Interview mit Dezernent Holger Jung "Ich fühlte mich nie in die Ecke gestellt"

Am Montag in der Ratssitzung hat Dezernent Holger Jung seinen letzten Auftritt in Königswinter vor seinem Wechsel nach Meckenheim, wo der 41-jährige Wachtberger Erster Beigeordneter wird.

Werden Sie die Fahrten mit der Fähre nach Königswinter vermissen?
Holger Jung: Der morgendliche Blick auf das Siebengebirge war schon eine nette Einladung, zur Arbeit zu kommen. Das gilt auch für die Rückfahrt. Abends noch mal den Tag Revue passieren zu lassen, das hatte schon was.

Da gab es ja auch viele Dinge zu überdenken: Gesamtschule, Bäder, Fall Anna, alle diese Themen gehörten in Ihr Dezernat. Sie mussten oft genug den Kopf hinhalten. Kamen Sie sich da manchmal wie der Prügelknabe vor?
Jung: Nein. Ich war 13 Jahre bei der Stadt. Viele Dinge haben in dieser Zeit eine gute Entwicklung, auch für mich persönlich, genommen. Die letzten zwei Jahre als Dezernent waren natürlich sehr bewegt, weil ich in vielen Bereichen in der Außenwirkung ganz anders da stand. Das Dezernat ist sehr groß und breit aufgestellt. Aber ich fühlte mich nie in die Ecke gestellt.

Aus Ihrer Freude über die jüngste Gesamtschulentscheidung haben Sie ja nie einen besonderen Hehl gemacht ...
Jung: Ich bin kein glühender Gesamtschulverfechter. Ich halte dies aber unter Standortgesichtspunkten für eine gute und richtige Entscheidung für die Stadt Königswinter, eine gute Entscheidung für Eltern und Schüler.

Was raten Sie Königswinter in der Bäderfrage, die Sie nun nicht mehr zu Ende begleiten können?
Jung: Raten kann ich da nichts. Es gibt ja ein europaweites Ausschreibungsverfahren. Wir sind kurz davor, dass die Politik die entsprechenden Informationen bekommt. Es haben sich verschiedene Interessenten gemeldet. Das ist jetzt eine Herkulesaufgabe für die Verwaltung, dies so aufzubereiten, dass die Politik eine Entscheidung treffen kann. Bäder zu bauen oder zu sanieren ist in der heutigen Zeit ja nicht mehr gerade üblich. Das wäre eine weitere positive Richtungsentscheidung für den Standort Königswinter.

Der Fall Anna ist auch zweieinhalb Jahre nach dem Tod des Mädchens, das von ihrer Pflegemutter ertränkt wurde, noch nicht abgeschlossen. Was erwarten Sie von dem Prozess gegen die zuständige Jugendamtsmitarbeiterin, die ja auch immer noch in der Königswinterer Verwaltung arbeitet? Was könnte noch über mangelhafte Abläufe im Jugendamt bekanntwerden?Jung: In dem Ermittlungsverfahren geht es um die individuelle strafrechtliche Verantwortung der Mitarbeiterin. Die meisten Zeugen, die voraussichtlich gehört werden, wurden bereits im Prozess gegen die Pflegeeltern gehört. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dort im Hinblick auf organisatorische Mängel im Jugendamt noch mehr zu Tage tritt. Ich bin aber sehr gespannt, wie das Verfahren vom Gericht bewertet wird. Das ist nicht nur für uns von großer Bedeutung, sondern für alle Jugendämter. Wenn hier eine strafrechtliche Verantwortung gesehen wird, wird das Folgen haben weit über Königswinter hinaus.

Wann ist Ihr letzter Arbeitstag in Königswinter?
Jung: Die Ratssitzung am Montag. Am Freitag fange ich dann in Meckenheim an.

Zur Person:

Holger Jung stammt aus der Gemeinde Wachtberg. Der Volljurist leitete ab 2000 in der Königswinterer Verwaltung die Rechtsabteilung, ein Jahr später kam die Hauptabteilung dazu, nach einem weiteren Jahr die Personalabteilung. Seit 2011 ist er Dezernent für Sicherheit und Ordnung, Schule und Jugend, Kultur, Wissenschaft, Sport, Soziales und Generationen. Jung ist verheiratet und hat eine sechsjährige Tochter.

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