Jüdisches Leben in Königswinter im 16. Jahrhundert Rabbiner Chajjim und die Speisegesetze

KÖNIGSWINTER · Gabriele Wasser berichtete beim Heimatverein Siebengebirge über jüdisches Leben in Königswinter im 16. Jahrhundert. Höchstwahrscheinlich hat er den jüdischen Friedhof von Königswinter anlegen lassen. Denn kurz nach Amtsantritt von Rabbiner Chajjim Treves, auch Heiman Schwarz genannt, fanden dort die ersten Bestattungen statt.

 Zeugnis jüdischen Lebens im Siebengebirge: Grabsteine auf der Helte in Bad Honnef.

Zeugnis jüdischen Lebens im Siebengebirge: Grabsteine auf der Helte in Bad Honnef.

Foto: Frank Homann (Archiv)

Gabriele Wasser, die Vorsitzende des Vereins für Geschichte und Kultur der Rheinlande, berichtete in einem Vortrag des Heimatvereins Siebengebirge im Hotel Loreley über jüdisches Leben in Königswinter. Und dabei beleuchtete sie auch ein bisher eher unbekanntes Kapitel, das sich während der Regierungszeit von Gebhard I. von Waldburg abspielte.

Das war jener Kölner Kurfürst und Erzbischof zwischen 1577 und 1583, der zum Protestantismus übertrat, heiratete und das Erzstift säkularisieren wollte. Dies bedeutete Zoff mit dem Kölner Domkapitel und den Ausbruch des Truchsessischen oder Kölnischen Kriegs 1583, der den Versuch vereitelte, das Erzbistum Köln in ein protestantisches Herzogtum zu verwandeln.

"Gebhard setzte den ersten kurkölnischen Landes-Rabbiner und Vorsitzenden der jüdischen Gerichtsbarkeit ein", berichtete Gabriele Wasser. "Der Landesrabbiner beaufsichtigte nun die jüdischen Gemeinden im Hinblick auf das Einsammeln der Steuern, die Ausführung der kurfürstlichen Anordnungen und die Ausübung des Religionsgesetzes und wurde auch von der kurfürstlichen Verwaltung bezahlt."

Rabbiner Chajjim Treves amtierte allerdings nicht von Bonn aus, sondern er übte sein Amt von Königswinter aus. "Die Rabbinerfamilie Treves galt als eine Familie herausragender Gelehrter, die ihren Stammbaum auf den großen Gelehrten Raschi von Worms, der aus Troyes in Frankreich stammte, zurückführten", so WASSER

Die Referentin schilderte, wie der Rabbiner am 5. April 1577 in Königswinter eintraf. "Der Beginn war wohl ziemlich stressreich", vermutete die Historikerin. Denn: "Eine Woche später begann das jüdische Pessach-Fest." Begleitet wurde der Rabbiner von seiner Familie, Dienstpersonal und mehreren Schülern. Leider sei nicht überliefert, wo sich das Rabbiner-Haus befand. Bis zu 13 Schüler unterrichtete Treves in seinem Lehrhaus. Neben der Tätigkeit als Religionslehrer habe zu Chajjims Hauptaufgaben die Kontrolle der Umsetzung der Speisegesetze gezählt.

"Zu diesem Zweck waren zwei Königswinterer Juden vom Kurfürsten als Helfer für die Fleischbeschau bestimmt worden. Einer dieser Fleischbeschauer war Judah ben Mordechai. In der Region war er als Lang Lew bekannt." Lew hatte in Königswinter und Umgebung die Arbeit der jüdischen Metzger zu kontrollieren. Hatte das geschächtete Fleisch innere Verwachsungen oder Verletzungen, so galt es als "treif" und durfte nicht gegessen werden.

Wasser: "Für die Metzger bedeutete solch ein Urteil einen großen Verlust und so urteilten die kurkölnischen Rabbiner seit langer Zeit zu Gunsten der Menschen." Auch Treves praktizierte einen liberaleren Brauch, was zu Kritik führte. Aber er erhielt Unterstützung und obsiegte vor dem rabbinischen Gericht.

Ebenso interessant: "In Königswinter muss während der Amtszeit des Rabbiners Treves eine Synagoge oder zumindest ein Bethaus gewesen sein, denn der Rabbiner beschäftigte einen Vorsänger für den Gottesdienst", informierte Gabriele Wasser. "Sein Name war Elieser ben Jakob Ha-Levi. Aus der Schriftensammlung des Rabbiners Mordechai von Halberstadt erfahren wir, dass er 22 Jahre lang in Königswinter Vorsänger war und außerdem Lang Lew als Schächter und Fleischbeschauer vertrat."

Ruhige Zeiten verlebte Rabbiner Treves, der mit vielen Gelehrten in Kontakt stand, in Königswinter allerdings nicht. Wasser: "Der Kölnische Krieg begann. Ein Angriff auf den Ort im September 1583 durch Truppen des Pfalzgrafen Johann Kasimir blieb erfolglos. Nach acht Jahren Amtszeit in Königswinter flüchtete der Rabbiner damals vor den Truppen nach Ahrweiler. Begleitet wurde er von seinem Lieblingsschüler Gabriel ben Abraham."

Er lebte dort bei Schwiegersohn und Tochter und verstarb 1598. Das Fazit: "Königswinter war also mindestens am Ende des 16. Jahrhunderts eine in ihrer religiösen Kultur gut entwickelte Gemeinde."

Info

Der Verein unterhält in Oberkassel, Königswinterer Straße 647, das Kleine jüdische Lehrhaus mit einer ständigen Ausstellung. Besichtigung mit Voranmeldung unter der Telefonnummer 0228/90827990. www.rheinland-israel.de

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