Theaterabend in Königswinter Die Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit war Thema

KÖNIGSWINTER · Die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit ist alles andere als ein einfaches Thema. Wie verarbeite ich als Deutscher diesen Tiefpunkt der Landesgeschichte? Wie begegne ich den Menschen, deren Vorfahren damals unsagbares Leid zugefügt wurde?

 Beeindruckte das Publikum: Schauspieler Andreas Schmid spielt im Arbeitnehmerzentrum den Juden Emanuel Goldfarb.

Beeindruckte das Publikum: Schauspieler Andreas Schmid spielt im Arbeitnehmerzentrum den Juden Emanuel Goldfarb.

Foto: Frank Homann

Um zur Auseinandersetzung mit solchen Fragen anzuregen, hatten die Jakob-Kaiser-Stiftung und die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit am Wochenende gemeinsam ins Arbeitnehmerzentrum (AZK) nach Königswinter eingeladen. Im Mittelpunkt des Abendprogramms unter dem Motto "Rote Karte gegen Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus" stand ein Kammerspiel des Schweizer Autors Charles Lewinsky.

"Wir alle haben dieselbe Geschichte, aber nicht die gleichen Geschichten. 'Erschossen' ist nicht dasselbe wie 'gefallen'." Es waren Sätze wie diese, die das Theaterstück zu einem besonderen machten. Gut eine Stunde lang rekapitulierte der Journalist Emanuel Goldfarb, gespielt von Andreas Schmid, sein Leben als Jude und Sohn von Holocaust-Überlebenden. Ein "ganz gewöhnlicher Jude" habe er immer sein wollen - nur, um schließlich einzusehen, dass er mit seinem Vorhaben kläglich gescheitert sei. "Weil man nicht rauskommt aus seiner Rolle, nicht hier in Deutschland."

Emotional und eindringlich, bewegend und erschütternd - Schmids Darstellung des aufgewühlten Goldfarb ließ niemanden kalt. "Ich versuche, die klassische Theatersituation aufzulösen", erklärte der Kölner Schauspieler vorab. "Die Zuschauer verschwinden nicht im Dunkeln." Und tatsächlich: Gekonnt machte Schmid sich den gesamten Raum zur Bühne und überzeugte durch seine Nähe zum Publikum.

Mal setzte er sich direkt zwischen die Zuschauer, mal spielte er diese direkt an, einmal kletterte er sogar schnurstracks aus dem Fenster - eine "vierte Wand" gab es für ihn nicht. Seine Darbietung hinterließ einen starken Eindruck: Nach Aufführungsende entstand eine rege Diskussion zwischen allen Anwesenden über den Umgang mit der Vergangenheit. "Wichtig ist, dass die Aufarbeitung weiterhin interessant bleibt, sich nicht in Ritualen verliert", so Marcus Meier, Geschäftsführer der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

"Mahnmale dürfen nicht zur bloßen Kranzabwurfstelle werden." Im Dialog mit der jüdischen Bevölkerung werde oft nebeneinander gesprochen statt miteinander. Ziel sei es jedoch, dass Menschen wie Emanuel Goldfarb eines Tages tatsächlich "ganz gewöhnliche Juden" sein können.

Doch bis dahin sei es noch ein langer Weg. Nicht umsonst monierte die Figur des jüdischen Journalisten: "Ich möchte in einem Deutschland leben, in dem ich Jude sein kann, ohne dass die Leute es dauernd für nötig halten, mir gegenüber 'tolerant' und 'solidarisch' zu sein. Ihre 'solidarische' Absicht fördert gerade das, was sie verhindern will - dass ich mich fühle, als sei ich keiner von ihnen. Der Philosemit umarmt, der Antisemit würgt - bei beidem bleibt mir die Luft weg."

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