Messtechnik für Stromzähler Weltmarktführer Zera aus Oberpleis öffnet seine Türen

Oberpleis · Das Königswinterer Technikunternehmen Zera holt die Jubiläumsparty zum 100. Geburtstag nach und gibt an diesem Samstag bei einem Tag offenen Tür Einblicke in die Arbeit des Unternehmens.

 Präzisionsmaschinen, die von Oberpleis aus in die ganze Welt geliefert werden, entstehen seit 100 Jahren bei Zera.

Präzisionsmaschinen, die von Oberpleis aus in die ganze Welt geliefert werden, entstehen seit 100 Jahren bei Zera.

Foto: Frank Homann

Der eine oder andere Oberpleiser vermutete in den vergangenen Jahren schon, dass sich in dem schwarzen Gebäude im Gewerbegebiet Krahfeld der Bundesnachrichtendienst niedergelassen haben könnte. Am Samstag gibt es nun ausreichend Gelegenheit, das Haus der Zera GmbH in Augenschein zu nehmen. Das mitarbeitergeführte mittelständige Unternehmen, das Messgeräte für Stromzähler entwickelt, herstellt und vertreibt, lädt zu einem Tag der offenen Tür ein.

Am Mittwoch und Donnerstag in dieser Woche statteten Vertreter aus 90 Ländern der Firmenzentrale in Oberpleis ihren Antrittsbesuch ab. Vertreter unter anderem aus Indien, Ghana, Singapur, Kolumbien, den USA und Australien waren eingeladen. Absagen gab es keine. „Im Januar 2000 waren die Einladungen für die Vertretertagung bereits gedruckt, dann kam Corona“, berichtet Geschäftsführer Horst Wächter. Damals wollte man nach dem Umzug aus der Königswinterer Altstadt im Herbst 2019 sowohl den Neubau präsentieren als auch das 100-jährige Firmenjubiläum feiern. Im November 1920 hatte Wilhelm Cremer das Unternehmen gegründet. Bis heute stellt die frühere „Zähler-Eich-und-Reparatur-Anstalt“ Prüfgeräte für Stromzähler her.

Ein neues Standbein baut sich die Zera gerade in den USA für den nordamerikanischen Markt auf. Die selbstständigen Vertretungen in den einzelnen Ländern stellen in der Regel die Gehäuse der Prüfgeräte selbst her, die hochpräzise Messetechnik kommt aus Oberpleis. Als weiteres Standbein hat das Unternehmen die Messtechnik für E-Ladesäulen entwickelt.

 Ein profunder der über einhundertjährigen Unternehmensgeschichte von Zera ist Ignatz Schmitz.

Ein profunder der über einhundertjährigen Unternehmensgeschichte von Zera ist Ignatz Schmitz.

Foto: Frank Homann

„Wir sind der Weltmarktführer in unserer kleinen Nische der Prüfgeräte“, sagt Ignaz Schmitz. Der 62-Jährige arbeitet seit seiner Lehre im Jahr 1978 bei der Zera und ist damit der zweitdienstälteste Mitarbeiter. 25 Jahre lang war er Meister in der Fertigung, heute ist er einer von drei Aufsichtsratsmitgliedern und für das Qualitätsmanagement und den Arbeitsschutz verantwortlich.

„Weltmarktführer in unserer kleinen Nische der Prüfgeräte“

Schmitz hat auch schwierige Zeiten im Unternehmen erlebt, das 1999 vier Millionen Euro Schulden hatte und Insolvenz anmelden musste. Damals übernahmen 17 Mitarbeiter die Firma und erwarben Anteile. Nach vier Jahren war die Zera schuldenfrei. Heute hat das Unternehmen eine Eigenkapitalquote von über 50 Prozent und einen Jahresumsatz von über 15 Millionen Euro. Die 110 Mitarbeiter, weitere 25 arbeiten bei einer Tochterfirma in Indien, sind zu rund 75 Prozent im technischen Bereich und zu 25 Prozent im kaufmännischen Bereich tätig. Jeder Mitarbeiter kann Unternehmensanteile kaufen oder erhält solche Anteile zum Beispiel als Gewinnbeteiligung anstelle eines Weihnachtsgeldes. Dabei gilt eine Haltepflicht von fünf Jahren. Seit einigen Jahren können auch Nichtmitarbeiter in begrenzter Form Anteile erwerben.

