Afghanischer Abend in Oberdollendorf Politischer wie auch gefühlvoller Leseabend im Gemeindezentrum

OBERDOLLENDORF · Der afghanische Abend des Vereins „Literatur im Siebengebirge“ gibt tiefe Einblicke in das vom Krieg geprägte Land. Die Lesung steht im Zeichen Roger Willemsens.

 Ehrengast Storai Naumann (berichtet vom Afghanischen Frauenverein, Barbara Teuber liest Willemsen-Passagen.

Ehrengast Storai Naumann (berichtet vom Afghanischen Frauenverein, Barbara Teuber liest Willemsen-Passagen.

Foto: Frank Homann

Das Lampenfieber steht Younis ins Gesicht geschrieben, als er auf der Bühne im evangelischen Gemeindezentrum Platz nimmt und zu lesen beginnt. „Ich konnte nicht mehr, wollte aufgeben, aber etwas in meinem Kopf sagte: 'Du musst weiter.'“ Seine Flucht aus dem Irak hat den 20-Jährigen, der seit September vergangenen Jahres in Deutschland lebt, nicht losgelassen. Seit Dezember besucht er den Deutschkursus von Annette Eichendorf in Aegidienberg – und auf der Suche nach einem Ventil entdeckte er das Schreiben für sich.

Bereits nach wenigen Monaten beherrscht er die fremde deutsche Sprache so gut, dass er sich dem Verfassen eigener Prosa widmet: aus tiefstem Herzen kommende Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt eines Heimatvertriebenen. „Jeder hat ein Talent, jeder hat einen Traum“, beendet er seinen allerersten Auftritt beim afghanischen Abend des Vereins „Literatur im Siebengebirge, „und solange wir leben, lass uns für unseren Traum leben.“

Ganz im Zeichen Roger Willemsens – „eines Weltbürgers, der sich um die Menschen Afghanistans in jederlei Hinsicht verdient gemacht hat“, so Moderatorin Anne Alfen – sollte der ebenso politische wie gefühlvolle Leseabend stehen. Schauspielerin Barbara Teuber trug ausgewählte Passagen aus „Es war einmal oder nicht“, dem feinfühligen Reise-Porträt Willemsens von Kindheit und Jugend in Afghanistan, vor – von Kinderzeichnungen, in denen der Westen wie eine beengte Stadtwüste ohne Blumen, ohne Ornamentik, aber auch ohne Gewalt erscheint, eine Gegenwelt zur ländlichen Gebirgslandschaft Afghanistans. Von Mädchen, die keine Kindheit haben, weil sie sich um Familie, Feld und Haushalt kümmern müssen, und von Jungen, die kein Spielzeug haben, dafür umso mehr Sorgen.

Als Ehrengast berichtete Storai Naumann vom Afghanischen Frauenverein über Arbeit und Anliegen des Vereins, die Situation vor Ort und das Engagement Willemsens, „der als Schirmherr immer bereit war, uns seine Hilfe zur Verfügung zu stellen“. Erklärtes Ziel des Vereins: „Frauen und Mädchen helfen, damit sie sich selbst helfen können“, so Naumann, und zwar vorrangig in Form von Schulbildung, Handwerksausbildung, Trinkwasserversorgung und Patenschaften.

Seit fast einem Vierteljahrhundert existiert der Verein bereits – für jeden anderen Verein ein Grund zur Freude. „Aber ich freue mich nicht, Ihnen sagen zu müssen, dass die Arbeit unseres Vereins weiterhin notwendig sein wird“, resümierte Naumann.

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