1050 Jahre Dollendorf Tradition und Moderne im Wingert

Dollendorf · Zisterziensermönche brachten den Weinbau in Dollendorf einst zur Blüte. Lange hatte jede Familie Wein, meist im Nebenerwerb. GA-Redakteurin Claudia Sülzen über die Geschichte des Traditionshandwerks in Königswinter.

 Weinberge prägen die Landschaft in Oberdollendorf. Das Weingut Blöser bewirtschaftet heute 7,2 Hektar.

Weinberge prägen die Landschaft in Oberdollendorf. Das Weingut Blöser bewirtschaftet heute 7,2 Hektar.

Foto: Frank Homann

Wer durchs Freilichtmuseum Kommern schlendert, der stößt auf viele Zeugen der Historie. „Ehemaliges Kelterhaus aus Oberdollendorf, Stadt Königswinter, Rhein-Sieg-Kreis, 1641“ steht auf der Tafel Nummer 36 zu lesen. Die Nachforschung im Virtuellen Heimatmuseum offenbart weitere Details. Darunter, dass dem Fachwerk in den 50er Jahren nach mehr als 300 Jahren das Aus auf dem Schutt drohte, es dank Einsatzes der Denkmalpfleger aber in Kommern wieder aufgebaut wurde. Dort steht es samt Kelter von 1825 und weiteren typischen Arbeitsgeräten für einen Wirtschaftszweig, der im Weingut Blöser fortgesetzt wird: den Weinbau.

Wer dazu einen Experten sucht, der landet zwangsläufig an der Bachstraße bei Familie Blöser. Senior Josef „Jupp“ und Junior Bernd, der seine Profession ebenfalls von der Pike auf gelernt hat und die Ausbildung zum staatlich geprüften Weinbauwirtschafter plus Techniker mit dem Meister krönte, sind Haupterwerbswinzer in dritter und vierter Generation. Nicht weit entfernt von der Kirchbitzgasse, an der einst das Kommerner Kelterhaus stand, entspinnt sich in der liebevoll restaurierten und zur gemütlichen Weinstube umgebauten Scheune sogleich ein ebenso fachlicher wie amüsanter Plausch.

Winzer sein, das bedeutet bis heute sehr viel Handarbeit. Zwar hätten sich durch moderne Verfahren auch im „Wingert“ die Eckdaten geändert. „Früher galten 2500 Arbeitsstunden pro Hektar, heute noch 1000“, so Josef Blöser. Trotzdem: „Der Winzer geht an jede Rebe bis zu 20 Mal im Jahr.“ Und „man kann vieles nicht planen“. Wie das Wetter eben. Dann heißt es, flexibel sein, Flaschen waschen, die Abfüllung vorbereiten. Auf einem Weingut gibt es immer viel zu tun.

Im Keller, der diesen besonderen Geruch verströmt, steht ebenfalls ein Zeugnis der Historie: ein Originalstein mit dem Monogramm „Conventui heisterbacensi tertiam partem“ – „Dem Kloster Heisterbach den dritten Teil“. Das Monogramm belegt zum einen die Rolle der Zisterziensermönche, die 1192 die Abtei Heisterbach gründeten, den Weinbau förderten und in ihrer Blütezeit der größte Weinproduzent der Mark Dollendorf waren. Zum anderen zeigt es, dass sie viele Flächen verpachteten – und sich das dann mit einem Drittel des Ertrags vergüten ließen. Viele dieser Drittelsteine standen früher in Weinlagen wie Sülzenberg, Rosenhügel, Petersberg & Co. Bungertshof, Gereonshof, Grevenhof, Mertenhof, Bredershof – überall wurde Wein „gemacht“, wie Heimatforscher Ferdinand Schmitz im Standardwerk „Die Mark Dollendorf“ nachzeichnete, in Ober- und Niederdollendorf.

