Bettelgang in Oberdollendorf Junggesellen singen für den guten Zweck

Oberdollendorf · Nach altem Brauch sammeln die Sebastianus-Junggesellen bei ihrem Bettelgang für einen guten Zweck. Singend klingeln sie an den Haustüren, an denen sie tolle Begegnungen erleben. Und es wird mancher Becher Wein geleert.

 Von Tür zu Tür oder von Fenster zu Fenster ziehen die Junggesellen durch Oberdollendorf.

Von Tür zu Tür oder von Fenster zu Fenster ziehen die Junggesellen durch Oberdollendorf.

Foto: Frank Homann

Marianne Kauert hat schon gelauert. Im besten Sinne. „Ich habe die Jungs schon kommen gehört“, sagt die Anwohnerin der Bachstraße. Wie viele Ur-Oberdollendorfer wollte sie die Sankt-Sebastianus-Junggesellen-Bruderschaft bei deren traditionellem „Bettelgang“ nicht verpassen. Schließlich war auch ihr Mann einst Mitglied, ihre Tochter sogar Königin, und sie selbst hat vor mehr als 50 Jahren zum „Jelösch“, also zum Hofstaat, von König Laurenz Blöser gehört und ist bestens vertraut mit dem Brauchtum im Weinort.

Anders als der ahnungslose Bewohner des ersten Hauses, das die Junggesellen an diesem Tag aufsuchen: Er wundert sich noch über den plötzlich einsetzenden Gesang, während sein Labrador sich schon freudig von dem Besuch streicheln lässt. „He wohnt der Herr vun Dibbedibbedibb, der hätt noch Wing im Fass, der muss jesoffe sin sin sin“ und noch ein paar Zeilen mehr stimmen die fünf jungen Männer vor jeder Haustür an, an der sie klingeln und die geöffnet wird.

Der Junggesellen-König trägt die Kiepe mit dem Weißwein

Darunter ist auch der amtierende König der Bruderschaft, Felix Ting. Statt Insignien trägt er auf dem Rücken die Kiepe mit den Weißweinflaschen, deren Inhalt die Bettelgänger in den Schlenderpursch, einen Weinkrug, umgießen, um ihn dann wiederum im Böllsche, einem Tonbecher, nach althergebrachter Art anzubieten.

„Wir sind von der Sankt Sebastianus Bruderschaft und sammeln für den guten Zweck“, erklärt Ting, wo es nötig ist, und bald füllen sich die Sammelbüchsen, die wohl älter sind als die Eltern derer, die damit durch die Straßen zogen.

Der Einsatz für Bedürftige sei von der Gründung 1659 an ein Anliegen der Junggesellen-Bruderschaft der Pfarrgemeinde Sankt Laurentus gewesen, erklärt Präsident Daniel Otto: „Wir unterstützen auch in diesem Jahr wieder bewusst drei Projekte, zu denen wir durch unsere Pfarrei einen direkten Bezug haben. Ein Teil der Sammelsumme kommt immer Menschen vor Ort zugute, etwa in Form von Lebensmittelgutscheinen oder der Übernahme von Heizkosten oder Elternbeiträgen für Kitas.“ Je ein weiteres Drittel kommt dem ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Bonn/Rhein-Sieg sowie einem Viehhof für arme Frauen und behinderte Männer in Enugu-Ezike/Nigeria zugute, dem Heimatdorf von Kaplan Frederick Ogbu.

Die Büchse füllt sich nicht nur mit Münzen

„Wollt ihr es laut oder leise?“, fragt Rentner Josef Vollmer scherzhaft. Er hat schon am Vortag Geldscheine bereitgelegt, die natürlich nicht in der Büchse klingeln. Vorschriftsmäßig gerollt steckt er sie durch die vorgesehene Öffnung in die mit Schloss gesicherte Büchse. Der Schlitz fürs „laute“ Münzgeld wird zur Freude der Junggesellen am ersten von zwei Sammeltagen des Bettelgangs eher weniger benutzt. „Aber wir freuen uns über jede Spende“, sagen sie.

„Der Bettelgang gehört zu unserem Brauchtum schlicht dazu“, sagen Sammler und Spender wie Theo Büttgenbach gleichermaßen. Warum wart ihr noch nicht bei mir?“ fragt eine Frau, als sie auf die Sammler trifft. „Dahin kommen wir noch“, antworten diese. Unterwegs treffen sie immer wieder auf Bürger, die an Ort und Stelle die Büchse füllen und als Dank dafür ein Ständchen hören, in das mancher einstimmt.

„Da sind wir mit groß geworden“, sagt Käthe Körner, deren beide Enkel an diesem Tag vor ihrem Küchenfenster singen, als Spendengrund, und bietet Kaffee an. Woanders gibt es Kekse, Pralinen, Wein, Bier, Bockwurst oder Brötchen. Aber es sind vor allem die „tollen Begegnungen“, die die Junggesellen dazu bewegen, bei jedem Wetter jedes Jahr an zwei Tagen durch die Straßen zu ziehen, Einkehrpausen inklusive. Und es ist das Gemeinschaftserleben.

In drei Gruppen zogen fast 20 Junggesellen zwischen 16 und 30 Jahre los. Besucht werden rund 3500 Haushalte. Am kommenden Samstag geht es nördlich der Bachstraße weiter. Erhoffte Spendensumme: rund 6000 Euro.

Wer auch am nächsten Samstag nicht angetroffen wird, aber noch spenden möchte, findet weitere Infos unter bruderschaft-odd.de.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort