Oberdollendorf Beierleute Die Rückkehr des Beierns in die Kirchen

OBERDOLLENDORF · Nicht wundern, wenn am Tag vor Christi Himmelfahrt ausdauernder Glockenklang im Dorf ertönt. Die Oberdollendorfer Beierleute planen nämlich, dann ein öffentliches Beiern durchzuführen.

 Auch in der Oberpleiser Pfarrgemeinde Sankt Pankratius wird zu besonderen Anlässen gebeiert - wie hier beim Pfarrfest.

Auch in der Oberpleiser Pfarrgemeinde Sankt Pankratius wird zu besonderen Anlässen gebeiert - wie hier beim Pfarrfest.

Foto: Frank Homann/Archiv

Was es mit diesem Brauch auf sich hat, erklärte jetzt in einem Vortrag beim Heimatverein Oberdollendorf-Römlinghoven Professor Kurt Roessler. Er ist ein exzellenter Kenner auf dem Gebiet und lenkte die Aufmerksamkeit der Besucher vor allem auf die Merksprüche, die er in Bornheim-Hemmerich und den umliegenden Gemeinden gesammelt hat.

Sein Appell an die Beierleute aus dem Siebengebirge: Sie sollen ihm Informationen über die Gewohnheiten im hiesigen Raum zukommen lassen. Zumindest hatten die Oberdollendorfer einige Stücke auf Tonband aufgenommen, die sie an diesem Abend vorspielten. Wobei ihnen vier Glocken und den Niederdollendorfern, die ebenfalls zum Vortrag gekommen waren, fünf Glocken zur Verfügung stehen.

"In 93 Kirchen im Rheinland wird gebeiert", sagte Kurt Roessler. In den Städten, die einst Beier-Zentren waren, sei allerdings nichts mehr zu hören. Der älteste Beleg für das Beiern im Rheinland stamme aus dem Jahre 1338 aus Aachen. "Die Erzeugung von Klangbildern mit wenigen Glocken war das ganze Mittelalter vor allem im Rheinland in Blüte. Es waren meist der Küster oder sein Stellvertreter, die gegen zusätzliche Bezahlung spielten." Gruppen von Beierleuten taten sich erst im 19. Jahrhundert in den Dörfern zusammen. In den letzten 50 Jahren habe diese Tradition wieder neuen Zuspruch gefunden. "Das Rheinland und besonders die Stadt Bornheim sind heute Schwerpunkte des weltweiten Beierns", stellte der Professor, 1939 in Köln geboren, fest.

Der Naturwissenschaftler mit Schwerpunkt Kometenforschung und Kosmochemie tummelt sich auch seit mehr als 30 Jahren auf dem Gebiet der rheinischen Literaturforschung. Roessler: "Die Beiersprüche des Rheinlands sind ein amüsanter Teil der rheinischen Literatur, die ja nicht nur aus Hochprosa und klassischen Gedichten besteht, sondern auch aus Kirchen-, Karnevals- und Volksliedern und der frohen Volks- und Bauernlyrik." Diese stehe der Hochpoesie in keiner Weise nach. Bei diesen Beiersprüchen handele es sich um "spontane Gebrauchslyrik".

Viel Spaß hatte das Publikum, als Professor Roessler einige Beiersprüche vorsang und dazu seine Zeichnungen präsentierte, mit denen er sein Büchlein über das Beiern in Bornheim illustrierte. Die Beiersprüche versuchen, die Rhythmen und Tonhöhen der unterschiedlichen Klangbilder als Merkreime wiederzugeben. Es sind meist witzige, selten bittere Kurzgedichte. Besonderheiten des Dorfes oder Spott aufs Nachbardorf und dessen Klerus sind häufig Themen.

Kurt Roessler trug auch einen auf den Weinbau bezogenen Merkspruch vor, bei dem es um das Ramholz geht, das mühsam aus den senkrechten Trieben gekappter Bäume gewonnen und in den Weinberg transportiert wurde. "Wat ech kühmt un ech flooch als ech Rööm drooch, wat ech laach un ech sungk als ech Wing drunk. - Was ich stöhnte und ich fluchte, als ich Ramhölzer trug, was ich lachte und ich sang, als ich Wein trank."

Der Referent hatte auch die Oberdollendorfer Variante eines linksrheinischen Spruches in seiner Sammlung, die auf Niederdollendorf gemünzt ist: "Nederdolendörper Bök han Flüh em Rök, schprengen esu huu wi de Hietsebök." Wobei der Hietsebök der Hirsch ist.

Die Oberdollendorfer Beierleute ergänzten: "Bim-bam, de Limbach küt, well en neue Frau han!" Oder sie singen auch, um beim Schlagen der Glocken nach bestimmter Technik im Rhythmus zu bleiben: "Minge Domme, minge Finge, minge Elleboge, hättste ming Schweste, do wörsch de minge Schwoge."

In Oberdollendorf wird der Beier-Dienst von Mitgliedern der Sankt Sebastianus-Bruderschaften verrichtet. Und die Königinnen haben die Aufgabe, die Männer mit hiesigem Wein und deftigen Speisen zu versorgen. Und vielleicht ist Professor Roessler ja beim "Tag des Beierns" in Oberdollendorf dabei.

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