Jawort vor 75 Jahren Günter und Barbara Wind feiern Kronjuwelen-Hochzeit

THOMASBERG · Es ist ein seltenes Ereignis, das Günter und Barbara Wind aus Thomasberg feiern: Am 3. August vor 75 Jahren gaben sich die beiden das Jawort. Seine große Liebe lernte der heute 100-Jährige am Strand kennen.

Er hatte offensichtlich den siebten Sinn. Denn Günter Wind warf in den Augusttagen 1940 ab und zu Blicke auf die benachbarte Strandburg im Seebad Neuhäuser. Das zauberhafte junge Mädchen, das er dort entdeckte, ist nun seit genau 75 Jahren seine Frau: Am 3. August 1942 versprachen sich Günter und Barbara Wind am Traualtar in Rinteln die Treue.

Am Donnerstag begehen sie ihre Kronjuwelen-Hochzeit. Das äußerst seltene Ereignis feiern sie im Steigenberger Grandhotel auf dem Petersberg – mit den Familien ihrer drei Töchter, wozu vier Enkel und sechs Urenkel zählen.

„Es war eine Fügung des Schicksals“, sagt Günter Wind. Er war als Soldat auf Heimaturlaub von der Loire nach Ostpreußen gereist, weil dort seine Schwester mit ihren Kindern weilte. Und sie begleitete in den Sommerferien eine Schulfreundin nach Pillau. „Ich glaubte zunächst, der junge Mann nebenan am Strand sei der Familienvater“, erinnert sich die Jubilarin. Ein Zufall sollte dann Licht in die Situation bringen. Barbaras Freundin verlor ihr Armband – und er half beim Suchen im Ostseesand.

So ergab sich an jenem 5. August ein längeres Gespräch. Und bevor der junge Oberleutnant zur Truppe zurück musste, bat er um ihre Adresse. „Schon bald schrieb er einen netten Brief.“ Rege Korrespondenz setzte ein, es folgten Besuche – in Wahn, wo eine neue Division aufgestellt wurde, in Hannover bei seiner Schwester. Barbara Wind: „Wir spazierten nach Rinteln, aßen im Ratskeller neben der Kirche und beschlossen, wenn wir heiraten, dann hier.“

Eigentlich sollte der Kennenlerntag auch der Hochzeitstag werden. Aber die Wirtsleute konnten nur den 3. August als Termin anbieten. „Ich bin von der Schulbank in die Ehe“, meint die gebürtige Sächsin schmunzelnd. Sie wurde unter dem Mädchennamen Rossner am 16. März 1925 in Dresden geboren und ist eine direkte Nachfahrin Martin Luthers in der 35. Generation – im Lutherjahr also nun auch ihre Kronjuwelen-Hochzeit. Im Alter von zehn Jahren zog sie mit ihren Eltern nach Düsseldorf.

Ihr Rat: Immer das Beste aus allem machen

Günter Wind wurde am 4. April 1917 in Insterburg geboren. Nach dem Tod des Vaters wurde 1928 Hannover Wohnsitz der Familie, wo Günter 1935 sein Abitur machte. Danach schlug er die militärische Laufbahn ein, war nach Frankreich vier Jahre im Russland-Feldzug. Am Silvestertag 1944 brachte Barbara Wind ihr erstes Kind zur Welt. Vier Wochen später musste sie aus Schlesien flüchten, strandete bei einem Onkel in Thüringen. Am 17. Mai traf auch Günter dort ein.

Er hatte Glück: Ein russischer Offizier rettete ihn in tschechischer Gefangenschaft vor dem Erschießen. Bald flohen die Winds gen Westen. „Wir haben einen Kinderwagen ohne Räder aufgeladen und einen Weidenkorb. Das war neben unserer Schulbildung unser Kapital.“ Das Paar bezog ein Zimmer in der Wohnung seiner Mutter in Rheden. „Wir hatten schwere Jahre. Meine Frau hat uns durchgebracht – sie hat Ähren und Kartoffeln gesammelt, Fallobst und Heidelbeeren.“

1947 kam ihr zweites Kind, 1959 noch ein Nachzügler. Aber zu diesem Zeitpunkt hatten die Winds nach dem Neustart ihr Leben wieder im Griff. Nach dem Krieg wurde Günter Wind ein Studium zunächst verwehrt. Deshalb erlernte er das Maurerhandwerk. Nach der Währungsreform wurde er arbeitslos. Ein journalistischer Versuch: Wind schickte einen Artikel an die „Welt“. Per Post gab es ein Honorar von 75 Mark. So wurde er freier Mitarbeiter und später Redakteur beim Osnabrücker Tageblatt.

Bei einer Eisenbahnreportage imponierte er mit seinen Fachkenntnissen so sehr, dass der Verband der Privatbahnen ihm 1953 das Angebot machte, eine verkehrspolitische Abteilung aufzubauen. Im Jahr 1954 erfolgte der Umzug der Abteilung nach Köln. Nebenberuflich studierte Wind an der Uni Köln und wurde Diplom-Kaufmann. Zudem übernahm er einen Forschungsauftrag in Sachen Verkehr und promovierte. Mit dem Doktortitel in der Tasche wurde er 1964 Direktor der Deutschen Verkehrswacht. Und hier hatte er erneut den siebten Sinn. Der Jubilar regte beim Fernsehen die Produktion von Kurzfilmen zu Verkehrssicherheitsfragen an – es entstand daraus „Der 7. Sinn“.

Nach seinem Eintritt in den Ruhestand 1982 leitete Wind noch 13 Jahre die Deutsche Akademie für Verkehrswissenschaft. Seine Barbara hielt ihm immer den Rücken frei. „Alles verdanke ich meiner Frau.“ Der Jubilar: „Wir waren immer einer Meinung, auch bei der Erziehung unserer Kinder. Mit unseren Enkeln sind wir in die Ferien gefahren.“ Die Winds, die seit 1969 in Thomasberg leben, reisten überhaupt gerne und besuchten alle Kontinente. „Unser gemeinsames Leben war sehr schön. Wir waren immer zufrieden und haben nie die Köpfe hängen lassen“, so Barbara Wind.

Immer das Beste aus allem zu machen – das ist der Rat vom Kronjuwelenpaar nach 75 Jahren Ehe. Das Armband, das dem Glück auf die Sprünge geholfen hatte, blieb übrigens verschwunden.

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