Serie Kennzeichen SU Katharina Stenglein: Eine Handlungsreisende in Sachen Wolf

Rhein-Sieg-Kreis · Die Biologin Katharina Stenglein aus Erpel ist als Expertin zum "Canis lupus lupus" bundesweit gefragt. Beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu) betreut die ehemalige Lehrerin der Jugenddorf-Christophorusschule Königswinter jetzt das Projekt "Die Rückkehr des Wolfes nach NRW".

Rotkäppchen gehörte nie zu ihren Lieblingsmärchen. Als Kind blätterte Katharina Stenglein lieber in Büchern, in denen Wölfe nicht Großmütter verspeisen und mit Ziegelsteinen im Bauch umkommen. Seit sie denken kann, sagt die heute 30-Jährige, sei sie von Wölfen und Hunden fasziniert gewesen. Eine Begeisterung, die die Diplom-Biologin aus Erpel zu ihrem Beruf gemacht hat: Katharina Stenglein ist Wolfsberaterin beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (Lanuv) und damit zuständig für alle Wolfsichtungen im Rhein-Sieg-Kreis, in Bonn und in Köln.

Wilde Wölfe und Katharina Stenglein – auf den ersten Blick will das nicht recht zusammenpassen. Die langen Haare hat sie zusammengebunden, zur Strickjacke trägt sie einen leichten Schal, die Fingernägel sind rot lackiert. Paula und Lotte, die beiden Hündinnen, die Stenglein vor vielen Jahren aus dem Tierschutz übernommen hat, folgen ihr auf Schritt und Tritt. Doch wer Stengleins Namen in den einschlägigen Netzwerken sucht, liest bei fast jedem Namenseintrag den Zusatz „Wolf“.

Neben ihrer Arbeit als Wolfsberaterin ist die 30-Jährige Sprecherin des Landesfachausschusses Wolf in NRW des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu), sitzt in einer vom NRW-Umweltministerium eingerichteten Arbeitsgruppe „Wolf in NRW“, ist Mitarbeiterin im Nabu-Projekt „Die Rückkehr des Wolfes nach NRW“, sie sitzt in Talk-Shows, hält Vorträge, organisiert Tagungen und Ausstellungen, ist sozusagen eine Handlungsreisende in Sachen Wolf.

Erste Wolfsmeldung in NRW gab es 2009

Braucht es die? Mehr als 100 Jahre galt Canis lupus lupus in Deutschland als ausgerottet, bis im Jahr 1996 erstmals wieder in der Lausitz Wölfe in freier Wildbahn nachgewiesen wurden. In Nordrhein-Westfalen wurde der erste Wolf 2009 gemeldet, zwei weitere Meldungen folgten 2014 und 2015. „Dann ging es im Frühjahr 2016 richtig los“, so Stenglein. Mitte April hatte ein Wolf in Rösrath zwei Ziegen gerissen. DNA-Untersuchungen ergaben, dass das Tier 2015 in einem Rudel in Cuxhaven geboren worden war.

Zuvor hatte man den jungen Wolf bereits im Kreis Lippe und Kreis Warendorf, Ende April im rheinland-pfälzischen Dierdorf nachweisen können. Schließlich zog es den Beutegreifer, wie Fachleute ihn nennen, wieder zurück nach Niedersachsen. „Acht sichere Nachweise – den letzten Ende Mai – gab es bislang in diesem Jahr in NRW“, sagt Stenglein. „Alleine drei gehen auf das Konto des Cuxhavener Wolfs.“

Zu jener Zeit war Stenglein auch als Wolfsberaterin besonders gefragt: „Drei bis vier Meldungen erreichen mich im Schnitt pro Monat“, sagt sie. Natürlich gebe es dabei auch den klassischen Fehlalarm, weil jemand den Nachbarshund mit einem Wolf verwechselt habe. Manchmal schicken ihr die Menschen aber auch Fotos oder benennen konkret eine Stelle, an der sie einen Wolf gesehen haben wollen. „Falls möglich, schaue ich mir dann vor Ort etwa die Tierspuren an“, so die Expertin, die die Fälle für das Ministerium dokumentiert. Alleine anhand der Spur könne man einiges ablesen: „Ein Wolf zum Beispiel geht zielstrebig geradeaus, er spart Energie. Ein Hund läuft eher zickzack.“

Studium in Bonn, Urlaubssemester beim Wolfsrudel

Man merkt: Stenglein weiß, wovon sie spricht. Bereits als Kind habe sie Biologin werden wollen, warum, kann sie selbst nach einigem Nachdenken nicht so genau sagen. „Es war einfach immer so. Während meines Studiums in Bonn habe ich dann ein Urlaubssemester genommen und bei einem Wolfsforscher ein Praktikum gemacht“, erzählt sie. Sie kümmerte sich um vier kleine Wölfe, die von Hand aufgezogen wurden – ein nicht unumstrittenes Verfahren, wie sie sagt.

Und sie räumt gleich noch mit einer Vorstellung auf: „Frisch geborene Wolfswelpen sind ehrlich gesagt nicht süß. Eher sehr verknautscht.“ Gleichwohl war es für sie die Gelegenheit, das Verhalten dieses Wildtieres zu studieren. „Der Wolf ist der Urahn des Hundes. Er kann sich Dinge merken, wiedererkennen, er versteht Gesten, die Sozialstruktur und Kommunikation im Rudel – das ist faszinierend.“

Aufklärung und Unterstützung sind wichtig

Aber manchmal auch problematisch. Vor allem Schäfern können Wölfe Probleme bereiten, denn nicht nur Rehe, sondern auch leichter zugängliche Nutztiere stehen auf ihrem Speisezettel. „Deshalb muss der Schutz dieser Tiere verbessert werden“, sagt Stenglein. „Die Rückkehr des Wolfes ist auf der einen Seite ein Erfolg für den Naturschutz. Doch das darf nicht zu Lasten anderer Tiere gehen.“ Elektrozäune und der Einsatz von Herdenschutzhunden hätten sich bewährt. „Doch das ist mit zusätzlichem Aufwand und Kosten für die Halter verbunden.“

Da gelte es, Ängste zu nehmen und Lösungen zu finden. „Der Wolf ist durch nationales und internationales Gesetz geschützt, er wird sich seine Wege suchen. Das können wir nicht ändern, aber wir können uns vorbereiten.“ Den Wolf verherrlichen oder verteufeln: Beide Extreme sind nicht Stengleins Sache. „Es geht um Akzeptanz“, sagt sie.

Nicht nur die Zukunft des Wolfes hat Stenglein im Blick. Auch für ihr eigenes Leben hat sie jüngst Weichen gestellt. Die 30-Jährige musste sich entscheiden zwischen einem sicheren Job als Biologielehrerin an der Jugenddorf-Christophorusschule in Königswinter und einer befristeten Stelle als Mitarbeiterin in dem Nabu-Projekt „Die Rückkehr des Wolfes nach NRW“, das durch die Stiftung Umwelt und Entwicklung des Landes NRW gefördert wird. Stenglein hat sich für letzteres entschieden. Derzeit konzipiert sie eine Ausstellung, die erstmals im April 2017 im Kölner Zoo zu sehen sein wird – natürlich über den Wolf. „Ein Traumjob“, sagt sie. Zumindest für Katharina Stenglein.

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