Sonderausstellung in Haus Schlesien Töpferkunst und jede Menge Erinnerungen in Heisterbacherrott
Heisterbacherrott · Das Pfauenaugendekor ist bis heute ein Klassiker. In Blau und Weiß auf Krügen, Tellern und Bechern steht es für die jahrhundertelange Töpfertradition im einst schlesischen Bunzlau. Bis Mitte Juli zeigt Haus Schlesien in Heisterbacherrott jetzt zahlreiche Exponate aus der ehemaligen Bunzlauer Heimatstube in Siegburg.
Die jungen Herren in Schwarz-Weiß schauen alle ernst drein. Die einzige Frau auf dem Bild auch. Dabei entstand das Gruppenfoto bei einem gemeinsamen Ausflug um 1930, einem also mutmaßlich heiterem Anlass. Das Bild zeigt die Absolventen des Bunzlauer Schullehrerseminars, die dort zwischen 1919 und 1923 ausgebildet wurden.
Einige von ihnen sollten ihr Leben lang in Verbindung bleiben. „Es gab über Jahrzehnte regelmäßige Treffen und Rundbriefe“, erzählt Silke Findeisen, Kuratorin der Sonderausstellung „Versammelte Erinnerungen. Die Bunzlauer Heimatsammlung“, die derzeit in Haus Schlesien zu sehen ist. „Die letzten Briefe stammen aus den 1970er-Jahren.“
Persönliche Erinnerungen und Schicksale
Die Fotos, Andenken und eben jene Rundbriefe, die in der Lehrer-Gruppe kursierten, dokumentieren ein Stück Geschichte des 20. Jahrhunderts in persönlichen Erinnerungen und Schicksalen. Wie so Vieles, das in dem neu gestalteten Raum für Sonderausstellungen zu sehen ist: Von Alltagsgegenständen wie der Suppenkelle über Postkarten, Notizen und Kalender hin zu der kleinen Glasflasche gefüllt mit Flusssand aus dem Bober – einem Nebenfluss der Oder – und eben jener weltbekannten Bunzlauer Keramik in Weiß und Blau, in Brauntönen oder auch in dezentem Grün: Letzteres eine Besonderheit eines Bunzlauer Töpfermeisters, der sich nach dem Krieg in Lothringen niedergelassen hatte.
Umzug mit mehr als hundert Kartons
Die Exponate aus Boleslawiec, wie Bunzlau heute auf Polnisch heißt, zogen vor rund einem Jahr von Siegburg nach Heisterbacherrott um, „verpackt in mehr als hundert Kartons“, erinnert sich Findeisen. Bunzlau und Siegburg verbindet dabei eine Geschichte, die mehr als 70 Jahre zurückreicht. „1953 übernahmen die Stadt und der Kreis Siegburg die Patenschaft über die Vertriebenen aus Bunzlau und Umgebung“, erklärt Findeisen und zeigt auf die Urkunde hinter Glas, die gleich im Eingang des Ausstellungsraums zu sehen ist.
Fortan trafen sich unterhalb des Michaelsberges Bunzlauer aus ganz Deutschland, brachten Erinnerungsstücke aus der alten Heimat mit und vertrauten sie der dort ansässigen Bundesheimatgruppe an.
Bunzlau ist bekannt als „Stadt des guten Tons“. Siegburg nicht weniger. Die Töpfertradition lässt sich in beiden Städten bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Sicher hat auch diese Gemeinsamkeit das gute Miteinander befördert. 1985 stellte Siegburg der Heimatgruppe eigene Räume im Haus der Begegnung zur Verfügung, die für Treffen und Ausstellungen genutzt wurden. Mehrmals zog die Heimatstube in den folgenden Jahren um, zuletzt war sie in der früheren Siegburger Hauptschule im Haufeld untergebracht.
Schenkungsvertrag stammt von 2019
„Die Verantwortlichen haben sich frühzeitig mit der Frage beschäftigt, wie es einmal mit der Heimatstube und den gesammelten Erinnerungsstücken weitergehen soll“, sagt Findeisen. Nach eingehenden Beratungen sei schließlich die Entscheidung gefallen, die Sammlung Haus Schlesien zu übergeben. Im Februar 2019 unterzeichneten der damalige Vorsitzende der Bundesheimatgruppe, Peter Börner, und Nicola Remig, Museumsleiterin von Haus Schlesien, den Schenkungsvertrag.
Nach einer Übergangsfrist schließlich kamen die Exponate im Haus Schlesien an, wo sie nun nach und nach in die Sammlung des Museums eingegliedert werden. „Vermutlich wird nur ein kleiner Teil der Exponate in der künftigen Dauerausstellung einen Platz finden“, sagt Findeisen. „Daher war es uns wichtig, in dieser Sonderausstellung eine größere Auswahl an Objekten und Archivalien zeigen zu können.“
Porzellanmanufakturen und Glasindustrie
Die Bestände sind interessant und vielfältig, findet die Kuratorin. So seien Stücke aus der Vorkriegszeit dabei, wie Arbeiten der 1897 gegründeten Keramischen Fachschule Bunzlau, die mit neuen Techniken experimentierte, aber auch Nachkriegskeramik aus Polen, Käseglocken und Butterdosen von Töpfern, die sich im Kannenbäckerland im Westerwald niedergelassen hatten.
Doch nicht alles ist Ton: Zarte Tassen und Teller stammen aus den ebenfalls in Bunzlau ansässigen Porzellanmanufakturen, zierliche Likörgläser stehen beispielhaft für die Glasindustrie. Und in einer der Vitrinen schließlich steht auch der auf den ersten Blick fast unscheinbare Tonbecher mit der Aufschrift „KG Rübezahl Silesia Aachen1975“. Ein Karnevalsverein mit schlesischen Wurzeln? Findeisen nickt. „Die Schlesier gelten schließlich nicht umsonst als die Rheinländer des Ostens.“ Den Karnevalsverein gibt es im Übrigen bis heute.