Eigener Steinbruch So ist das Haus Perlenhardt in Ittenbach entstanden

Ittenbach · Das „Haus Perlenhardt“ in Ittenbach wird nach langen Umbauarbeiten heute von Ira Lewandowski und Jochen Link bewohnt. Rund um die alte Pension und seine Gäste gibt es viele Geschichten, die sich unter anderem aus dem alten Gästebuch ergeben.

 Ira Lewandowski und Jochen Link mit Hund Yacki vor ihrer „Perle“.

Ira Lewandowski und Jochen Link mit Hund Yacki vor ihrer „Perle“.

Foto: Frank Homann

Ihr Schlafzimmer trägt den Namen „Schönblick“. Auf den Türen anderer Räume des Hauses von Ira Lewandowski und Jochen Link sind kleine Tafeln angebracht mit Schriftzügen wie „Lohrberg“, „Löwenburg“ oder „Oelberg“. Und auch das Schild, das einst Sommerfrischlern den Zutritt in die Küche verwehrte, ließen die Eheleute hängen. Die beiden bewahren die Geschichte ihres Heims, das 1910 von den Geschwistern Carl und Maria Leven errichtet wurde und über Jahrzehnte auch als Pension diente.

Auch die Mutter des späteren Nobelpreisträgers Heinrich Böll logierte während des Zweiten Weltkriegs unter ihrem Mädchennamen Maria Hermann im „Haus Perlenhardt“. Ein 1941 angefangenes Gästebuch des Hauses, in dem Ira Lewandowski vorsichtig die Seiten umblättert, zeugt noch von jenen Tagen, in denen Besucher, vorwiegend aus dem Kölner Raum, hier Erholung suchten.

Wie wohl sie sich fühlten, zeigen die Einträge – teilweise in Reimform gehalten, manche lyrisch, andere als Zeichnungen, einige mit Witz wie die Ernennung der Pensionswirtin zum „Doktor der Kochwissenschaft ehrenhalber in der Erholungswissenschaftlichen Fakultät Perlenhardt“, aber einer auch als Abschiedsgruß mit schwerem Herzen am 13. März 1945 verfasst von einem einquartierten Soldaten, als der Krieg auch im Siebengebirge wütete. Dieses Buch hat ihnen die einstige Besitzerfamilie zum Schmökern ausgeliehen. Die Erinnerungen gehören zum Haus wie ein Schatz.

Fünf Jahre hatten sie gesucht nach ihrer „Perle“. Jochen Link: „Wir haben viele Häuser angesehen. Dann stand ,Haus Perlenhardt‘ im Internetportal, ich habe es sofort erkannt von den Spaziergängen hier. Das mussten wir besichtigen.“ Nicht nur das Äußere des Anwesens punktete, auch das Innere überzeugte die beiden Interessenten mit seinem Charme. Sie waren sofort angetan von den praktischen Einbauschränken im Flur, von den Sitzbänken mit Stauraum unter den Fenstern, von den Sprossenfenstern mit Bleiverglasung. Damals hatte jedes Zimmer Waschbecken, ebenfalls Relikte aus der Pensionszeit.

 Historische Aufnahmen des Hauses kurz nach der Eröffnung.

Historische Aufnahmen des Hauses kurz nach der Eröffnung.

Foto: Frank Homann

Monatelange Arbeiten

Nach dem Kauf ging es an die Arbeit, monatelang wirkten die neuen Eigentümer auf ihrer Baustelle. Wasserleitungen aus Blei wurden herausgerissen, Heizkörper und elektrische Leitungen erneuert. Ira Lewandowski und Jochen Link entfernten Linoleum und Teppiche, legten den Holzfußboden frei, schliffen das „Ochsenblut“ von den Dielen. Die Holztreppe erwies sich als besonders aufwendig. Fensterläden wurden repariert. Als die Eheleute 2008 einzogen, knöpften sie sich den Fachwerkanbau vor, der in den 50er Jahren erweitert worden war und vermietet werden sollte.

Fenster aus jener Zeit wurden nun durch die typischen Sprossenfenster ersetzt. „Das war uns sehr wichtig“, unterstreicht Ira Lewandowski. Nicht nur die Augen des Hauses erzählen Geschichten, auch das Material der Mauern. Sie sind Familiengeschichte: Die Levens betrieben einen Steinbruch, gründeten eine Baumschule, hatten Obstplantagen. Und auch der Pensionsbetrieb sollte zum Auskommen beitragen. Der Alltag war nicht frei von existentiellen Sorgen, wie Aufzeichnungen beweisen.

