CJD-Realschule Drei achte Klassen versuchten ohne Mobiltelefon auszukommen

KÖNIGSWINTER · Es gibt sicherlich geeignetere Wege, Sympathiepunkte bei der Schülerschaft zu sammeln, als der Vorschlag, den Sabine Kottmannn-Körver, Lehrerin an der Realschule des CJD Königswinter, ihren Schülern machte: Lasst uns für eine Woche komplett auf unsere Handys verzichten.

 Endlich wieder jederzeit erreichbar: Die Schüler der achten Klassen der CJD-Realschule haben ihre Handys zurückbekommen.

Endlich wieder jederzeit erreichbar: Die Schüler der achten Klassen der CJD-Realschule haben ihre Handys zurückbekommen.

Foto: Dogan

Sie ging das Risiko trotzdem ein. Sie organisierte mit zwei weiteren Lehrern der achten Klassen eine "Woche ohne Handy". Alle Achtklässler und ihre Klassenlehrer schalteten Montagmorgen ihre Handys aus, steckten sie in einen Umschlag, versiegelten diesen und gaben ihn einer Person ihres Vertrauens - zumeist den Eltern - zur Aufbewahrung. Die Schüler führten begleitend zu dem Projekt von Montag bis Freitag ein Tagebuch, in dem sie ihre Erfahrungen und Gedanken festhielten.

Um ein Fazit der Woche zu ziehen, luden die Lehrer der Informationstechnischen Grundbildung nun in die Schule ein. Auch einige Schüler hatten sich bereiterklärt, stellvertretend für ihre Klassenkameraden zu berichten, wie sie die Zeit ohne Handy erlebt hatten. "Es fühlte sich fremd an, war oft stressig, führte zu Komplikationen im Alltag und war vor allem aufwühlend", so ihre Erfahrungen. Und, durchaus verblüffend: Es war irgendwie auch entspannend.

Viele Schüler beklagten, dass sie ohne Handy kein Zeitgefühl mehr hatten. Mit dem Handy verschwand zum Beispiel auch der Wecker. Einige der Schüler besaßen die Geistesgegenwart, sich eine Armbanduhr anzuschaffen - und siehe da, auch die verriet die Uhrzeit. Dieses bei vielen Schülern in Vergessenheit geratene Accessoire erfuhr ein echtes Comeback. Eine Schülerin erzählte, dass sie in der Woche morgens sehr viel mehr Zeit als sonst gehabt habe. Sie habe es sogar einrichten können, noch vor der Schule ihre Schuhe zu putzen.

Deutlich wurde auch: Das Mobiltelefon dient vor allem auch der Ablenkung. Nahezu alle Schüler erklärten, dass sie Zeit für Dinge gefunden hätten, die sie normalerweise umgehen würden. "Viele von uns haben in dieser Woche ihre Zimmer aufgeräumt." Ein anderer Schüler nahm die handyfreie Woche zum Anlass, sich ausführlich mit seiner Mutter zu unterhalten. "Die scheint ja ganz nett zu sein", lautete sein Fazit, das gar nicht so ironisch gemeint war, wie es klingen mochte. Denn viele Schüler berichteten davon, dass sie mehr Zeit mit ihren Geschwistern oder Haustieren verbracht hatten.

Doch es gab auch Entzugserscheinungen. Ein Schüler gab zu, dass ihn der Umstand, kein Handy zu haben, so nervös machte, dass er sich nicht anders zu helfen wusste, als seine Familienmitglieder zu nerven. Dabei vermissten die Schüler nicht bestimmte Funktionen, sondern das Gerät an sich.

Denn obwohl Mails, soziale Netzwerke und Musik auch über andere Geräte verfügbar waren, litten die Schüler unter der Abwesenheit des Handys - mitunter entdeckten sie geradezu romantische Gefühle für das Gerät. So notierte Nathalie Körner ein "schmerzliches Gefühl des Verlustes" in ihr Tagebuch, denn stets "fehlt halt etwas" in ihrer Hosentasche. Trotz allen Komplikationen, Phantomschmerzen und Gefühlen des Abgeschottetseins: In Bezug auf Quantität und Qualität ihrer Handynutzung sind die Schüler nach eigenen Aussagen sensibilisiert.

"Unser Ziel war es, die Schüler dazu anzuregen, über ihren Umgang mit dem Handy nachzudenken", sagte Kottman-Körver. Dieses Ziel dürfte definitiv erreicht worden sein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort