Kardiologe aus Heisterbacherrott Johannes Breuer operiert herzkranke Kinder im Irak

KÖNIGSWINTER · Sie haben blaue Lippen und Finger, sie sind meist sehr dünn und haben einen schwachen Kreislauf. Auch im Irak gibt es viele Kinder mit schweren Herzfehlern. Doch es fehlt an kompetenten Ärzten, die die Krankheiten behandeln könnten. Seit fünf Jahren kommt Hilfe aus Bonn.

 Hilfe für herzkranke Kinder: Johannes Breuer (2. von rechts) und sein Kollege Bahman Esmailzadeh (links) im Krankenhaus von Erbil

Hilfe für herzkranke Kinder: Johannes Breuer (2. von rechts) und sein Kollege Bahman Esmailzadeh (links) im Krankenhaus von Erbil

Foto: privat

Johannes Breuer aus Heisterbacherrott, Direktor der Kinderkardiologie an der Bonner Uniklinik, und sein Kollege Bahman Esmailzadeh, Leiter der Bonner Kinderherzchirurgie, behandeln und operieren ein- bis zweimal im Jahr für jeweils zehn Tage in Erbil herzkranke Kinder - ehrenamtlich. Nur die Flug- und Unterbringungskosten trägt das Hawler Cardiac-Center, das Krankenhaus der Stadt.

Erbil ist der Regierungssitz der Autonomen Region Kurdistan. Das Krankenhaus dort leidet noch heute an den Folgen des Regimes von Saddam Hussein. Der frühere irakische Diktator verbot angehenden Medizinern aus Kurdistan das Studium der Neuro- und Herzchirurgie, weil er ihnen "die höheren Weihen der Medizin vorenthalten wollte", berichtet Johannes Breuer. Mit den Folgen hat das Krankenhaus bis heute zu kämpfen. Mehr als 4000 kleine Patienten mit zum Teil schweren Herzfehlern stehen auf der Warteliste.

"In ihrer Verzweiflung reisen manche wohlhabendere Eltern mit ihren kranken Kindern nach Indien, weil dort eine Operation preiswerter ist als in Europa", sagt Breuer. "Die Herz-OP bei einem Neugeborenen kostet in Deutschland zwischen 30.000 und 40.000 Euro." 2009 hatte Esmailzadeh, ein Kurde aus dem Iran, der in seine Heimat aber nicht mehr zurückkehren darf, Johannes Breuer gefragt, ob er mit ihm nach Erbil fahren wolle.

Breuer zögerte nicht lange. "Ich fand das Projekt toll. Vor allem, weil wir später die Ärzte auch nach Bonn holten, damit sie selber in der Lage sind, in ihrer Heimat eine Herz-OP bei Kindern durchzuführen." Seinen ersten Tag in Erbil wird er nicht vergessen. "Als wir an einem Sonntag gegen 18 Uhr im Krankenhaus ankamen, warteten dort 50 Familien seit morgens um 8 Uhr geduldig auf uns. Sie waren zum Teil fast 500 Kilometer aus Bagdad angereist", erzählt er.

Die vielen Menschen begleiteten Breuer auch im Behandlungszimmer weiter. In der Regel hielten sich dort zehn bis 15 Personen auf; die vorangegangenen, die aktuellen und die nächsten Patienten mit ihren Familien. Diese Praxis änderte Breuer schnell und ließ nur einen Patienten mit seiner Begleitung zu. "Du musst schließlich in kürzester Zeit die Diagnose bestätigen, ob operiert werden kann. Da darfst du dir keinen Fehler erlauben", sagt er. In den vergangenen fünf Jahren haben die beiden Ärzte aus Bonn rund 500 herzkranke Kinder behandelt.

Die meisten Patienten sind zwischen neun Monaten und zehn Jahren alt. Die für diesen Herbst geplante Reise musste wegen der politischen Situation abgesagt werden. "Zwischen Erbil und den IS-Truppen lagen zwischenzeitlich nur rund 100 Kilometer", berichtet Breuer. Nun ist die Reise Anfang des Jahres geplant. Breuer nennt mehrere Motive für seinen Einsatz im Irak. Neben dem Wunsch, den kranken Kindern zu helfen, ist da auch der wissenschaftliche Aspekt. "In Deutschland werden Herzfehler bei Kindern von Geburt an so vernünftig behandelt, dass 90 bis 95 Prozent das Erwachsenenalter erreichen", sagt er. Im Irak hätten hingegen durch zu späte Behandlung der kranken Herzen zum Teil andere Organe bereits gelitten. "Da können Kinder mitunter nicht mehr operiert werden, weil ihre Lunge schon so schwer geschädigt ist."

Auch für seine Arbeit in Bonn profitiert Breuer von den Erfahrungen im Irak. Da in Erbil bei fünf Operationen pro Tag nur fünf Intensivplätze zur Verfügung stehen, müssen die kleinen Patienten diesen Bereich spätestens nach einem Tag wieder verlassen. Wegen der Umstände werden im Irak selbst bei komplexen Herzfehlern vergleichsweise einfache Eingriffe vorgenommen. "Da kann man sich einiges abgucken für Deutschland", so Breuer. Auch im Irak liegt die Wahrscheinlichkeit, mit einem angeborenen Herzfehler auf die Welt zu kommen, ähnlich wie in Deutschland bei etwa einem Prozent. 50 bis 60 Prozent der Patienten brauchen eine Operation oder einen Kathetereingriff.

Eines der schönsten Erlebnisse bei seinem Einsatz für herzkranke kurdische Kinder erlebte Johannes Breuer jedoch in Bonn. Nachdem er hier ein Mädchen erfolgreich operiert hatte, umarmte ihn die gesamte Familie herzlich. "Der Bruder sagte, die schrecklichen Fundamentalisten sollten sich mal angucken, was wir für seine Schwester getan hätten", berichtet Breuer. Das hat ihn stolz gemacht.

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