Michael Vaupel im Interview Königswinterer setzte sich in Japan gegen Delfinjagd ein

KÖNIGSWINTER · Der Königswinterer Michael Vaupel reiste vor zwei Monaten rund 9000 Kilometer nach Taiji, um sich vor Ort für die Meeressäuger einzusetzen. Mit ihm sprach Neal Graham.

 Sympathieträger: Spätestens seit der Fernsehserie "Flipper" werden Delfine bei vielen hoch geschätzt. In anderen Ländern stehen sie hingegen auf dem Speisezettel.

Sympathieträger: Spätestens seit der Fernsehserie "Flipper" werden Delfine bei vielen hoch geschätzt. In anderen Ländern stehen sie hingegen auf dem Speisezettel.

Foto: dpa

Spätestens seit der TV-Serie "Flipper" sind Delfine der Inbegriff sympathischer Freunde aus der Tierwelt. Auch in Japan genießen Delfine einen Sonderstatus als Popkultur-Ikonen - und doch ist ihre Tötung und ihr Verzehr dort legal. Zu besonders trauriger Berühmtheit ist die Bucht der Küstenstadt Taiji gelangt: Die alljährlich zwischen September und März stattfindende Delfin-Treibjagd stößt weltweit auf Empörung.

Wie sind Sie auf die Treibjagd in Taiji aufmerksam geworden?
Michael Vaupel: In erster Linie kam ich durch meine damalige Freundin darauf. Sie ist selbst Delfinfreundin, da hat es dann auch nicht lange gedauert, bis ich von den Zuständen in Japan erfahren habe. Also fasste ich den Entschluss, mich bei der Organisation "Sea Shepherd" ("Seehirte", Anm. d. Red.) zu bewerben - und ich wurde angenommen. Vor rund zwei Monaten war ich dann acht Tage lang in Taiji im Einsatz.

Wie genau sah denn Ihr Tagesablauf als deutscher Delfinschützer in Taiji aus?
Vaupel: Ich war von morgens um 4 bis nachmittags um 16 Uhr unterwegs. Vor Sonnenaufgang, also bevor die Fischer mit ihren Booten aufs Meer fuhren, musste ich bereits am Hafen sein. Ich war ein Beobachter. Ich habe dokumentiert, wann wie viele Fischer rausfahren, wie viele Delfine gefangen werden, wie viele von ihnen sie töten und wohin sie die noch lebenden Tiere verfrachten. Ich bin den Fischern rund um die Uhr gefolgt, und das hat ihnen selbstverständlich nicht gefallen. Zu spüren habe ich das bekommen, sobald ich versuchte, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Von einem Fremden wollten sie sich nicht sagen lassen, wie sie ihr Geld zu verdienen hätten, erst recht nicht von einem Ausländer.

Sie haben einiges an Anstrengung auf sich genommen, um sich für eine würdevollere Behandlung von Delfinen einzusetzen. Was macht diese Meerestiere in Ihren Augen so schützenswert?
Vaupel: Es gibt Unmengen an Studien, die belegen, wie intelligent diese Tiere sind. Sie bilden zum Beispiel komplexe soziale Gefüge, kommunizieren in einer eigenen Sprache miteinander, und sie retten sogar Menschen in Seenot vor dem Ertrinken, indem sie diese stundenlang über Wasser halten, obwohl sie davon selbst keinen Vorteil haben. Delfine sind besondere Tiere. Wenn man einmal gesehen hat, wie eine gefangene Delfinmutter mit ihrem Nachwuchs kommuniziert, wenn man sieht, wie sie beide leiden, dann weiß man, was für ein Verbrechen es ist, diese Tiere zu töten.

Weshalb werden Delfine in Japan getötet? Welchen Nutzen erhofft man sich dort davon?
Vaupel: Das ist ja gerade das Schlimme daran - einen wirklichen Nutzen gibt es nicht. Das Töten ist absolut nicht nachhaltig, das Fleisch ist meist ohnehin von zahlreichen Schadstoffen belastet und befindet sich an der Grenze zur Ungenießbarkeit. Viele Japaner verehren Delfine geradezu als Popkultur-Ikonen, süße Stofftiere und Manga-Figuren, sehen aber gleichzeitig keinen Widerspruch darin, sie zu töten. Die Regierung in Tokio erklärt, die Delfinjagd sei Teil des traditionellen Fischfangs, und auch die Fischer in Taiji sagten mir, Delfin gehöre einfach mit auf die Speisekarte. Die Delfinjagd ist dort aber erst seit den 1960er Jahren etabliert, und eine Industrienation wie Japan ist auf sie in wirtschaftlicher Hinsicht nicht angewiesen.

Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Chancen, dass die Delfinjagd in Japan in absehbarer Zeit strafbar wird?
Vaupel: Ich sehe da ehrlich gesagt keine Chance. Mein Einsatz vor Ort hat mich desillusioniert. Das Thema wurde schon einige Male von den Medien aufgegriffen, etwa von der neuen US-Botschafterin in Japan, Catherine Kennedy, oder dem deutschen Fernsehformat "Stern TV". Und ja, die Japaner haben in der Tat etwas geändert, allerdings waren diese Maßnahmen lediglich kosmetischer Natur. Man bemüht sich, die Schlachtungen "sauberer" durchzuführen - das heißt, dass das Meer anschließend nicht mehr einer einzigen Blutlache gleichen soll. Man versucht, die Tötungen zu vertuschen. Wirklich etwas ändern kann sich nur dann, wenn die Weltöffentlichkeit ein noch stärkeres Augenmerk auf die Delfinjagd legt und nachdrückliche, aber diplomatische Gespräche führt. Und wenn man nichts übereilt. Denn so sehr ich der Delfinjagd persönlich auch abgeneigt bin - bloß mit dem Finger auf Japan zu zeigen, ändert langfristig rein gar nichts. Eher im Gegenteil.

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