Schifferkrippe in Sankt Michael Wenn die Weihnachtsgeschichte wieder nach Niederdollendorf verlegt wird

Niederdollendorf · Die Schifferkrippe in Niederdollendorf hat eine lange Tradition: Seit 30 Jahren ist sie in der Weihnachtszeit in der Pfarrkirche Sankt Michael zu sehen. Und in diesem Jahr bereits am ersten Advent.

 Legt letzte Hand an den ersten Aufzug der Schifferkrippe in Niederdollendorf: Paul Peter Schmidt.

Legt letzte Hand an den ersten Aufzug der Schifferkrippe in Niederdollendorf: Paul Peter Schmidt.

Foto: Frank Homann

Paul Peter Schmidt nimmt ganz vorsichtig die Frau im altrosafarbenen Kleid und dem blauen Überwurf in seine Hände. Er streicht über das fein modellierte Gesicht der Figur – dann setzt er Maria auf eine Bank vor dem „Decke Boom“ am Rheinufer von Niederdollendorf. Anschließend steckt er ihr ein Buch in die Hand. Später, am Heiligen Abend, wird er ihr das Kind in die Arme legen.

Seit 30 Jahren gestaltet Schmidt die Weihnachtskrippe in der Pfarrkirche Sankt Michael. Zum dritten Mal können die Besucher bereits am ersten Advent einen Blick auf die Krippe erhaschen. Früher öffnete sich die Szenerie erst mit Jesu Geburt am Heiligen Abend. Das größere Zeitfenster hat praktische Gründe – der Krippenaufbau wird nun peu à peu vorgenommen und ist nicht mehr eine anstrengende 30-Stunden-Aktion am Stück.

Szene Mariä Empfängnis

Das bedeutete auch, dass der Aufzug in mehreren Akten geschieht. Zunächst ist die Szene Mariä Empfängnis zu sehen, am zweiten Advent folgt die Herbergssuche, ehe am Heiligen Abend die komplette Besetzung auf der „Bühne“ vorzufinden ist – oder besser: die vollzählige Schiffsbesatzung samt der herbei geeilten Bevölkerung Niederdollendorfs, die Kunde von der Geburt Jesu erhält.

Das ist das Besondere an der Krippe: Es handelt sich um eine Heimatkrippe, die Weihnachtsgeschichte wird nach Niederdollendorf verlegt, in das Dorf der Schiffer und Fährleute. Der damalige Pfarrer Georg Kalckert hatte sich das gewünscht. Bis dahin gab es stets eine alpenländische Krippe. Die Idee: Jesu Geburt wurde vom Stall auf ein Schiff „verfrachtet“.

Und zwar auf ein Schiff vom Typ „Samoreuse“, das im 17. und 18. Jahrhundert als das wichtigste Frachtschiff auf den niederländischen Gewässern unterwegs war, dann als erstes Segelschiff regelmäßig Fracht und Personen zwischen Amsterdam und Köln beförderte und um 1830 in Mondorf und Schwarzrheindorf gebaut wurde.

Modell der Samoreuse im Kölner Stadtmuseum

Fast 36 Meter lang, mehr als sechs Meter breit und rund 25 Meter hoch war die „Samoreuse“. Im Stadtmuseum Köln gibt es ein Modell. Und Schreiner Peter Schützeichel aus Oberdollendorf baute es im kleineren Maßstab nach. In 600 Arbeitsstunden verarbeitete er circa 120 Meter Seil, knüpfte 680 Knoten originalgetreu. Er erledigte auch die Schlosserarbeiten.

Für das Schiff wurde der feste Untergrund aus Grundplatten und einer Balkenkonstruktion errichtet. Dabei hatte Schmidt kräftige Helfer in Heinz Lütz und Thomas Pooth. Sobald die „Samoreuse“ vor Anker liegt, gibt Schmidt der Krippe seine Handschrift.

Sie ist jedes Jahr etwas anders. „Schon im Urlaub mache ich mir Gedanken“, erzählt Schmidt. So zog er diesmal in Erwägung, für das erste Bild eine Scheune aufzubauen. Aber dann wurde es doch der „Decke Boom“ an der Fähre. Der Krippenbauer hatte irgendwann am Rheinufer so einen „alten Knurren“ gefunden, aus dem er diesen berühmten Baum gebastelt hatte. Neben ihm wartet nun Maria auf die Worte des Engels, der genauso zur ersten Szene gehört wie der Evangelist Lukas.

Er befindet sich etwas abseits. Denn: „Lukas ist Jesus nie begegnet, er kennt nur Aufzeichnungen.“ Pfarrer Dariusz Glowacki war noch in Niederdollendorf im Dienst, als Schmidt ihm erste Planungen zum vorzeitigen Aufbau der Krippe vorstellte. Der merkte an, in dem Falle müsse auch der Lukas dabei sein. Aber wie so schnell eine neue Figur fertigen?

Paul Peter Schmidts Frau Rosemarie hatte die Idee: „Dann nimm doch den Jesus aus deiner Krippe als Lukas.“ Als Peter Schützeichel noch lebte, überlegte Schmidt oft mit ihm, was noch geschreinert werden könnte. Fässer entstanden, der Schürreskarre, die Bank, all diese winzigen Sachen, die diese Schifferkrippe so einzigartig und heimatnah machen, genauso wie der Sand und die Steine vom Niederdollendorfer Rheinufer.

35 Figuren modelliert und angezogen

Und da sind die 35 Figuren, die das Geschehen an der Krippe in Niederdollendorf zum Leben erwecken – der Kapitän und seine Mannschaft, Fährleute, Fischer, der Bürgermeister, seine Gattin, die Wäscherinnen, Küfer, Faßbinder, Holzfäller, Winzer, die damals übliche Großfamilie. Derzeit liegen sie bis auf Maria alle noch in ihren Kartons, leicht bedeckt von Seidenpapier.

Von zwei Arbeitsgruppen wurden sie einst unter Anleitung von Annemarie Ohlert aus Vinxel modelliert und angezogen. Die Köpfe und Füße bestehen aus Plastika, die Hände aus Cernit oder Fimo. Für den Korpus wurde ein Drahtgestell mit Korken, Bambusstäbchen und Perlen verwendet. Welch mühevolle Kleinarbeit. Die Kleider wurden den Figuren auf den Leib geschneidert – nach Schnittmustern von Paul Peter Schmidts Mutter Franziska, einer Schneiderin.

Aber wenn der Krippenbauer die glänzenden Augen beim „Kreppcheluure“ sieht, ist all die Mühe vergessen. Dann ist das Geschehen aus dem Stall von Bethlehem mitten im Schifferort Niederdollendorf zum Greifen nah.

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