Interview mit Peter Wirtz Die Notunterkunft zieht um

In einer Dringlichkeitsentscheidung haben die Fraktionsvorsitzenden gestern der Nutzung des Jugendhof Rheinlands als Notunterkunft für Flüchtlinge zugestimmt. Mit Bürgermeister Peter Wirtz sprach Hansjürgen Melzer.

In der vergangenen Woche sollte die Stadt seitens der Bezirksregierung erneut eine Zuweisung von Asylbewerbern erhalten. Wo sind sie untergebracht worden?
Peter Wirtz: In der vergangenen Woche wurden uns 18 Asylbewerber zugewiesen. In der laufenden Woche erwarten wir weitere 15. Die Neuankömmlinge wurden und werden auf die heute bereits bestehenden Unterkünfte verteilt. Zudem wurden weitere Wohnungen angemietet.

Wie ist der Stand der Verhandlungen mit dem Jugendhof Rheinland und weiteren Eigentümern von Immobilien, die für eine Erstaufnahme oder Asylbewerber infrage kommen?
Wirtz: Die Verhandlungen mit der Jufa über den Jugendhof Rheinland und dem Eigentümer einer weiteren, größeren Einrichtung stehen kurz vor dem Abschluss. Die Fraktionsvorsitzenden haben heute (Montag) in einer Dringlichkeitsentscheidung der Nutzung beider Immobilien zugestimmt. Ziel ist, dass die ersten Flüchtlinge in der kommenden Woche von der Notunterkunft am Palastweiher in den Jugendhof umziehen. Die Umbaupläne der Jufa für den Jugendhof zu einem Jugend- und Familiengästehaus sind davon nicht betroffen.

Lässt sich beziffern, wie groß der Personaleinsatz bei der Stadt ist? Können Sie ungefähr die Zahl der Überstunden nennen?
Wirtz: Die genaue Auswertung ist eine der Aufgaben, die wegen fehlender Kapazitäten noch nicht vollständig erledigt werden konnte. Die Beanspruchung des Personals ist in den Bereichen der Sozialverwaltung und der Ordnungsverwaltung sowie des Gebäudemanagements besonders hoch. Grundsätzlich sind aber fast alle Dienststellen betroffen. Wir gehen überschlägig von bisher rund 3000 Überstunden aus.

In welchen Bereichen der Verwaltung wirkt sich der Personaleinsatz auf andere Tätigkeiten, zum Beispiel im Bereich der Ordnungs- und Sozialverwaltung, aus? Welche Aufgaben bleiben vor allem liegen?
Wirtz: Am intensivsten betroffen sind die Sozialverwaltung, das Gebäudemanagement und der Servicebereich Liegenschaften. Darüber hinaus sind auch alle anderen Querschnittsbereiche von der Finanzverwaltung bis hin zur Bauordnungsverwaltung deutlich belastet. Es kommt bereits heute vereinzelt zu Verzögerungen bei der Bearbeitung von Anträgen. Die intensive Einbindung fast aller Bereiche führt zu Problemen in der Tagesarbeit. Grundsätzlich wird die Mehrbelastung über Mehrarbeit kompensiert.

[kein Linktext vorhanden]Wie gedenkt die Stadt dauerhaft mit dieser Situation umzugehen?
Wirtz: Ich habe durch die Mitunterzeichnung des Briefes an Frau Merkel und Frau Kraft für die Stadt deutlich gemacht, dass es so nicht weitergehen kann. Wenn Aufnahme in Willkommenskultur und Integration gelingen sollen, muss diese gesamtstaatliche Aufgabe besser gesteuert werden. Neben den finanziellen Hilfen - hier scheinen Verbesserungen zu greifen - muss die schiere Zahl der Flüchtlinge zu bewältigen sein. Menschenwürdige Unterkünfte können in Regionen, die ohnehin schon nur bedingt ausreichenden Wohnraum verfügbar haben, nicht innerhalb von Wochen oder Monaten geschaffen werden. Das braucht schlichtweg Zeit. Auch zusätzliches Fachpersonal wie Sozialarbeiter oder Hausmeister stehen nicht immer sofort bereit.

Werden weitere Turnhallen gebraucht?
Wirtz: Zurzeit werden die Turnhallen Palastweiher und die Gymnastikhalle in Sandscheid lediglich als Zwischenlösungen genutzt. Wir arbeiten intensiv daran, eine weitere Nutzung von Turnhallen für diesen Zweck zu vermeiden. Auf Basis der aktuell vorliegenden Zahlen wird uns das auch gelingen. Die Schließung von Hallen ist im Bemühen um eine auf Dauer erfolgreiche Unterbringung auch kontraproduktiv. Wie soll Integration akzeptabel bleiben, wenn nach und nach alle Einrichtungen, die für die Bürgerinnen und Bürger geschaffen wurden, einer schulischen, sportlichen oder gesellschaftlichen Nutzung entzogen werden? Ich hoffe, dass die von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen greifen und somit die Situation bewältigbar bleibt.

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