Familie aus Königswinter sammelt Spenden Wie sich Simons Traum von einem Epilepsiehund erfüllen soll

Heisterbachrott · Simon Spohn aus Heisterbachrott leidet an Epilepsie. Der 18-Jährige kann überall und jederzeit einen Anfall erleiden. Ein Warnhund soll ihm das Leben künftig erleichtern. Allerdings übernimmt die Krankenkasse die Kosten nicht.

Simon Spohn mit den beiden Familienhunden Ida und Ally, die leider nicht das Fährigkeit besitzen, ihn vor seinen epileptischen Anfällen zu warnen

Simon Spohn mit den beiden Familienhunden Ida und Ally, die leider nicht das Fährigkeit besitzen, ihn vor seinen epileptischen Anfällen zu warnen

Foto: Gabriela Quarg

Es kann immer und überall passieren – am Frühstückstisch, in der Schule, unter der Dusche oder beim Sport. Das Risiko, sich von jetzt auf gleich nicht mehr artikulieren zu können, das Bewusstsein zu verlieren und – wenn es ganz schlimm kommt – sogar einen Atemstillstand zu erleiden, ist ein ständiger Begleiter von Simon Spohn. Kürzlich hat es ihn beim Shoppen mit Freunden in Bonn „umgehauen“ – der Stadtbummel endete in der Uniklinik.

Der 18-Jährige ist Autist und leidet aufgrund einer vorgeburtlichen Hirnschädigung an Epilepsie. Dennoch führt er, wie er selbst sagt, ein ganz normales Leben, nur eben mit vielen Einschränkungen.

Das Mathe-As besucht das Gymnasium am Oelberg und wird 2023 sein Abitur machen. Simon engagiert sich ehrenamtlich in der katholischen Kirchengemeinde, ist Leichtathlet der Spiel- und Sportgemeinschaft (SSG) Königswinter und trainiert sogar im Landeskader der Para-Sportler. Angst vor den Anfällen habe er keine, sagt er, eher „Respekt“. Trotzdem: Es ist ein Leben unter ständiger Aufsicht. Allein joggen gehen, zur Schule fahren, in der Freistunde zum Bäcker gehen – das alles ist für Simon undenkbar. Da die Anfälle ohne jegliche Vorwarnung kommen und es auch keine konkreten Auslöser gibt, muss der 18-Jährige stets auf alles gefasst und immer in Begleitung sein.

Familie muss Kosten für Epilepsie-Warnhund selbst tragen

Doch für ihn gibt es Hoffnung auf ein selbstbestimmteres Leben: Ein Epilepsie-Warnhund ist in der Lage, einen bevorstehenden Anfall Minuten oder auch Stunden vorher zu bemerken. „So kann ich mich vorbereiten, indem ich vielleicht gar nicht erst weggehe, mich hinlege, jemanden um Hilfe bitte oder meinen Notfallknopf drücke“, erklärt Simon. Ein geeigneter vierbeiniger Begleiter ist auch schon gefunden. Da entsprechend ausgebildete Assistenzhunde anders als Blindenführhunde zurzeit von den Krankenkassen aber noch nicht als „Hilfsmittel“ anerkannt sind, muss die Familie die Kosten - laut einem Kostenvorschlag lägen diese schon jetzt bei 40 000 Euro und weitere Kosten für Training und Prüfungen kämen noch dazu - selbst stemmen, ebenso die Unterhaltskosten.

Um seinen Traum von mehr Unabhängigkeit und Eigenständigkeit nicht aus finanziellen Gründen aufgeben zu müssen, hat Simon verschiedene Stiftungen angeschrieben und versucht zudem, das Geld über ein privates Crowdfunding zusammenzubekommen. Sein Sportverein, seine Heimatgemeinde und andere Initiativen unterstützen ihn dabei mit Spendenaktion. Freunde und Bekannte stiften handgearbeitete Produkte, die Simon über seine Instagram-Seite verkauft. „Die Resonanz ist einfach überwältigend“, sagt Simons Mutter, Eva Spohn. „Man kann es gar nicht glauben.“ Die Familie ist unendlich dankbar. „Es sind so viele Menschen, die etwas spenden, so viele Namen, die man überhaupt nicht kennt.“ Dank der Spenden und der Zuschüsse von Sponsoren wie dem Bundesverband Rehabilitation oder der Organisation "Help & Fun" konnte die Familie jetzt bereits die Anzahlung für den Helfer auf vier Pfoten leisten. Geht alles gut, soll „Nikita“ Ende Januar bei der Familie einziehen.

