tisch, an dem unter anderem Vertreter des Forum Ehrenamtes, der Stadt, der Kirchengemeinden aber auch der Flüchtlingshilfe sitzen, erreiche bisher nicht viel.

„Nach wie vor läuft vieles durcheinander oder gar doppelt und somit nicht effizient. Es mangelt an Kommunikation, krankt schon am Austausch von Informationen. Dabei haben wir alle ein Ziel“, bedauert Bembenek.

Deutschunterricht

Die Flüchtlingshilfe bietet zurzeit an vier Tagen in der Woche im Haus Katharina, in der Turnhalle Sandscheid und im Palastweiher Deutschunterricht für die ersten Schritte an, aktiv sind vier Gruppen von jeweils zwölf bis 20 Flüchtlingen mit zehn ehrenamtlichen Helfern. „Das kann jeder, der offen und der deutschen Sprache mächtig ist.

Es geht hauptsächlich um Kommunikation und Basics, zur Vorbereitung auf die von Profis geleiteten Deutschkurse der VHS“, so Sabine Bembenek. In Sandscheid wird der Unterricht von Cordula Bellinghausen organisiert. Die Tischtennisplatten dienen als Pult.

„Die Flüchtlinge wollen Deutsch lernen, egal wie und wo. Das möchten wir ermöglichen“, so Bembenek. Der Deutschunterricht in der Paul-Moor-Schule wurde eingestellt, nachdem jetzt die VHS dort tätig ist.

Hilfe ist nicht gleich Hilfe

Die Zusammenführung der Hilfsangebote durch die zuständigen Stellen, die die verschiedenen Flüchtlingshilfen in Königswinter organisieren sollen, gestaltet sich bisher schwierig. Es mangele an der Koordination und gebe verschiedene Vorstellungen, sagen Bembenek und Biert.

So gehörten etwa Kinderwagen nicht zur Erstausstattung dazu, würden aber immer wieder gespendet. Laut offizieller Regelung müssten Flüchtlingsfamilien diese käuflich erwerben, während die Flüchtlingshilfe sie den Familien kostenlos zur Verfügung stelle. „Wir helfen einfach und geben weiter, was die Bürger spenden“, so Biert. „Die Dankbarkeit ist allen Aufwand wert: Viele haben ein Martyrium hinter sich und wollen einfach nur ankommen, können oft die Hilfsbereitschaft und Herzlichkeit der Bevölkerung kaum fassen“, so Bembenek.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort