Virtuelle Heimatmuseen im Siebengebirge "Heute ist morgen schon gestern"

KÖNIGSWINTER · Alles begann mit einem Besuch des Oberpleisers Franz Bellinghausen im "realen" Brückenhofmuseum in Oberdollendorf. Ihm gefiel vor allem die Abteilung mit den Gruppenbildern. Da es aber in Oberpleis kein Museum gibt, wich Bellinghausen in die virtuelle Welt aus und schuf im Internet das Heimatmuseum Oberpleis.

 Viertklässler aus Thomasberg bei einer Wanderung ins Siebengebirge.

Viertklässler aus Thomasberg bei einer Wanderung ins Siebengebirge.

Foto: Virtuelles Heimatmuseum

Davon waren dann wiederum die Mitglieder des Heimatvereins Oberdollendorf und Römlinghoven so begeistert, dass sie sich die entsprechende Software anschafften und im Jahr 2008 mit ihrem eigenen Heimatmuseum im Netz an den Start gingen. Seitdem ist die Zahl der Internetarchive in Königswinter weiter gewachsen - auch Thomasberg/Heisterbacherrott und Ittenbach sind dabei. Zusammen bilden sie das "Gedächtnis der Region".

Obwohl der virtuelle Raum von unvorstellbarer Weite ist oder, wie es Bellinghausen heute sagt, "mehr Platz hat als der Louvre in Paris" und im Vergleich mit einem echten Museum günstig zu haben ist, musste der Oberpleiser in den Anfängen viel Überzeugungsarbeit leisten. Irgendjemand musste schließlich die Trägerschaft für das Projekt übernehmen. Er wandte sich an den örtlichen Werbekreis, den heutigen Oberpleiser Träger. Dessen Vorstand befand damals, er sehe sich als Gestalter der Zukunft und nicht als Bewahrer der Vergangenheit.

"Es gab keine Beifallsbekundungen, und es wurde sehr ruhig", erinnert sich Bellinghausen an seinen ersten Vorstoß. Das hat sich gewandelt. Die Geschichte der vier virtuellen Museen ist eine Erfolgsgeschichte. "Es erfüllt uns mit Stolz, dass sich viele Besucher für unsere Internetseiten interessieren", sagt der Vereinsvorsitzende des virtuellen Brückenhofmuseums Oberdollendorf, Andreas Schulte-Beckhausen. Es sei aber immer noch so, dass nur jeder zweite Bürger im Siebengebirge die virtuellen Museen kenne. Um weiter frisches Material zu bekommen, müssten die Portale bekannter werden.

Die Klickzahlen, an denen sich eine Homepage messen lassen muss, liegen aber bei mehreren Millionen. 700 bis 1200 Bilder werden jeden Tag angeklickt - pro Museum. Aus einem zunächst kleinen Bestand sind mittlerweile durch Zutun der Bürger mehr als 20 000 Dokumente geworden: Bilder, Schriftdokumente, aktuelle Panoramaaufnahmen. Jedes Foto bedeutet mit Einscannen, Beschriftung und Nachbearbeitung eine Arbeit von rund zwei Stunden, macht 40.000 Stunden ehrenamtliche Arbeit für die Pflege des Internetportals bis heute.

Für den Leiter des virtuellen Brückenhofmuseums, Lothar Vreden, liegt die Vergangenheit nahe an der Gegenwart: "Heute ist morgen schon gestern." E-Mails und Anfragen kämen sogar aus den USA und Neuseeland. Und Vreden fügt in Richtung der Tourismus Siebengebirge GmbH und der Stadt hinzu: "Noch nicht überall hat man unsere Möglichkeiten als großer Werbeträger erkannt."

Die Zeit verändert die Menschen, die Landschaften, die Straßenzüge: Der Bau der Landstraße 331 in den 1920er Jahren bedeutete für Ittenbach beispielsweise einen tiefen Einschnitt in die Ortsstruktur. "Damit ist unsere Geschichte stark verknüpft", erzählt die Leiterin des Ittenbacher Heimatmuseums, Annette Hirzel. Auf einmal konnten dort durch die Anbindung in das Tal Gasthöfe und Hotels Fuß fassen. Ein aus dem Sperrmüll gefischtes Fotoalbum mit 60 historischen Straßenaufnahmen war seiner Zeit Anlass, mit der reichen Dorfgeschichte im Rücken im Jahr 2010 das virtuelle Heimatmuseum Ittenbach zu gründen.

In Galerien und virtuellen Räumen, unterteilt mit thematischen Überschriften, zeigen die Dokumente, was war und was ist. Auf dem Heuwagen geht es von Pferden gezogen durch Oberpleis. Fröhlich sehen die fünf Damen aus, die 1925 während der Heisterbacher Kirmes musizierten. Besonders begehrt bei den Besuchern sind die Klassenfotos. Zu sehen, sagt Winfried Görres vom Museum Thomasberg/Heisterbacherrott, sei "die gesamte Palette des Alltags", aufbewahrt und konserviert für die Nachwelt, die wissen will, wie es früher einmal war.

Die vier Museen können Interessierte über die gemeinsame Internetseite www.gedaechtnis-der-region.de erreichen.

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