Die Mitarbeiter werden bei allem sehr stark eingebunden, so Schmitz, während früher die Entscheidungen von oben getroffen worden seien. Die letzte Entscheidung liege aber auch heute noch bei der Geschäftsführung. Bei der KVP-Methode, dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess, der bei der Zera angewendet werde, seien die Mitarbeiter ebenfalls eng eingebunden. „Unsere Mitarbeiter treffen sich regelmäßig, um Probleme gemeinsam zu lösen“, sagt Schmitz. Durch die enge Bindung an das Unternehmen habe man sehr viele langjährige Mitarbeiter, eine geringe Fluktuation und weniger Probleme, Fachkräfte zu finden. Das gelte aber nicht für alle Bereiche. So kommen zum Beispiel die Softwareentwickler aus allen Teilen der Welt.

Zum Tag der offenen Tür am Samstag ist auch Ulrich Cremer eingeladen. Der Sohn des Firmengründers, der als Kind in den Gebäuden in der Altstadt spielte, hat Plakate mit Fotos und erläuternden Texten zur Firmenhistorie von 1920 bis zum Umzug im Jahr 2019 entworfen, die in der Mensa des Neubaus aufgestellt sind. Dort, wie im gesamten Gebäude, fühlen sich die Mitarbeiter sehr wohl. „Das Einzige, was wir manchmal vermissen, sind der Rhein und die Eisdielen“, sagt Schmitz. Der Neubau wurde im Oktober 2019 fertiggestellt und hat eine Fläche von 3812 Quadratmetern, wovon rund zwei Drittel für die Fertigung genutzt werden. „Es ist ein transparentes und modernes Gebäude geworden“, sagt Schmitz. Besonders die Abläufe im Produktionsprozess auf nur einer Ebene seien nun viel einfacher als früher in den sechs zum Teil verschachtelten Gebäuden mit vier Etagen in der Altstadt. Und auf das Eis müssen die Mitarbeiter auch jetzt nicht ganz verzichten. Firmenchef Wächter lässt die Süßspeise hin und wieder vom Eiscafé Bruno nach Oberpleis liefern.

Zera agert rund 7500 Artikel

Durch die Corona-Zeit sei sein Unternehmen auch in den vergangenen drei Jahren mit einem leichten Plus gekommen, berichtet Schmitz, weil die Einkaufsabteilung rechtzeitig Vorräte an Elektronikbauteilen gekauft habe, sodass die langen Lieferzeiten von über einem Jahr nicht zu Lieferengpässen bei den eigenen Produkten wie bei manchem Konkurrenten geführt hätten. Dafür lagerten insgesamt 7500 verschiedene Artikel mit einem Wert von rund 3,4 Millionen Euro im Unternehmen, wodurch natürlich Kapital gebunden werde – die Kehrseite der Medaille.

Der Klimaschutz liegt der Zera besonders am Herzen. Nachdem das Unternehmen in der Altstadt noch einen enormen Gasverbrauch hatte, wird der Neubau mit einer Wärmepumpe beheizt. Seit zwei Wochen ist auf dem Dach zudem eine Fotovoltaikanlage in Betrieb, die bis zu 60 Prozent des Eigenstromverbrauchs deckt. Ziel ist es, in Zukunft den eigenen Verbrauch komplett selbst zu erzeugen. Im Jahr 2022 stellte das Unternehmen den besten Azubi bei den Elektronikern im Bereich der IHK Bonn/Rhein-Sieg.

„Ich bin glücklich, dass wir heute in Oberpleis sind, auch wenn ich anfangs gegen den Umzug war, weil ich Angst vor der Investition hatte“, sagt Schmitz. Die Baukosten betrugen rund acht Millionen Euro. Am Freitag findet in einem Festzelt auf dem Firmengelände die interne Jubiläumsfeier statt, bevor am Samstag zum Abschluss der Festwoche die Bürger eingeladen sind. „Am Sonntag schlafen wir dann alle aus“, sagt Horst Wächter.

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