Neuer Jahrgang 2022 Schön straff und sanft im Glas: Wie Winzer im Siebengebirge gegenseitig ihre Weine bewerten

Rhöndorf · Winzer von Oberdollendorf bis Leutesdorf testen ihre jüngsten und somit neuesten Weine – gegenseitig selbstverständlich. Die kollegialen Urteile fallen aber in ganz entspannter Atmosphäre.

 Ihre neuesten Weine des 2022er Jahrgangs bringen die Winzer von Rhöndorf bis Leutesdorf mit, um sie sich gegenseitig fachkundig testen zu lassen.

Ihre neuesten Weine des 2022er Jahrgangs bringen die Winzer von Rhöndorf bis Leutesdorf mit, um sie sich gegenseitig fachkundig testen zu lassen.

Foto: Frank Homann

Winzer von Oberdollendorf bis Leutesdorf – an einem Tisch. Früher tüftelte jeder für sich in Wingert und Keller, um seinen Schätzen den richtigen Schliff zu geben. Längst pflegen die Weinbauern aus der Region den kollegialen Austausch. Erstmals nach Corona versammelten sie sich wieder in der Pieperschen Vinothek Am Domstein, um gemeinsam die jungen Gewächse aus dem Jahr 2022 zu testen.

Jeder hatte einige Flaschen verschiedener Sorten dabei, um das Urteil der anderen zu hören und vielleicht auch noch einige Tipps zu erhalten. „Wir möchten den Weinbau in der ganzen Region voranbringen“, nannte Felix Pieper vom Weingut Pieper aus Königswinter die Intention solcher Zusammenkünfte.

Erst die Nase, dann der Gaumen: Winzer Felix Pieper versucht dem Wein mit verschiedenen Sinnen nahzukommen.

Erst die Nase, dann der Gaumen: Winzer Felix Pieper versucht dem Wein mit verschiedenen Sinnen nahzukommen.

Foto: Frank Homann

Seniorchef Josef Blöser vom Weingut Blöser aus Oberdollendorf: „Wir verstehen uns alle sehr gut, es ist interessant, unter Kollegen die Weine vorzustellen.“ Auch Kay Thiel von Kay Weine, der in Ober- und Niederdollendorf sowie in Dattenberg und Leutesdorf anbaut, meinte: „Solche Treffen sind ganz großartig, das ist eine kollegiale Beratung.“

Gerade ist Thiel von „Vinum“ zum „Aufsteiger des Jahres“ gekürt worden. Thiel: „Der Felix war das schon 2021.“ Der Junior aus dem Hauses Pieper meinte: „Früher hieß es, die Weine aus dem Norden wären nicht zu trinken. Aber sie haben durchaus Format, werden als regionale Produkte auch in den hiesigen großen Hotels ausgeschenkt und sind in der Zwei-Sterne-Gastronomie deutschlandweit vertreten. Und wir haben den Regionalvorteil – es besteht wenig Weinbau vor Köln, aber es gibt hier ein großes Publikum.“

Sparen die Leute in Zeiten hoher Inflation am Wein? Kay Thiel verneinte: „Das stelle ich bis jetzt nicht fest. Gerade im Bio-Segment handelt es sich um eine Klientel, die in der Regel mehr Geld zur Verfügung hat.“

Während draußen im Wingert gerade der Rebenschnitt passiert, lenkten die Winzer nun ihr Augenmerk auf den 22er. Seniorchef Josef Blöser und Tochter Ursula Adrian schenkten auch einen Müller-Thurgau aus. Die Kollegen schwenkten sanft das Glas, beobachteten das Spiel der Farben, tauchten ihre Nase tief hinein, um das Bouquet zu ergründen und nahmen anschließend konzentriert einen Schluck, um die Textur des Weins zu erleben. „Der ist schön straff“, urteilte Felix Pieper.

„Ich bitte um ein offenes Wort“, sagte Oliver Krupp vom Weingut Krupp Bruchhausen. Beim Rotling, der aus drei Traubensorten besteht, fand Krupp selbst, dass die Farbe noch etwas schwach sei. Kollege Martin Sturm vom Weingut Sturm aus Leutesdorf meinte indes: „Ich brauche nicht mehr Farbe.“ Und während Pieper diesen Wein als „zu üppig“ charakterisierte, befand Blöser: „Der ist sehr angenehm, es ist die Kunst des Kellerwirtes, diese Trauben zusammenzustellen. Hut ab!“ Die Krupps hatten auch den Saft der Reben vom Weingut Haus im Turm von Bernd Siebdrat mitgebracht. Karl-Heinz Broel vom Weingut Broel stellte seine Erzeugnisse vor.

Themen in der Runde waren aber auch die wirtschaftlichen Bedingungen. Immense Energiekosten, außerdem Preiserhöhungen bei Glas, Verpackung, die noch dazu rar ist, mehr Fracht- und Lohnkosten müssen die Winzer stemmen. „Das können wir dem Kunden nicht alles draufschlagen. Wir müssen eine Balance finden.“ Kritik auch an den Handelsriesen. Die Erfahrung der Winzer: „Bei 50 Cent mehr für die Flasche Wein wird man schon nicht mehr gelistet.“ Und die neue EU-Verordnung hinsichtlich der Etikettierung mit einer Fülle von Angaben ist auch mit viel Arbeit und hohen Kosten verbunden. Diese Sorgen spürt der Weintrinker aber nicht.

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