Eine syrische Familie in Königswinter Neustart in Rauschendorf

RAUSCHENDORF · Zeina (6) und ihre dreijährige Schwester Sama haben Apfel- und Quarkkuchen mit ihrem Vater gebacken. Es duftet köstlich. Das Rezept stammt aus Syrien, aus der Heimat von Monzer und Mayyada Alagi. Ende Juni 2014 kam das Ehepaar mit den beiden Töchtern nach Deutschland, direkt nach Königswinter, wo die Familie zunächst bei einem Onkel Unterschlupf fand.

 Gemütliche Runde am Kaffeetisch: Monzer Alagi mit seiner Frau Mayyada und den Töchtern Zeina (2.v.r.) und Sama in Rauschendorf.

Gemütliche Runde am Kaffeetisch: Monzer Alagi mit seiner Frau Mayyada und den Töchtern Zeina (2.v.r.) und Sama in Rauschendorf.

Foto: Homann

Die Flucht über das Meer und die Balkanroute blieb ihnen erspart; sie durften damals über ein Aufnahmeprogramm für syrische Flüchtlinge einreisen. "Als ich aus dem Flugzeug stieg, hatte ich die Hoffnung, endlich eine Heimat für uns zu finden", erinnert sich Monzer Alagi.

Dieser Hoffnung ist der Apotheker aus Damaskus mittlerweile einen bedeutenden Schritt nähergekommen, denn er hat seine erste feste Stelle gefunden: In Nordhorn wird Monzer Alagi bei der Arge Arbeitsvermittler mit dem Schwerpunkt Asylbewerber und Flüchtlinge. Unter sechs Bewerbern hat sich der 33-Jährige, der neben Arabisch auch Englisch und Deutsch spricht, durchgesetzt.

Nach seiner Ankunft hat Alagi sehr schnell Deutsch gelernt. Und so arbeitete er schon bald ehrenamtlich als Dolmetscher. Die Caritas, das Jugendamt Bonn und die Stadt Königswinter konnten ihn jederzeit rufen. Als die ersten Flüchtlinge im Sommer an der Notunterkunft am Palastweiher eintrafen, war er stundenlang zur Stelle, um zwischen Flüchtlingen, Beamten, Ärzten und ehrenamtlichen Helfern zu vermitteln und Sprachbarrieren zu überwinden.

Eine Tätigkeit, die er durch das Pendeln während der Woche so nicht mehr ausüben kann. "Ich möchte die anderen Flüchtlinge motivieren, ihnen Hoffnung geben. Wir haben alles verloren, aber wir haben die Hoffnung und die Möglichkeit, hier ein schönes Leben aufzubauen."

Er hat Mitleid mit den Flüchtlingen, die jetzt kommen. "Sie werden mindestens zwei, drei Monate im Heim bleiben, ohne zu wissen, was morgen kommt. Viele meinen: Wenn ich in Deutschland bin, ist alles in Ordnung, bin ich in Sicherheit. Aber dann beginnen sie zu denken, kommen von Heim zu Heim, ohne Privatsphäre. Wenn ich nur an die Vergangenheit denken würde, als wir erfolgreich waren und Geld hatten, würde ich unmotiviert sein", so Alagi.

Lieber beißt er sich durch. In Königswinter startete Monzer Alagi bereits seinen zweiten Neuanfang. Er stammt aus einem Dorf in der Region Horan, seine gleichaltrige Frau aus einem Ort bei Homs. Beide sind Christen; Monzer ist aus einer orthodoxen Familie, Mayyada aus einer katholischen. Sie trafen sich beim Pharmaziestudium in Damaskus. "Wir kannten dort niemanden, hatten kein Geld und haben bei Null angefangen."

Nach dem Abschluss bauten sie in der Stadt eine Apotheke auf. Bis der Krieg ihre Hoffnungen und Träume zerstörte. Auch wenn das Pharmaziestudium in Syrien dem in Deutschland gleicht, konnten sie hier nicht sofort durchstarten. Die Zulassung fehlte. Mayyada Alagi besuchte täglich fünf Stunden die Sprachschule in Bonn. Ihr Mann arbeitete nach dem Erwerb des Sprachzertifikats als Helfer in einer Apotheke. Nach der fachsprachlichen Prüfung geht es um die Berufserlaubnis als Apotheker unter Aufsicht: Gerade hat die Bezirksregierung Monzers Antrag auf Prüfung akzeptiert.

Auch für seine Frau zeichnet sich eine Stelle in einer Apotheke ab. Darüber ist die Freude groß, denn die Familie erhält keine staatliche Unterstützung, da sie mit einem Sonderprogramm eingereist ist, berichtet Monzer Alagi. "Aber wir haben eine Befreiung für den Kindergarten hier in Rauschendorf, müssen nur das Essen für Sama bezahlen. Das finde ich toll", sagt der Familienvater. Samas große Schwester besucht die Grundschule in Stieldorf. Beide Mädchen sprechen Deutsch. "Zu Hause behalten wir das Arabische bei, um die Muttersprache zu pflegen", sagt Mayyada. Es sei denn, es kommt Besuch. "Wir haben viele deutsche Freunde gefunden, kochen und backen auch zusammen.

Mit Arbeitskollegen haben wir hier meinen Geburtstag gefeiert", erzählt Monzer Alagi. Und die Familie macht bei Dorffesten mit. In Rauschendorf hat sie eine zweite Heimat gefunden.

Facebook-Seite

Viele Apotheker aus ganz Deutschland setzten sich mit Monzer Alagi in Verbindung, nachdem die Deutsche Apotheker-Zeitung einen Beitrag über ihn gebracht hatte; sie war durch einen Artikel im General-Anzeiger über seinen Einsatz in der Unterkunft am Palastweiher auf ihn aufmerksam geworden. Alagi eröffnete die zweisprachige Facebook-Seite "Apotheker aus Syrien", um den Austausch zwischen deutschen und syrischen Kollegen anzukurbeln.

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