Heimatgeschichte in Königswinter Geschichte direkt auf dem Acker

Königswinter · Der Landwirt und Hobby-Archäologe Heinz Wolter hat auf seinen Feldernin Rübhausen schon Fundstücke aus der Steinzeit entdeckt.

 Heinz Wolter auf einem der Äcker, auf dem er fündig geworden ist.

Heinz Wolter auf einem der Äcker, auf dem er fündig geworden ist.

Foto: Gabriela Quarg

Urkundlich erwähnt wurde Rübhausen erstmals 1458 – „Vorher war da auch nichts“, lautet die landläufige Meinung. Von wegen, sagt Heinz Wolter. Tausende von uralten Keramikscherben, die der Landwirt auf seinen Feldern aufgelesen hat, sprechen eine andere Sprache. Bis in die Eisenzeit lassen sich die Fundstücke zurückdatieren. Und sogar Werkzeuge aus der Steinzeit sind hier schon ans Licht gekommen. Mit dem Hobby-Archäologen und ehrenamtlichen Mitarbeiter des Rheinischen Amtes für Bodenschutz und Denkmalpflege sprach Gabriela Quarg.

Seit wann beschäftigen sie sich mit Archäologie?

Heinz Wolter: Ich habe mich schon als 15-Jähriger für die Keramikscherben interessiert, die auf unseren Feldern rumlagen. Weil ich unbedingt wissen wollte, wie alt die Sachen wohl sind, habe ich mir dann bei einer Keramikausstellung im Freilichtmuseum Kommern einen Ausstellungskatalog gekauft. Und tatsächlich sind die dort beschriebenen Stücke genau die gleichen, die auch hier auf unseren Äckern zu finden sind.

Sind die Relikte nur an bestimmten Stellen zu finden?

Wolter: Alte Keramik ist hier überall auf den Feldern zu finden, die Leute sehen das nur nicht, weil sie nicht darauf achten. Ich sage immer, man muss gar nicht weit rausgehen in die Welt – wenn man die Augen aufmacht, kommt die Welt zu einem.

Man braucht also nicht mit einem Spaten loszuziehen?

Wolter: Nein, das ist sowieso verboten. Alles was unter der Ackerkrume liegt, ist als archäologisches Relikt geschützt. Ich sammele lediglich das auf, was zum Beispiel nach dem Pflügen an die Erdoberfläche gekommen ist. Mittlerweile ist mir klar, dass jede Scherbe, die ich hier aufhebe, ein Vorfahre von mir in Hand gehalten haben könnte.

Erkennen Sie immer sofort, was alt ist und was neu?

Wolter: Viele Sachen sind ganz einfach zu datieren, weil Form und Farbe charakteristisch sind. Die Siegburger Keramik zum Beispiel hat den typischen Wellenfuß – das fing erst im Jahr 900 nach Christus an. 500 bis 600 Jahre später trugen die Stücke dann eine dunkle Lehmglasur. Den Glasschmuck, den ich einmal gefunden habe, hab ich allerdings lange Zeit unterschätzt, weil er so neu aussah. Dabei stammt er aus der Eisenzeit.

Aus welchen Epochen sind denn hier Fundstück zu finden?

Wolter: Das älteste Stück Keramik, das ich in Rübhausen gefunden habe, stammt aus der Mittleren Jungsteinzeit. Es handelt sich dabei um ein kleines Stück von einem Kugelbecher. Man kann in der Gegend auch Steinwerkzeuge finden, die bis zu 10 000 Jahre alt sind. Unterhalb von Rübhausen habe ich zum Beispiel ein Werkzeug aus der Zeit der Neandertaler gefunden.

Das heißt also, die Gegend war schon seit dieser Zeit besiedelt?

Wolter: Viele Leute glauben ja, dass hier früher nichts war. Das stimmt nicht. Man unterschätzt die Zahl der Menschen, die hier wohnten. Man kann davon ausgehen, dass die Felder hier seit etwa 1200 Jahren beackert werden. Seit dem 9. Jahrhundert nach Christi war die Gegend schon recht gut besiedelt. Aber auch vorher waren kontinuierlich Menschen hier. Bevor die Dörfer entstanden, waren die Höfe aber eher großflächig verteilt.

Wieso kann man eigentlich überwiegend Keramik finden und nicht zum Beispiel Stücke aus Metall?

Wolter: Die Menschen hier waren sehr bestrebt, Sachen wieder zu verwenden. Wenn ein Hof aufgegeben wurde, wurde alles, was nutzbar war, mitgenommen oder abgebaut – jedes kleine Stück Metall, jeder Stein, sogar die Fundamente wurden abgetragen. Nur für zerbrochene Keramik hatte man keine Verwendung, die war wertlos. Daher sind Scherben oft das Einzige, was von einem Siedlungsplatz übrig bleibt.

Und wie genau gelangten die Scherben dann auf die Äcker?

Wolter: Die Menschen hatten ja keine Müllentsorgung. Was kaputt war, landete auf dem Misthaufen. Und der Mist wurde dann als Dünger auf die Felder aufgebracht.

Sie haben in der Gegend aber nicht nur Keramik gefunden, oder?

Wolter: Nein, zum Beispiel auch den Glasschmuck aus der Eisenzeit. Da steht auch eine sehr interessante Geschichte hinter. Die Kelten zum Beispiel konnten schon besseren Glasschmuck herstellen als die Römer. Das Glas stammt übrigens aus Ägypten.

Gibt es noch Funde, die Sie überraschen?

Wolter: Vor zehn bis 15 Jahren dachte ich mal, ich hätte einen Überblick. Dann habe ich immer noch Sachen gefunden, mit denen ich nicht gerechnet habe, zum Beispiel römische Keramik – Fundstücke von Amphoren, die für Olivenöl oder Fischsoße verwendet wurden. Mittlerweile weiß man ja, dass die Gegend hier von den Römern wirtschaftlich genutzt wurde, auch wenn sie hier selbst nicht gelebt haben.

Was machen Sie mit ihren Fundstücken?

Wolter: Ich fotografiere sie und gebe sie dann ans Bodendenkmalamt weiter, damit sie gesichert sind und wissenschaftlich ausgewertet werden können.

Was reizt sie so sehr an der Archäologie?

Wolter: Mich interessieren die Menschen, die hinter den Fundstücken stehen. Wenn ich mir zum Beispiel das Bruchstück des gläsernen Armreifen aus der Eisenzeit anschaue, dann sehe ich die Besitzerin vor mir. Ich glaube, das Stück war für sie emotional behaftet – das war nichts Alltägliches.

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