Gedrückt und nicht gerüttelt Steinmetz überprüft Standfestigkeit von Gräbern in Königswinter

Königswinter · Klaus Stolzenberger ist der Friedhofs-Kenner. In ganz Deutschland kontrolliert der gelernte Steinmetz Grabsteine auf ihre Standfestigkeit - momentan auf den Gottesäckern in Königswinter.

 Eine Hand liegt leicht auf dem Stein, während Klaus Stolzenberger mit 300 Newton gegen das Grabmal drückt – um ihn notfalls zu halten. FOTOS: JANSSEN

Eine Hand liegt leicht auf dem Stein, während Klaus Stolzenberger mit 300 Newton gegen das Grabmal drückt – um ihn notfalls zu halten. FOTOS: JANSSEN

Foto: Katrin Janßen

Klaus Stolzenberger kommt rum in Deutschland. Rund 50 000 Kilometer zeigt sein Tacho am Ende eines Jahres zusätzlich an. Er war dann in den Metropolen ebenso wie in den kleinen Dörfern. Und überall kennt er sich vor allem an einem Ort sehr gut aus: auf dem Friedhof. Denn der Steinmetz überprüft im Auftrag der Städte und Gemeinden die Standfestigkeit von Grabsteinen. Derzeit ist er in Königswinter unterwegs.

Still liegt der Stieldorfer Friedhof an diesem Morgen in der Sonne. Stolzenberger schnallt sich das elf Kilo schwere Messgerät, das an einem selbstgefertigten Brustpanzer befestigt ist, um und zieht den Hüftgurt fest. Es ist bereits der zweite Königswinterer Friedhof an diesem Tag, seit 5.30 Uhr ist er unterwegs. Den Plan des Friedhofs unter den Arm geklemmt, beginnt der 56-Jährige ganz oben, erste Reihe, erster Grabstein mit seinen Messungen, er arbeitet sich methodisch vor. Grabstein für Grabstein ab einem halben Meter Höhe wird überprüft. Dabei gilt: Es wird gedrückt, nicht gerüttelt, wie Stolzenberger betont. Das ist ihm wichtig. Früher, sagt er, wurde geruckelt, doch die Drucktechnik ist schonender, die Ergebnisse der Überprüfung werden vom Computer registriert und gespeichert.

Vom Grabstein erschlagen

Man merkt dem gelernten Steinmetz an, dass er mit Leidenschaft bei der Sache ist. Er erkläre gerne, was er tut, auch Friedhofsbesuchern, die interessiert verfolgen, wie er vorsichtig auf die Gräber steigt und sein Gerät für ein paar Sekunden gegen den Grabstein drückt. „Ich finde es wichtig, dass die Leute verstehen, was ich hier mache“, sagt er und schiebt die Kappe mit der breiten Krempe etwas höher aus dem braunen Gesicht. „Ich will ja niemandem schaden, sondern nur die Sicherheit garantieren.“

Eigentlich ist für die Standfestigkeit der Eigentürmer verantwortlich, zweimal im Jahr müsste der sie überprüfen. „Aber das macht natürlich niemand“, sagt der Würzburger. Daher müsse die Stadt ran, „es geht hier ja auch um eine Verkehrssicherungspflicht.“ Zwei tödliche Unfälle, bei denen ein Kind und ein Steinmetz von Grabsteinen erschlagen wurden, zeigten, dass man das Thema ernst nehmen muss. Und so reist Stolzenberger seit 20 Jahren im Dienst der Sicherheit durch die Republik. 140 000 Grabsteine wird er vermutlich alleine in diesem Jahr bis zum Saisonende am 30. Oktober überprüft haben. Er mag das selbstbestimmte Arbeiten, die Tätigkeit im Freien. Auch wenn er nach eigenem Geschmack entschieden zu viel Zeit auf Autobahnen zubringt.

Kaum Mängel in Königswinter

Der Zustand der Gräber ist dabei von Stadt zu Stadt höchst unterschiedlich und hängt nicht zuletzt von der Qualität der jeweiligen Steinmetze ab. Denn auch in seinem Beruf gibt es schwarze Schafe, wie der Experte zögernd einräumt. In Königswinter hingegen ist die Situation vorbildlich. Rund 2000 Grabsteine hat er bisher überprüft, lediglich in zwei Fällen musste er mit einem Aufkleber auf die mangelnde Standfestigkeit hinweisen. Die Schwachstellen meldet er der Stadt, die sich dann an die Eigentümer wendet und diese auffordert, unverzüglich Abhilfe zu schaffen. Theoretisch können bei Gefahr im Verzuge sogar Sicherungsmaßnahmen getroffen, das Grabmal aufgehoben und fachgerecht auf der Grabstätte gelagert werden – in Königswinter bislang kein Thema.

Der 56-Jährige geht zum nächsten Grab, stellt das Messegerät herunter, sucht den richtigen Stand und legt eine Hand leicht auf den Grabstein. Zur eigenen Sicherheit, wie er erläutert. Denn sollte der Grabstein durch den Druck zu kippen drohen, versucht er ihn zu halten. Den Namen auf dem Grab nimmt er dabei gar nicht wahr. Jedenfalls meistens.

Friedhöfe sind Historie

„Manche Namen fallen schon auf“, sagt er. Das Grab von Hannelore Kohl hat er neulich überprüft, das der Eltern von Franz Josef Strauß war auch dabei. „Wenn da dann Nobelpreisträger steht, google ich das schon mal“, sagt er, schiebt die Mütze wieder hoch. „Friedhöfe sind Historie.“ Umso bedauerlicher findet er es, „dass sich die Menschen nicht mehr mit dem Tod auseinandersetzen.“ Ihn hingegen beschäftigt das Thema sehr wohl, wenn er von Grab zu Grab geht. Abends dann liest er die Daten aus, die den Gemeinden Sicherheit geben. Und geht dann noch in die jeweiligen Innenstädte, damit er eben nicht nur den Gottesacker kennt.

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