Therapeutisches Reiten in Ruttscheid Hilfe auf dem Rücken der Pferde

RUTTSCHEID · Auf den Montag freuen sich Konstantin und Maximilian schon die ganze Woche - montags nämlich "geht's zur Heidi". Heidi hat große, dunkle Augen, einen dichten, hellblonden Schopf und ein warmes, weiches Fell, an das man sich ganz wunderbar kuscheln kann.

 Maximilian (r.) reitet mittlerweile auch.

Maximilian (r.) reitet mittlerweile auch.

Foto: Frank Homann

Und wenn Konstantin auf dem Rücken der Haflingerstute lässig wie ein Cowboy über den Reitplatz trabt, dann juchzt er manchmal sogar ganz spontan vor lauter Freude.

Das war nicht immer so. Vor einem halben Jahr noch hat der Fünfjährige so gut wie gar nicht gesprochen, war völlig verschlossen. Seitdem er am Therapeutischen Reiten bei Hildegard Stockhausen in Ruttscheid teilnimmt, "ist er schon viel offener geworden, er reagiert und nimmt auch Blickkontakt auf", freut sich seine Mutter Astrid Stein.

Früher hat Konstantin, der unter einer Sprachentwicklungsstörung leidet, mit Erwachsenen gar nicht geredet. "Frau Stockhausen war die allererste, mit der er in einen Dialog getreten ist." Mittlerweile erzählt er ihr sogar Erlebnisse aus dem Kindergarten, "und er spricht jetzt einfach drauf los. Auch wenn er nicht verstanden wird." Stein ist überzeugt, dass das Therapeutische Reiten viel zu Konstantins neuem Selbstbewusstsein beigetragen hat. "Durch den Umgang mit dem Pferd können die Kinder ihre eigene Stärke spüren."

Hildegard Stockhausen, Sozialpädagogin mit Zusatzqualifikation für Psychomotorik und heilpädagogisches Voltigieren, erinnert sich noch genau an die erste Begegnung mit Konstantin, der den Montessori-Kindergarten in Oberpleis besucht: "Er hatte sich hinter seiner Mama versteckt." Es sei aber sofort zu merken gewesen, dass ihn das Pferd reize. Über Heidi habe sie dann auch schnell Zugang zu dem Fünfjährigen gefunden. "Pferde fordern zur Kontaktaufnahme auf. Und sie nehmen das Kind so an, wie es ist, ganz egal, welche Probleme oder Beeinträchtigungen es hat. Es muss nicht erst etwas leisten, um anerkannt und akzeptiert zu werden", erläutert die Therapeutin.

Überdies reagieren Pferde durch ihr Verhalten auf Stimme und Stimmungen des Einzelnen - bei Kindern mit Sprachproblemen ein wertvoller Aspekt: Zeigt das Pferd auf Kommandos wie "Halt" oder "Marsch" die gewünschte Reaktion, steigert dies bei Kindern wie Konstantin das Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit. "Außerdem lernen die Kinder durch den Umgang mit den Tieren auch die aufrechte und eindeutige Körperhaltung, die dem Pferd die notwendige Sicherheit gibt, um den Menschen als Leittier zu folgen." Und nebenbei wird die Wahrnehmungsfähigkeit und das Körperbewusstsein, die Fein- und Grobmotorik sowie die Konzentrations- und Merkfähigkeit geschult.

Astrid Stein ist froh, dass ihrem jüngsten Sprössling der Umgang mit den Pferden so gut tut - und nicht nur ihm. Mittlerweile ist auch Konstantins älterer Bruder Maximilian mit dabei. "Er hatte in der Schule immer wieder Konzentrationsprobleme. Das Reiten hilft ihm, sich bei Schulstress zu entspannen." Für beide Kinder ist der Aufenthalt auf dem kleinen Reiterhof in Ruttscheid eine richtige Auszeit. "Sie sind ausgeglichener, glücklicher und zufriedener danach", erzählt Stein.

Für sie ist auch wichtig, dass das Reiten eine Therapie ist, "die man nicht als Therapie wahrnimmt", dies vor allem bei einem Kind wie Konstantin, bei dem fast täglich irgendeine Art von Therapie - von Logopädie bis hin zur Ergotherapie - auf dem Programm steht.

Dem Fünfjährigen macht Reiten vor allem dies: Spaß und viel Freude. Zärtlich bürstet Konstantin Heidi nach getaner Arbeit den Sand von den Beinen. Zur Belohnung gibt's dann noch eine dicke Möhre und das Versprechen: "Nächsten Montag komm' ich wieder, Heidi."