Fall "Anna" Koalition wirft SPD-Chef Björn Seelbach Befangenheit vor

KÖNIGSWINTER · CDU und FDP haben den Königswinterer SPD-Vorsitzenden Björn Seelbach aufgefordert, sein Mandat im Jugendhilfeausschuss (JHA) niederzulegen. Die Koalition beantragt außerdem, dass Bürgermeister Peter Wirtz in der Ratssitzung am 13. Mai zu Seelbachs "Befangenheit" im Fall "Anna" und seiner wahrheitswidrigen Darstellung im Jugendhilfeausschuss am 7. März Stellung nimmt und sein Verhalten rügt.

Dabei geht es um die Frage, inwieweit Seelbach, der Rechtsanwalt von Beruf ist, Annas leibliche Mutter als Nebenklägerin im Verfahren gegen die zuständige Mitarbeiterin des Königswinterer Jugendamtes vertritt. Das neunjährige Pflegekind Anna war im Juli 2010 von ihrer Pflegemutter in der Badewanne ertränkt worden.

"Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen", meint die Koalition und kritisiert das "seltsame Verständnis" Seelbachs von Befangenheit und Treupflicht. Seelbach, der gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war, hatte in der Ausschusssitzung am 7. März auf die Frage des Vorsitzenden Stephan Unkelbach, ob er befangen sei, geantwortet, dass Annas Mutter auf ihn zugekommen sei.

Er werde seine Tätigkeit im Ausschuss ruhen lassen, sollte das Mandat zur Nebenklage zustande kommen. Eine endgültige Entscheidung hierüber liege noch nicht vor. Auf eine Nachfrage, ob er noch kein Mandat habe, erklärte Seelbach, dass er noch nicht mandatiert sei. Ferner sehe er in der Übernahme des Mandats keine Verletzung der Treupflicht.

Das sieht die Koalition anders. "Diese Aussage von Herrn Seelbach ist nachweislich falsch, und Herr Seelbach hat im JHA eine wahrheitswidrige Darstellung zu seiner Mandatierung abgegeben", erklärte FDP-Fraktionschef Dietmar Rüsch. Richtig sei, dass Seelbach bereits mit Datum vom 10. Januar eine vollumfängliche Mandatsvollmacht bei Gericht vorgelegt habe. Dies wiege umso schwerer, weil der JHA als sondergesetzlicher Ausschuss neben der Verwaltung Teil des Jugendamtes sei.

"Herr Seelbach ist also folglich im konkreten Fall Anna als Sachkundiger Bürger im JHA Teil des Jugendamtes und gleichzeitig in einem Verfahren als Prozessgegner gegen eine Mitarbeiterin des Jugendamtes mandatiert", so CDU-Fraktionschef Josef Griese. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Seelbach im JHA Wissen erlangt habe, welches er nun versuchen werde, vor Gericht zu Gunsten seiner Mandantschaft einzusetzen, argumentiert Griese weiter.

Philipp Prietze, Pressesprecher des Bonner Landgerichts, bestätigte die Mandantschaft Seelbachs gestern dem General-Anzeiger. "Herr Seelbach hat dem Gericht mit Schriftsatz vom 10. Januar unter Überreichung einer Vollmacht einen Antrag auf Zulassung der Nebenklage angezeigt", so Prietze. Dezernentin und Volljuristin Heike Jüngling bestätigte, dass der Antrag der Koalition bei der Stadt eingegangen ist. Ob der Bürgermeister Seelbachs Verhalten beanstanden werde, könne sie zurzeit noch nicht beantworten.

Björn Seelbach sieht sich nicht zum ersten Mal mit Befangenheitsvorwürfen konfrontiert. Vor etwas mehr als zwei Jahren hatte er nach 19 Jahren den Vorsitz des Stadtjugendrings niedergelegt, über den er als Sachkundiger Bürger der SPD im Jugendhilfeausschuss mitberaten und -beschlossen hatte.

Befangenheit und Treupflicht

Laut Gemeindeordnung NRW, Paragraf 31 (Ausschließungsgründe) darf der zu ehrenamtlicher Tätigkeit oder im Ehrenamt Berufene weder beratend noch entscheidend mitwirken, wenn die Entscheidung einer Angelegenheit ihm selbst, einem seiner Angehörigen oder einer von ihm selbst kraft Gesetzes oder kraft Vollmacht vertretenen natürlichen oder juristischen Person einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann. ... Wer annehmen muss, von der Mitwirkung ausgeschlossen zu sein, hat den Ausschließungsgrund unaufgefordert der zuständigen Stelle anzuzeigen und den Sitzungsraum zu verlassen.

Paragraf 32 (Treupflicht): Inhaber eines Ehrenamts haben eine besondere Treupflicht gegenüber der Gemeinde. Sie dürfen Ansprüche anderer gegen die Gemeinde nicht geltend machen, es sei denn, dass sie als gesetzliche Vertreter handeln.

Frühere Fälle

Im Königswinterer Stadtrat kam es im vergangenen Jahr gleich zu mehreren Fällen von Befangenheit. In der Bäderfrage erklärten sich Bürgermeister Peter Wirtz, der Erste Beigeordnete Ashok Sridharan und der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Roman Limbach für befangen. Wirtz, weil seine Tochter bei einem der Bewerber im Vergabeverfahren arbeitete.

Dies hat sich inzwischen geändert, so dass der Bürgermeister nicht mehr befangen ist; Sridharan wegen freundschaftlicher Kontakte zu einem anderen Bewerber; Limbach, weil seine Ehefrau bei einem der Bewerber geringfügig beschäftigt war. FDP-Fraktionschef Dietmar Rüsch wollte sich bei der entscheidenden Abstimmung über die Gesamtschule nicht für befangen erklären, wurde jedoch von der Opposition überstimmt. Seine Tochter arbeitet als Lehrerin an der Realschule in Oberpleis.

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