Industriekletterer in Königswinter im Einsatz Felshang an der L331 für die nächsten 100 Jahre gesichert

Königswinter · Industriekletterer haben die Sicherung, die den Hang hält, überprüft. Die Felswand ist mit 117 langen Ankern, 40 kurzen T-Ankern und einem Stahldrahtnetz befestigt. Das sollte für einige Zeit halten.

 Industriekletterer überprüfen die Sicherung des Felsenhangs an der L 331 im Siebengebirge.

Industriekletterer überprüfen die Sicherung des Felsenhangs an der L 331 im Siebengebirge.

Foto: Frank Homann

Zwei Kletterer in orangeroten Warnwesten ziehen die Aufmerksamkeit der Autofahrer auf der L331 auf sich. Sie klettern in dem Netz, das seit dem vergangenen Jahr über den Felshang kurz vor der Margarethenhöhe gezogen ist. Sie klettern dort nicht zum Privatvergnügen, sondern im Auftrag von Straßen NRW.

Ihre Aufgabe: die Sicherung zu überprüfen, die dort angebracht wurde, nachdem sich im Mai 2019 nach intensiven Regenfällen ein Felsbrocken aus der Wand gelöst hatte. „Der war so groß wie ein Autorad“, erinnert sich Bodo Westphal, Bauüberwacher von Straßen NRW, Regionalniederlassung Rhein-Berg. Damals errichtete das Technische Hilfswerk provisorisch einen Steinfangzaun. Dann wurde das Gebiet  von Gestrüpp befreit und eine feste Hangsicherung gebaut – das Bauwerk Nr. 5309-826. Diese Nummer sei so etwas „wie ein Autokennzeichen und unter dieser Nummer in der Datenbank wiederzufinden“, so Westphal.

Dieses Bauwerk nun zu überprüfen, beauftragte Straßen NRW die Ingenieure Felix Lingemann und Mark Wetzels, Experten aus Tecklenburg mit einer Spezialkletterausbildung. Die beiden brauchten an dem 16 Meter hohen Felsen unterhalb der Margarethenhöhe eine Menge Ausdauer. 117 Felsenanker mit einer Länge zwischen dreieinhalb und vier Metern, teilweise mit Zement verfüllt, außerdem 40 kurze T-Anker, sitzen heute im Felsen und halten ihn. An einer Stelle mit besonders großem Hohlraum ist eine Spritzbetonplombe eingebracht – das bedeutet, dass dort mit Druck Beton eingeschossen wurde. Das Netz über der Felsenfläche ist ein starkes Stahldrahtgeflecht, befestigt mit Platten, die es an den Stein pressen. Zu dem Bauwerk gehören außerdem ein rahmenförmiges Seil und Schlaufen.

30 Prozent Traglastreserve

Der Fels dürfte die Autofahrer erst mal nicht mehr ärgern. „Solche Ingenieurbauwerke sind auf 100 Jahre dimensioniert“, sagt Westphal. Das Netz könnte sogar noch etwas nachgeben, wie die Zugprüfung ergab – die Traglastreserve ist nämlich 30 Prozent höher als sie die Anker laut Statik haben müssen. Regelmäßige Prüfungen stehen dennoch an. Felix Lingemann und sein Kollege testeten unter anderem, ob die Muttern fest sitzen. Mit einem Prüfhammer schlugen sie dagegen, während sie im Berg am Seil hingen. Anhand der Vibration fällten sie ihr Urteil.

Um die Arbeiter zu schützen, war die Geschwindigkeit auf der Straße ab Margarethenhöhen-Ampel auf 50 Stundenkilometer beschränkt und der Randbereich durch Pylonen gesperrt. Im Vergleich zur akuten Phase im vergangenen Jahr, als mit Ampelschaltung der Verkehr geregelt werden musste, gab es aber keine Staus.

Sicherheit ist auch für die Kletterer oberstes Gebot. Lingemann trug Helm und Sicherheitsschuhe, dazu hatte er Abseil- und Sicherungsgerät. „Wenn das erste Seil reißt, fällt der Kletterer in das zweite Seil, das Sicherungsseil. Ein Bandfalldämpfer würde den Sturz dämpfen.“ Auch die Hilfe für den Kollegen ist durch dieses ausgeklügelte System möglich.

Industriekletterer hat Hobby zum Beruf gemacht

Bei aller Konzentration hat er aber auch immer noch einen Blick für die Umgebung. „Ich arbeite zum ersten Mal hier im Siebengebirge“, sagt Lingemann, der aus dem Sauerland kommt, „ich kenne das Siebengebirge bisher nur vom Wandern oder Mountainbikefahren.“

Sein Beruf ist auch sein Hobby, Lingemann klettert auch privat, gern im Sauerland und in Hallen. Höchste Erhebung im Berufsleben: eine Rheinbrücke, 140 Meter über dem Fluss. Und auch Tauchen muss er gelegentlich in Sachen Ingenieurskunst – an Sperrmauern, Schleusen, Brückenpfeilern oder Regenrückhaltebecken. Hier an der Margarethenhöhe hatten die Kletterer das Glück, dass sie über einen Pfad nach oben gelangten, um sich dann jeweils wieder abzuseilen zu den Muttern. „Wenn man auch noch hochklettern muss, wird es anstrengender.“

Felssicherung kostete 170.000 Euro

„Diese Felswand hier ist überschaubar“, meinte Westphal, ebenfalls konstruktiver Bauingenieur. „Das lief überhaupt sehr gut. Es handelte sich um eine Notfallmaßnahme, wir erhielten direkt die Genehmigung, das Geld war da, der Statiker war da, die Baufirma hatte Zeit.“ 170.000 Euro kostete die Maßnahme mit Felssicherung und Zaunbau.

Westphal resümiert: „Das Siebengebirge ist eine Herausforderung.“ Er hat den Vergleich zu ähnlichen Projekten. So hat er die Felssicherung an der B42 in Richtung Rhöndorf mitgemacht. Durch die Hohlräume sei es erforderlich gewesen, eine Gabionenwand zu setzen, berichtet er. Felsanker wie an der Margarethenhöhe an der L331, wo glücklicherweise auch kein Fels von hinten drückt, waren dafür untauglich. Er ist auch in der Eifel, im Sauer- und Siegerland mit solchen Felsproblemen befasst. „Aber ich bin auch im Beirat des Verschönerungsvereins für das Siebengebirge, es macht Spaß, in der eigenen Gegend zu arbeiten.“ Und auch der Eselsweg ist ja erst vor wenigen Monaten wieder freigegeben worden.

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