Hartenberger müssen vorerst Balkon und Pool nicht entfernen. Politik zeigt Verständnis Petitionsausschuss stoppt Abriss

HARTENBERG · Vier Anträge aus Hartenberg liegen dem Petitionsausschuss des Landtages von NRW seit zwei Wochen vor. Ganz schön viel für einen Ort mit 61 Haushalten und 103 Bürgern. Es geht um eine unsichtbare Grenze, die seit 2010 von einer neuen Innenbereichssatzung in dem kleinen Dorf oberhalb von Oberpleis bestimmt wird.

 "Wir wären auf die Barrikaden gegangen, hätten wir das gewusst", sagte eine Anwohnerin bei der Bürgerversammlung.

"Wir wären auf die Barrikaden gegangen, hätten wir das gewusst", sagte eine Anwohnerin bei der Bürgerversammlung.

Foto: Homann

Die Grundstückseigentümer wurden aber erst auf die Regelung aufmerksam, als die Stadt wegen eines Gerichtsverfahrens eine umfassende Prüfung im "Grenzgebiet" vornahm. Seither drohen einem Balkon und einem Pool der Abriss, ein Carport und ein weiterer Balkon wurden gar nicht erst genehmigt.

"Wir wären damals doch auf die Barrikaden gegangen, hätten wir das gewusst", sagte Helga Bensien in einer Bürgerversammlung der Hartenberger, zu der auf Einladung hin auch Ratsmitglieder aller Fraktionen mit Ausnahme der verhinderten Grünen gekommen waren. Bürgermeister Peter Wirtz und Dezernent Theo Krämer ließen sich wegen anderer Termine entschuldigen. "Es wäre besser die Verwaltung wäre da, aber von denen hat sich keiner hierher getraut", sagte CDU-Vorsitzender Roman Limbach während der Diskussion.

Dabei ging es durchaus sachlich zu, wenngleich die Hartenberger von Vertrauensverlust sprechen, seitdem im Herbst 2014 Bürgeranträge im Planungs- und Umweltausschuss abgewiesen und von der Verwaltung daraufhin Anfang März dieses Jahres Abrissverfügungen ausgesprochen wurden. Der Düsseldorfer Petitionsausschuss hat mittlerweile reagiert: Die Stadtverwaltung musste per 27. März ihre Ordnungsverfügungen bis zum Entscheid aussetzen.

Versammlungsleiter Martin Kaufmann fasste noch einmal zusammen, was bisher passiert ist und wozu die neue Satzung überhaupt dienen soll. "Warum wurden wir nicht vorher informiert? Das hätte lediglich eines Einsatzes von 50 Briefumschlägen bedurft", echauffierte sich Harald Veit. Nun pflichtete Roman Limbach den Hartenbergern bei: "Ja, die Bürgerinformation fehlte. Man hätte das früher kommunizieren müssen."

Das Planungsamt hatte vor kurzem Martin Kaufmann gegenüber bekräftigt, dass die Rechtslage keinen Spielraum zur Änderung zulasse, es sei denn, das Verwaltungsgericht sehe das anders. Eine Versammlungsteilnehmerin wandte sich nun ungläubig an die anwesenden Ratsmitglieder: "Der Rat darf diese Satzung nicht ändern?" Während Joachim Hirzel (SPD) von der Satzung als "Selbstbindung der Verwaltung" sprach, "deren Bewertung wir nur nachvollziehen können", erklärte Roman Limbach: "Uns hat man immer wieder gesagt, das sei alternativlos." Eine Geschichtslehrerin entgegnete: "Der Begriff ,alternativlos? geht mir auf die Nerven. Selbst das Grundgesetz kann geändert werden." Ursula Brungs war noch als SPD-Ratsfrau bei der besagten Sitzung im Jahre 2010 dabei.

"Die Verwaltung hat uns mit dem Pensum überfordert. Es wurde alles durchgewunken. Ich habe zugestimmt, ich habe mich mitschuldig gemacht." Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass es sich um eine "offenbar nahezu unaufweichliche Satzung" handele. Zu überlegen sei, ob nicht der Flächennutzungsplan neu aufgelegt werden sollte. Auch Uwe Hupke von den Köwis meinte: "Wenn ein Bebauungsplan geändert werden kann, muss dies doch auch für Satzungen gelten."

Roman Limbach zeigte sich im Verlauf des Abends ebenfalls aufgeschlossen. So informierte Martin Kaufmann über Gerichtsentscheidungen, bei denen sich Kläger in ähnlich gelagerten Fällen durchsetzen konnten. Limbach: "Ich war wegen des Problems mehr als einmal bei der Verwaltung. Die Politik will etwas ändern. Wenn eine Expertise kommt, würde ich das unterstützen."

Die Ortsabrundungssatzung von 1982 sah eine Entfernung von zehn Metern zu den Häusern vor, die Überarbeitung 2010, die Fehler ausmerzen sollte, wurde an den Häusern entlang vorgenommen. Mehrere Bürger warfen der Verwaltung deshalb "reine Willkür" bei der Festlegung der Grenzen vor. Damit einher gehe auch eine Wertminderung der Grundstücke. "Sie können Fehler heilen, aber nicht auf unsere Kosten!" Harald Veit: "Mehr als 70 Prozent meines Grundstückes fallen jetzt unter den Außenbereich. Das ist praktisch Enteignung." Das unterstrichen mehrere der Eigentümer. Es gehe um kleinere Dinge. Eine Hartenbergerin: "Mit meinem Carport bin ich am 13. April vor dem Verwaltungsgericht Köln."

Limbach: "Wir waren uns der Tragweite der Entscheidung nicht bewusst." Während der CDU-Mann von einer Kompromissfindung sprach, setzte Bernd Schlegel von der FDP auf einen Gerichtsentscheid. "Das ist die sauberste Lösung, dann wissen wir, ob Sie Recht haben oder die Verwaltung."

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