Ehemalige Synagoge in Königswinter Eine Pforte mit langer Geschichte

Königswinter · Eine Informationstafel in der Königswinterer Altstadt erinnert seit Kurzem an eines der ältesten jüdischen Gebetshäuser des Rheinlands.

 Ein Stück Geschichte mitten in der Königswinterer Fußgängerzone: Lutz Wagner (v.l), Kulturamtschef Ulrich Berres, Eli Harni und seine Ehefrau Gabriele Wasser sowie Sigrid Lange enthüllten die neue Gedenktafel.

Ein Stück Geschichte mitten in der Königswinterer Fußgängerzone: Lutz Wagner (v.l), Kulturamtschef Ulrich Berres, Eli Harni und seine Ehefrau Gabriele Wasser sowie Sigrid Lange enthüllten die neue Gedenktafel.

Foto: Frank Homann

Viele Menschen strömen täglich durch die Fußgängerzone in Königswinter, nur wenigen fällt im Vorbeilaufen der Torbogen zwischen den Häusern mit der Nummer 395 und 397 ins Auge. „Unaufhörlich rinnt die Zeit in das Meer der Ewigkeit“ ist hier über einer schlichten Eingangstür zu lesen. Kunstvolle Ornamente lassen jedoch vermuten, dass dies einst einmal ein besonderer Eingang gewesen sein muss.

Eine Informationstafel verrät nun, was es mit der Pforte auf sich hat: Demnach öffnete der Torbogen einst den Weg zum ältesten überlieferten jüdischen Gebetshaus im gesamten Rheinland. Die 1754 errichtete Synagoge befand sich im Obergeschoss eines heute nicht mehr existierenden Gebäudes, das auf dem Gelände hinter der Häuserfront lag.

Geschichte im Bewusstsein halten

Das Eingangstor selbst ist neben dem jüdischen Friedhof heute das einzig erhaltene und öffentliche Zeugnis jüdischer Geschichte in der Königswinterer Altstadt. Die neue Informationstafel soll daher dazu beitragen, „die Geschichte der jüdischen Familien in unserer Stadt im Bewusstsein zu halten“, erklärte Bürgermeister Lutz Wagner.

Erstellt wurde die Tafel vom Siebengebirgsmuseum in Zusammenarbeit mit Gabriele Wasser vom Kleinen jüdischen Lehrraum im Brückenhofmuseum Oberdollendorf. Sie hat das Projekt nicht nur initiiert, sondern auch umfangreiche Informationen zusammengetragen.

Von 1754 bis 1872 versammelte sich die jüdische Gemeinde zum Gottesdienst in dem kleinen Betsaal in der ersten Etage des Hinterhauses – bis in Oberdollendorf eine neue, größere Synagoge erbaut wurde. Eingerichtet war der Raum mit Betstühlen, einem Tisch und einem Schrank für die vier Thorarollen. Ein textiler Sternenhimmel verkleidete die Decke.

Ornamente wiesen den Eingang zum Bethaus

Eigentümer des Hinterhauses waren seit Mitte des 18. Jahrhunderts die Vorfahren von Theodor Weber, der im Gebäude an der Hauptstraße eine Küferei betrieb. Im Haus auf der anderen Seite des Tores befand sich ab 1868 das Geschäft des jüdischen Lederhändlers Marx Cahn. Wie Wasser recherchiert hat, war er es auch, der 1869 am Tor Motive anbringen ließ, die der jüdischen Gemeinde den Eingang zum Bethaus wiesen.

Und er ließ das Tor auch weiter nach vorne, an seine heutige Position versetzen. Ursprünglich hatte es sich weiter hinten auf dem Gelände befunden. „Die Familie Cahn war streng religiös“, so Wasser. Darum sei ihr die Verlegung und auch der Erhalt des Tores so wichtig gewesen.

Neben dem Muschelmotiv im Giebel befinden sich an den Seiten des Portals zwei stilisierte Leiterwagen. Sie symbolisieren Karren, mit denen früher die Thorarollen zu den Orten gebracht wurden, an denen Gottesdienst gefeiert wurde.

Inschrift wurde erst nach 1988 angebracht

„Die angedeuteten Sprossen der Leiterwagen verweisen auf die Zahl 7, die im Judentum für die Vollkommenheit Gottes steht, die fünf Räder stehen für die Zahl 5, die den unvollkommenen Menschen beschreibt“, erläutert Museumsleiterin Sigrid Lange. Die auffällige Inschrift wiederum hat nichts mit der Synagoge oder dem jüdischen Glauben zu tun. Sie wurde erst sehr viel später - nach 1988 – angebracht. „Zuvor hatte sich an dieser Stelle ein Geschäftsschild befunden“, so Lange.

Nachdem 1872 in Oberdollendorf für die jüdische Gemeinde eine neue Synagoge gebaut worden war, verfiel das alte Bethaus zusehends und wurde 1930 abgerissen. Albert Cahn – der letzte Vorsteher der jüdischen Gemeinde – übergab die damals noch vorhandenen Einrichtungsgegenstände aus dem Bethaus der Siegburger Synagogengemeinde. Bis heute erhalten blieb jedoch das Eingangstor.

Flucht nach England und in die USA

Albert Cahn gehörte in Königswinter zahlreichen Vereinen an. Unter nationalsozialistischer Herrschaft musste er sein Geschäft schließen. „Das Haus wurde zwangsverkauft und arisiert“, berichtet Wasser. Cahn flüchtete gemeinsam mit seiner Schwester zu seiner Tochter nach England, sein Sohn Heinz in die USA. 1957 starb Albert Cahn in England. Auf eigenen Wunsch wurde er auf dem jüdischen Friedhof in Königswinter beigesetzt, neben seiner bereits 1931 verstorbenen Frau.

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