Epilepsie-Warnhund soll Familie entlasten

Die gesamte Familie erhofft sich durch den Warnhund eine große Entlastung, „und er würde uns auch emotional sehr unterstützen“. Zurzeit dreht sich der gesamte Alltag ums Organisieren, wer wann bei Simon ist, wie er wo hinkommt und wie wieder zurück. Da wird eine plötzliche Freistunde in der Schule zur Herausforderung, da Simon nicht alleine sein darf. Denn wenn ein Anfall kommt, ist er innerhalb von Sekunden ohne Bewusstsein und kann dann auch selber keine Hilfe mehr rufen. „Wir sind also immer in ständiger Alarmbereitschaft“, so Eva Spohn. Elektronische Warngeräte oder Sturzsensoren, die es speziell für Epileptiker gibt, funktionierten bei Simon und der speziellen Form seiner Anfälle nicht.

Für Außenstehende sei es oftmals gar nicht erkennbar, dass es sich um einen epileptischen Anfall handelt, da die typischen Krämpfe bei ihm weitestgehend ausblieben. Eine Operation komme bei Simon auch nicht infrage, und die medikamentöse Behandlung zeige auch nicht den gewünschten Erfolg. Eva Spohn: „Momentan gibt es kein spezielles Sicherungsnetz für Simon. Das Netz sind wir.“ Und gute Freunde, die wissen, wie sie im Notfall reagieren müssen, wie kürzlich beim gemeinsamen Einkaufstrip in Bonn. Die Freunde wählten den Notruf, informierten die Eltern und schirmten ihn vor neugierigen Blicken im Geschäft ab. Wenn er schon einen Warnhund gehabt hätte, sagt Simon, „dann hätte er mir mit großer Wahrscheinlichkeit signalisiert, dass ein Anfall droht, und ich wäre gar nicht erst zum Shoppen gefahren“.

Schwere und Häufigkeit epileptischer Anfälle nimmt zu

Die Anfälle haben in den letzten Monaten an Häufigkeit und Schwere zugenommen. Etwa einmal pro Woche erwischt es den Schüler, wobei ihm momentan eine Medikamentenumstellung etwas Erleichterung verschafft. „Früher hatte ich lediglich Wortfindungsstörungen“, berichtet Simon. Jetzt sind es Bewusstseinseintrübungen bis hin zum Atemstillstand. „Der Hund kann die Anfälle natürlich nicht verhindern, aber er verschafft ihm wichtige Zeit“, sagt Eva Spohn. Zeit, in der Simon selber noch handlungsfähig ist.

Die Fähigkeit, zu erkennen, dass ein Anfall bevorsteht, ist den Hunden angeboren. Wie der Hund dies genau wahrnimmt, kann man nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen. Fest steht: „Warnhunde sind ganz sensible Tiere.“ Schon im Vorfeld eines Anfalls verändert sich die Herzfrequenz und die Sauerstoffsättigung, außerdem der Geruch des Schweißes. „Die Hunde können das wittern.“ Tests werden bereits im Welpenalter durchgeführt, bevor dann die entsprechende Ausbildung beginnt. Die Hunde lernen dabei auch, immer ganz eng bei ihrem Herrchen zu bleiben, sogar im Krankenwagen oder bei der Abiturprüfung, was der Gesetzgeber ausdrücklich erlaubt.

Simon weiß, dass seine Epilepsie nicht heilbar ist. Den Führerschein zu machen, werde für ihn niemals möglich sein. Auch von seinem Traumberuf Grundschullehrer musste er sich verabschieden. Alle Berufe, die mit einer Verantwortung für andere Menschen einhergehen, scheiden für ihn aus, dabei arbeitet Simon liebend gerne mit Kindern. Dennoch ist er dankbar, dass er trotz seiner schweren Grunderkrankung so fit ist. Ein Arzt hat ihm geraten, erzählt Simon, stets auf die 99 Prozent der Zeit zu schauen, in der es ihm gut geht, und nicht auf das eine Prozent, „in dem ich einen Blackout habe“.

Hinweis: In einer früheren Version hatten wir die Kosten für den Warnhund mit 25 000 Euro beziffert. Das war falsch. Wir entschuldigen uns für den Fehler. sly

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort