Siebengebirge Norman Liebold liest aus seiner Novellensammlung "Navigator"
KÖNIGSWINTER · Ein "Plädoyer für den Menschen im entmenschten System" sei die Neuerscheinung des Schriftstellers Norman Liebold. Die Novellensammlung "Navigator" besteht aus neun "sozionautischen" Novellen, die gesellschaftliche Phänomene des 21. Jahrhunderts anhand menschlicher Schicksale beleuchten.
Zu einer Lesung hatte Liebold in das Siebengebirgsmuseum eingeladen - musikalisch begleitet von dem Irish-Folk-Trio "Celtic Sense". Mit "Das Wunder von Sankt Mauritius" gab der Autor eine erste Kostprobe seines Werkes. Der ICE-Trassenbau in Siegburg und ein Priester, der ebendies zu verhindern versucht, stehen im Mittelpunkt der Erzählung. Begriffe wie "Gewinnmaximierung", "Prozessbeschleunigung" und "Tiefbautechniksachverständiger" charakterisieren die Globalisierung, die auch im Siebengebirge ihre Spuren hinterlässt.
Wie "hohle Predigten auf dem hohlen Boden der Kirche" erscheinen die Bemühungen des Gottesmannes. Sein Vorhaben scheitert, zu mächtig sind die Kräfte des modernen Kapitalismus. Die zweite Novelle, die der Autor vortrug, trägt den Titel "Die Verrückte vom Auesee". Mit ebenjener Patientin eines Sanatoriums für psychisch Kranke vergleicht Liebold Headhunter und Banker.
Diese über Headsets kommunizierenden Anzugträger stellen, so seine Beobachtung, nicht minder wahnsinnige Menschen dar. Und so schlägt Liebold einen Bogen zu seiner dritten Erzählung, dem "Baum der Erkenntnis". Hier geht es um den Wahnsinn der virtuellen Welt und einen Protagonisten, der sich nach einem Geistesblitz von ihr verabschiedet.
Die Kritik an der Tragweite und Eigendynamik sozialer Netzwerke ist nicht neu, aber durchaus kurzweilig erzählt. Der Sprachstil Liebolds besticht nicht unbedingt durch Purismus. Sätze beginnen oft mit "nichtsdestotrotz", sind lang, verschachtelt und beschreiben mitunter "kafkaeske Gänge".
Zuweilen konnte beim Zuhörer der Eindruck entstehen, Liebold orientiere sich ein wenig an Thomas Mann. Liebold, mit diversen geisteswissenschaftlichen Abschlüssen im Rücken, nimmt sich dieses Wagnisses - nichtsdestotrotz - an. Auf die Frage, wer ihn sprachlich beeinflusst haben mag, antwortet er: "Thomas Mann".
Über "Celtic Sense" lässt sich vor allem eines sagen: Sie sind schlicht und ergreifend gut. Insbesondere auf Freiluftveranstaltungen dürfte das Können des Musik-Trios zur vollen Geltung kommen. Und der Frühling erblüht derzeit bekanntlich in voller Pracht.