Mit dabei: der Brückenhof. Das kleine, feine Heimatmuseum wird gerade restauriert und von den Aktivposten des Heimatvereins Oberdollendorf und Römlinghoven und der Stadt herausgeputzt. In dem Fachwerk, vor dem seit 1985 eine Rebe wächst, soll es ab Herbst eine neue Jahresausstellung geben. Über den Weinbau, was sonst. „Vielleicht pünktlich zur Lese“, sagt Vereinschef Peter Kummerhoff.

Dass wohl schon die Römer die Erzeugnisse der Rebhänge zu schätzen wussten – geschenkt. Erstmals erwähnt wurde der Weinbau 966, 1050 Jahre Dollendorf lässt grüßen. Später hatten fast alle Familien im Ort Wein, meist im Nebenerwerb. Seit 1696 betreibt Familie Blöser Weinbau. Und ist immer mit der Zeit gegangen, nicht zuletzt mit der Entscheidung, sich ganz darauf zu konzentrieren.

Ein Alleinstellungsmerkmal war das ab Ende der 60er Jahre. Seinerzeit kam das Aus des Winzervereins samt Brennerei mit einst mehr als 50 Anlieferern. Für den Winzerverein, der ja Personal vorhalten musste, lohnte sich das nicht mehr. „Wir haben dann entschieden: Wir machen nur noch Wein“, sagt Josef Blöser. Schon damals, vor der Flurbereinigung, durch die zusammenhängendere Lagen entstanden, war der Weinbau großem Wandel unterlegen. Er ist es bis heute. Ob der vermehrte Einsatz von Maschinen in den Steilhängen, in denen die Reben nicht mehr so dicht stehen, ob allermodernste Verfahren im Keller oder bei (Direkt-)Vermarktung und Online-Handel: Immer heißt es, mit der Zeit zu gehen. So steht nun auch eine neue Rebsorte am Sülzenberg, eine Kreuzung aus Muskateller und Solaris. „Sie ist resistenter gegen echten und falschen Mehltau“, sagt Bernd Blöser, also Pilzerkrankungen. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln werde so reduziert.

Zugleich gibt es viel Regulierung und immer neue Vorschriften. „Früher war das Weingesetz nicht dicker als der Schreibblock dort“, sagt Josef Blöser. Heute, man ahnt es, füllt alleine die Bürokratie Akten über Akten. Brüssel, Berlin, Düsseldorf: Alle reden mit. Überliefertes Wissen aus Generationen ersetzt das nicht. Winzer sein, das ist Profession und Passion zugleich. „Und der Weinbau hier hat Zukunft“, sagt Bernd Blöser. Antrieb sei stets, Qualität zu bieten. Wie zum Beleg zieren Prämierungen und Preise die Wände. Warum das große Engagement? „Weil ja der Wein so gut schmeckt. Wir verkaufen nur, was wir selber nicht trinken“, sagt Josef Blöser verschmitzt.

„Weinbau gab es bis hinunter zum Rhein“, ergänzt er. Am Rhein wuchsen auch die Weiden, Platt „Wigge“ genannt, aus denen die Transport-Kiepen, Platt „Küzen“, gefertigt wurden. Wigge hier, Küzen dort: Beides geriet zur Bezeichnung der Nieder- beziehungsweise Oberdollendorfer. „Man mag sich, man foppt sich. Und hat Spaß dabei“, sagt Josef Blöser, zu dessen Kindertagen die „Konkurrenz“ noch sportlicher ausgetragen wurde. Was ihn und das Niederdollendorfer Urgestein Hermann Bracht auf eine zauberhafte Jubiläumsidee brachte: „Küze un Wigge, dunn sich nit ligge. Äver Küze sin us Wigge, deswejen mössen se sich ligge“, steht auf einer Postkarte, die ihre „Erfinder“ Arm in Arm zeigt. Wie eines nie ohne das andere geht. Wer's braucht: Die Übersetzung gibt es beim Blöser'schen Hof- und Weinfest am Wochenende gewiss dazu. Bei einem Schoppen Wein zum gemeinsamen Jubiläumfest.

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