Neues Angebot Forum Ehrenamt berät Geflüchtete per Videochat

Königswinter · Tag und Nacht sind sie für die Geflüchteten in Königswinter telefonisch erreichbar, zugleich bieten die Helfer vom Haus Heisterbach auch digital ihre Hilfe an. Der Service soll über Corona-Zeiten hinaus zur Dauereinrichtung werden.

 Gespräch per Video: Nisa Punnamparambil-Wolf (r.) und Jochen Beuckers zeigen, wie die digitale Beratung funktioniert.

Gespräch per Video: Nisa Punnamparambil-Wolf (r.) und Jochen Beuckers zeigen, wie die digitale Beratung funktioniert.

Foto: Frank Homann

Wenn das Diensthandy von Nisa Punnamparambil-Wolf klingelt, geht sie ran – egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Das Zuhören ist für die Mitarbeiterin der Flüchtlingshilfe im Forum Ehrenamt alternativlos. „Ich glaube, dass ein Kind erst zum Telefon greift, wenn es eine innere Not spürt“, sagt die 50-Jährige. Immer ansprechbar seien aber auch die rund hundert Helfer, die die Freiwilligenagentur für Königswinter und Umgebung aktuell hat.

Zusätzlich zu persönlichen und telefonischen Gesprächen bietet das Forum Ehrenamt seit einiger Zeit eine Beratung per Videochat an.

Zunächst ein Experiment

Jochen Beuckers, Leiter des Forums Ehrenamt: „Wir haben viele Erfahrungen im Bereich Präsenzberatung. 2015 haben wir den ersten Bus mit geflüchteten Menschen mit in Empfang genommen. Doch wir mussten für die Situation jetzt etwas verändern. Das ist eine Art Experiment, bei dem wir noch auf dem Weg sind.“

Im März sei die Idee aufgekommen, mit Blick auf den Datenschutz wurde ein eigener Server eingerichtet. Am 8. Juni fand die erste Videoberatung statt.

Telefon-Beratung ist am meisten gefragt

„Wir möchten diese Möglichkeit unbedingt noch bekannter machen“, so Beuckers. Inzwischen können die Sprechstunden für Geflüchtete unter den Hygiene- und Abstandsregeln wieder stattfinden.

Doch der telefonische Weg wurde in den vergangenen Monaten besonders intensiv genutzt.

Viel Unsicherheit in der Ausnahmesituation

„Es war eine Ausnahmesituation, weil viele der Geflüchteten in den städtischen Einrichtungen ja sogar von Corona betroffen waren, da gab es viel Aufklärungsbedarf“, berichtet Punnamparambil-Wolf, studierte Politikwissenschaftlerin und Ethnologin.

Um die Flüchtingsunterkunft Haus Katharina wurde nach dem Auftreten von Corona-Fällen ein Bauzaun gezogen, Polizei und Security waren vor Ort. Es habe zwar mehrsprachige Aufklärung gegeben, „aber trotzdem wurden die Menschen gefühlt über Nacht ihrer Freiheit beraubt“.

Familien erleben erneut ein Trauma

Punnamparambil-Wolf nennt das eine Retraumatisierung: „Die Familien wurden teilwese getrennt, und keiner wusste genau, wie es weitergeht.“

Das habe natürlich beängstigend gewirkt. Ein junges Mädchen habe sie angerufen und aufgewühlt berichtet, sie seien gebeten worden, schnell ihre Sachen zu packen. Es sei nicht klar gewesen, wofür und was nun passieren würde.

Großes Vertrauen gespürt

In solchen Situationen beruhigend auf die Menschen einzuwirken, sei nicht leicht. „Schließlich hat niemand gewusst, wie sich alles entwickelt. Es gab Personalengpässe, es musste viel organisiert und kommuniziert werden. Alles lief gleichzeitig“, so die 50-Jährige.

Laut Beuckers sei allerdings immer wieder zu spüren gewesen, wie sehr die Menschen den Helfern vertrauen. „Das war trotz der Situation schön zu sehen.“

Einige Helfer sind seit fünf Jahren Ansprechpartner

Als vor fünf Jahren die ersten Geflüchteten in die Erstaufnahmeeinrichtungen in Königswinter kamen, gab es bis zu 400 ehrenamtliche Helfer. Einige sind noch dabei und helfen den Familien bis heute.

„Bei uns gibt es eine Mischung aus Begleitung und Beratung. Wir fühlen uns verantwortlich. Denn die Menschen haben keine abstrakten, sondern konkrete Probleme“, sagt Beuckers. Es gehe um ganz aktive Unterstützung. Das sei insbesondere für die jüngeren Familienmitglieder wichtig.

„Denn die Kinder sind sprachlich oft fitter und haben eine andere Rolle als wir uns das vorstellen. Sie regeln unheimlich viel und oft mehr als es eigentlich für sie gut ist“, sagt Beuckers, und Punnamparambil-Wolf ergänzt: „Sie werden zu richtigen Familienmanagern.“

Die Kinder übersetzen, begleiten ihre Eltern zu Arztterminen und rufen für sie bei der Beratung an. Um sie vor Überlastung zu schützen, wird ihnen empfohlen, sich bei den Beratungsstellen zu melden.

Dann werden beispielsweise erwachsene Dolmetscher organisiert. „Die ganze Last darf nicht auf den Kindern liegen“, sagt Punnamparambil-Wolf.

„Es ist wirklich packend zu sehen, was so kleine Menschen schon alles schaffen müssen“, findet Beuckers. Beide sind sicher: Mit Unterstützung schaffen es die Kinder, einen guten Weg in die Gesellschaft zu finden.

Auch unabhängig von der Corona-Pandemie soll die digitale Beratung bleiben – als Ergänzung, nicht als Ersatz. Für alleinerziehende Geflüchtete könnte es etwa eine gute Lösung sein, wenn sie keine Kinderbetreuungsmöglichkeit haben.

In den vergangenen Wochen waren das Telefonieren und die Videoberatung die einzigen Möglichkeiten, in Kontakt zu bleiben. Und, so betont Punnamparambil-Wolf, Briefe vom Jobcenter oder vom Sozialamt kommen trotz Corona.

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