Fast den gesamten Winter dauerten 1910 die Ausschachtungsarbeiten, denn fast der komplette Grund musste gesprengt werden. Das ist heute noch zu sehen. Jochen Link: „Im Keller liegt Felsen offen.“ Dieses Material und Trachyt aus dem Steinbruch wurden zum Bau der unteren Geschosse benutzt. „Perlenhardter Bruchstein“ nannten die Levens ihren Stein wegen der besonderen kristallinen Zusammensetzung. Weil das Haus Hanglage hat, wurden mehrere Ebenen angelegt, Stützmauern aus Bruchstein fangen die Höhenunterschiede auf. Die oberen Geschosse wurden in Holzfachwerk errichtet und mit Schwemmsteinen ausgefacht. Als Schmuckelemente ergeben die Enden von Verstrebungen, die durch die Geschosse gehen, um Haus und Balkon zu stabilisieren, die Jahreszahl 1910. Über dem Rundbogeneingang sind der Name des Hauses und das „anno domini 1910“ zu sehen. Durchgangsbögen aus Bruchsteinen gehören ebenfalls zum äußeren Ambiente.

 Im Jahr 1910 begannen die Ausschachtungsarbeiten für Haus Perlenhardt. Das freigelegte Material wurde zum Bau der unteren Etagen genutzt.  Fotos: Frank Homann

Im Jahr 1910 begannen die Ausschachtungsarbeiten für Haus Perlenhardt. Das freigelegte Material wurde zum Bau der unteren Etagen genutzt. Fotos: Frank Homann

Foto: Frank Homann

Kein Architekt, kein Baumeister

Kein Architekt, kein Baumeister trat in Erscheinung, Carls Bruder Heinrich hatte den Plan entworfen und den Bau geleitet und ließ bei der Vorderfront asymmetrische Elemente des Jugendstils einfließen. Schon im Mai desselben Jahres, am Namenstag des verstorbenen Vaters, konnte der Neubau bezogen werden. Bereits zu Pfingsten schickte der überfüllte Sophienhof Gäste und auch in den Herbstferien bezogen zehn Personen die Pension, die modernen Ansprüchen genügte. Mariechen leitete allein die Küche – im Löwenburger Hof hatte sie das Fach erlernt. Die Fremdenpension und die Baumschule warfen Gewinn ab, der Steinbruch musste 1914 geschlossen werden.

„1915 hatte ,Haus Perlenhardt‘ das erste Telefon im Ort – die Nummer 325 steht noch auf einer alten Ansichtskarte“, erzählt Ira Lewandowski in ihrer Küche, wo ganz zu Beginn das erste Gästezimmer lag.

Familienhund Yacki kuschelt zufrieden an ihren Füßen. Die Hausherrin zeigt ein Bild der Geschwister Carl und Maria mit ihrem Hund Bambi an der Leine. „Es gab hier immer Hunde.“ Auch die Mieter haben zwei. Innerhalb der Familie wurde die „Perlenhardt“ weitergegeben. Vor dem Zweiten Weltkrieg zogen Bruder und Schwester in ein benachbartes Haus. Die nach Brasilien ausgewanderte Familie Hinse, Verwandte von „Onkel Carl und Tante Mariechen“, wie sie überall im Ortsteil Lahr genannt wurden, kehrte zurück und betrieb im „Haus Perlenhardt“ die Pension weiter. Ihre sechs Kinder mussten die Bettpfannen raustragen und natürlich immer leise sein. Am Ende der Saison hauten die Pänz ordentlich drauf – bei einem Konzert mit Kochgeschirr.

 Heinrich Leven entwarf die Pläne für das Haus und leitete den Bau.

Heinrich Leven entwarf die Pläne für das Haus und leitete den Bau.

Foto: Frank Homann

„Wir lieben das Haus, seine Atmosphäre“

Aber auch die Gäste sangen gerne, nachdem sie draußen „im grünen Salon“ unter den Kastanien gespeist hatten. Ännchen Hinse ging als singende Wirtin in die Annalen ein. Ein Gast textete und komponierte sogar ein „Perlenhardt“-Lied für sie. Die Urlauber blieben meist zwei, drei Wochen, auch Flitterwöchner auf Hochzeitsreise machten hier Station. „In den 50er/60er Jahren gab es ein Revival. Ein Mediziner aus der Familie Leven, der damals mit seiner Frau in dem Haus wohnte, übernahm nach einem Herzinfarkt die Pension.“

„Wir lieben das Haus, seine Atmosphäre“, sagt Jochen Link. Die verwunschen wirkende „Perlenhardt“ mit ihren idyllischen Winkeln, mit Steintoren, Terrassen und Balkönchen mit reizvollen Ausblicken, mit ihren hohen Bäumen, mit Rosen, Hortensien und Rhododendron-Büschen und dem alten Perlenhardter Kreuz, an dem die Hagelprozession vorbeiführt, ist für die neuen Eigentümer eine Oase der Ruhe, ein liebevoll gestaltetes Zuhause, dem sie seine Historie belassen haben. Und von wo aus sie schöne Aussichten genießen – direkt auf den Oelberg.

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