Vor 70 Jahren rollten die ersten Fahrzeuge über die Hodges Bridge Nur mit Entlausungsschein über die Brücke

NIEDERDOLLENDORF · Kaum war für die Menschen im Siebengebirge der Krieg zu Ende, wurde Niederdollendorf zu einem Dreh- und Angelpunkt der Weltkriegs-Geschichte. Vor 70 Jahren rollten die ersten Wagen über die Hodges Bridge.

Am 6. April 1945 inspizierte der amerikanische Viersterne-General Omar N. Bradley die 357,84 Meter lange Pontonbrücke zwischen Bad Godesberg und Niederdollendorf. Mit ihrer Fertigstellung hatten Pioniere der 1110 Engineer Combat Group der 1. US-Armee eine der wichtigsten West-Ost-Verbindungen der Alliierten im Mittelrheingebiet geschaffen, über die fortan eine Flut von Nachschubtruppen und Militärfahrzeugen den Rhein überquerte.

Zu Ehren ihres Oberbefehlshabers, General Courtney Hicks Hodges, erhielt die imposante Konstruktion dessen Namen. Bradley wurde begleitet vom "Assistent Secretary of War" John J. McCloy, der später als amerikanischer Hochkommissar auf dem Petersberg residieren sollte. "General Bradley habe ich nicht gesehen", erzählt Ernst-Erich Zimmermann. "Damals durften wir ja noch nicht wieder an das Bauwerk heran."

Eines Morgens während der Bauphase mussten die Bewohner des Ortes, die zwischen Rhein und Eisenbahnlinie lebten, innerhalb einer Stunde ihre Wohnungen verlassen. Der heute 84-jährige Niederdollendorfer erinnert sich: "Die amerikanischen Soldaten, die diese Evakuierung überwachten, waren nicht zimperlich. Sie gewährten auch keinen Zeitaufschub."

Die Zimmermanns packten das Nötigste auf einen Leiterwagen und fanden bei Verwandten in Oberdollendorf Unterschlupf. Ihr Haus befand sich an der Hauptstraße, direkt am Schürling, wie das Gelände zwischen der heutigen Fährstraße und der Königstraße hieß, wo sich jetzt der Bürgerpark befindet.

Damals war dieses Terrain durch eine dicke, hohe Ziegelmauer geteilt und wurde als Ackergelände und als Obstwiese genutzt. Zum Rhein hin wurde der Schürling durch die Uferstraße begrenzt. Parallel zu ihr standen zum Wasser hin zwei Reihen Kastanienbäume und direkt am Fluss befand sich der sogenannte Lagerplatz: Kirmes-, Zirkus- und Spielplatz von Niederdollendorf.

Von kreischenden Kettensägen wurden die Niederdollendorfer eines Morgens, kurz nach der Besetzung des Ortes durch die Amerikaner am 18. März, geweckt. Ernst-Erich schlief nach den Nächten im Keller endlich wieder in seiner Dachkammer und konnte von dort die Aktivitäten der Soldaten beobachten.

"Sämtliche Obstbäume im Schürling sowie der größte Teil der Kastanienbäume wurden abgesägt." Mit einem Opernglas sah er, dass auch auf der gegenüberliegenden Seite eine Schneise geschlagen wurde. Das Unternehmen "Brücke" lief an.

Bevor die Rheinanlieger nach der Brücken-Eröffnung endgültig in ihre Wohnungen zurückkehren durften, bestand schon etwas früher während der einstündigen Ausgehzeit die Möglichkeit, ihre Häuser aufzusuchen. "Dieser Weg führte uns an langen Flüchtlingstrecks vorbei", berichtet Ernst-Erich Zimmermann. Das waren evakuierte Menschen aus dem Aachener/Jülicher Raum, die zurück wollten. "Eine Brücken-Bahn wurde am Morgen für eine Stunde für sie freigegeben." So waren Straßen und Plätze vollgepfropft mit Fuhrwerken.

Nadelöhr Ami-Bröck

Hinzu kamen Flüchtlinge aus dem Osten. Von zeitweise 15 000 Personen, die in Dollendorf warteten, ist die Rede. Durch das Nadelöhr "Ami-Bröck" mussten aber auch die offenen Lastwagen mit deutschen Kriegsgefangenen auf dem Weg nach Kripp. Zimmermann: "Der Niederdollendorfer Lehrer Hardes stand auf einem Lkw. Ein bedrückendes Erlebnis."

Und auch Leichentransporte gefallener alliierter Soldaten rollten über die Brücke. Wer über die Brücke wollte, benötigte einen Passier- und Entlausungsschein. Die Soldaten stäubten in der Entlausungsstelle im Didierwerk die Protagonisten mit weißem Pulver ein.

Besonders Frauen war das unangenehm. Und so entdeckten einige junge Leute den Verkauf des Scheins als kleines Geschäftsmodell. Zimmermanns Frau Anni und ihre Freundin Helene unterzogen sich wiederholt der Prozedur, bis den Soldaten ihr kleiner Trick auffiel. "So fünf, sechs Mark haben wir von den Frauen für den Schein bekommen", erzählt Anni Zimmermann (84). "Unseren Eltern war das natürlich nicht recht."

Lastschiffe dienten der Brücke als Auflage

Nachdem die Bäume gefällt waren, rückten die Bulldozer an, die in kurzer Zeit die hohe und sehr dicke Ziegelsteinmauer auf dem Schürling niederlegte und planierte. Dabei kamen Maschinen zum Einsatz, wie sie die Niederdollendorfer nie zuvor gesehen hatten. Ernst-Erich Zimmermann: "Solche Bulldozer kannten wir nicht." Vom Ackerboden wurde tonnenweise Erdreich abgeschabt und auf die Steinschicht abgelassen. Unermüdlich schafften Pioniere mit Armeelastern Klinker herbei, die eigentlich für den Wiederaufbau von Gebäuden des Didier-Werkes bestimmt waren und auf den Basaltverladestellen lagerten. So bildete sich ein immer höher werdender Damm als Brückenrampe. Über die Schönsitzstraße fuhren die Wagen später ab.

Lastschiffe dienten der Brücke als Auflage. Nachdem sie herangeschleppt waren, wurden jeweils zwei mit dem Bug gegen den Strom gerichtet und fest mit Stahlkabeln vertäut. Mehrere, teils mit Eisenblöcken beladene und auf Grund gesetzte Lastkähne dienten als Verankerungen. Einer trug den Namen "Weltfrieden".

Die zweibahnige Brücke wurde mit Stahlelementen zusammengesetzt und erhielt einen Holzbohlenbelag. Scheinwerfer standen am Ufer und beleuchteten nachts die Szenerie, denn es wurde rund um die Uhr gearbeitet. Während des Sommers wurde eine Bogenkonstruktion erhöht, so dass der wieder einsetzende Schiffsverkehr passieren konnte. Im November 1945 erfolgte der Abbau der Brücke wegen der Zerstörungsgefahr durch Hochwasser und Eisgang.

General Hodges

Courtney Hicks Hodges (1887-1966) war von 1944 bis 1949 Oberbefehlshaber der 1. US-Armee, die er nach der Landung in der Normandie von Bradley übernahm. Er befreite mit ihr Paris, durchbrach als Erster die Siegfried-Linie, nahm Aachen ein. Seine Soldaten überquerten am 7. März 1945 die Brücke von Remagen, kämpften im Ruhrgebiet und vereinigten sich am 25. April bei Torgau an der Elbe mit der Roten Armee.