Verlegung war Donnerstag Acht neue Stolpersteine erinnern an Königswinterer Opfer der Nazis

Königswinter · In der Königswinterer Altstadt erinnern jetzt acht Stolpersteine an die Schicksale jüdischer Bürger. Sie wurden deportiert und getötet, nahmen sich das Leben oder sind geflohen. Weitere Stolpersteine sollen folgen.

Manfred Haardt (vo.) und Patrick Vigener beim Verlegen der Stolpersteine in Königswinter.

Manfred Haardt (vo.) und Patrick Vigener beim Verlegen der Stolpersteine in Königswinter.

Foto: Frank Homann

„Damit wird an das Schicksal der Menschen erinnert, die in der NS-Zeit verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden“, sagte Königswinters Bürgermeister Lutz Wagner (KöWI) an der Grabenstraße, wo einst die Geschwister Selma und Mathilde Leopold lebten. Acht Stolpersteine sind am Donnerstagvormittag in der Altstadt verlegt worden. Dafür galt es zuvor noch Ängste heutiger Hausbesitzer zu zerstreuen, dass ihr Haus als arisiert angesehen werden könnte, wenn Stolpersteine davor liegen. Historikerin Gabriele Wasser schildert die Schicksale, die sich hinter den Namen und Daten auf dem blank polierten Messing verbergen.

Metzger Hermann Leopold führte bis 1894 eine Gaststätte und Metzgerei in Honnef. Er zog mit seiner Familie nach Königswinter an die Grabenstraße 16, wo er eine Pension mit Speisehaus und Metzgerei betrieb. „Das streng koscher geführte Unternehmen hatte jüdische und christliche Kunden. Leopolds Fleisch- und Wurstwaren waren weit über die Grenzen Königswinters hinaus anerkannt gut“, so Gabriele Wasser. Sohn Max, geboren 1878, übernahm die Schlachterei, die Schwestern Selma, Jahrgang 1874, und Mathilde, geboren 1876, führten mit Erfolg die Pension und das Restaurant. „In jedem Reiseführer war Werbung.“ Und es habe geheißen: „Max, du määhst de beste Wooscht.“

Geschwister versuchen durch Suizid zu entkommen

1928 kam der kranke Hermann Leopold nicht von einem Spaziergang zurück. Wochen später wurde seine Leiche aus dem Rhein gezogen. Ehefrau Sibille konnte den Freitod ihres Mannes kaum verwinden. Die Kinder führten das Unternehmen weiter und fürchteten keine antijüdischen Aktionen.

1933 wurde das Schächten verboten. Die Nationalsozialisten ließen Max Leopold aber zunächst gewähren. In der Nacht zum 11. November 1938 wurden die Räume jedoch verwüstet. Es folgte die Zwangsumsiedlung nach Bonn. Die Geschwister suchten den Freitod im Rhein. Max ertrank. Beide Frauen wurden gerettet, aber im Juli 1942 nach Theresienstadt ins Getto transportiert – Mathilde starb dort am 13. August 1942, Selma wurde am 19. September 1942 in Treblinka ermordet.

Da Max sich eine Wohnung an der Kronprinzenstraße 7 gemietet hatte, wurde sein Erinnerungsstein dort gelegt, zusammen mit den Steinen für die weiteren Mieter des Hauses: Paula Liebmann und ihre Söhne Rolf Günther, geboren 1924, und Werner, geboren 1930. Vater Isidor war 1936 in einer Bonner Heilanstalt verstorben. Witwe Paula bemühte sich danach darum, Deutschland zu verlassen, erhielt aber keine Papiere. Grund war wohl die Furcht der ausländischen Behörden vor Erbschäden bei den Söhnen. Am 20. November 1942 wurden die drei nach Minsk deportiert und ermordet.

Eingang der Königswinterer Synagoge wieder aufgebaut

Auch an der Hauptstraße 397 wurden Stolpersteine gesetzt. Dort lebte ab 1868 Familie Cahn. Marx Cahn eröffnete eine Lederhandelsfirma. Er initiierte den Abbau und originalgetreuen Wiederaufbau des alten Eingangs der Königswinterer Synagoge neben seinem Haus und ließ das Portal mit jüdischer Symbolik neu gestalten. Sohn Albert Cahn musste unter der nationalsozialistischen Herrschaft sein Schuhgeschäft schließen. Das Haus wurde zwangsverkauft und arisiert. Albert floh mit Schwester Rosalie zu seiner Tochter nach England, sein Sohn Heinz in die USA. 1957 starb Albert Cahn in England. Auf eigenen Wunsch wurde er auf dem jüdischen Friedhof in Königswinter beigesetzt, neben seiner bereits 1931 verstorbenen Frau Adele.

2023 sollen in Königswinter weitere Stolpersteine gelegt werden. „Derzeit habe ich noch Geld für drei Stolpersteine“, sagt die Historikerin.

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