Bilder der Verwüstung So haben Anwohner das Unwetter in der Region erlebt

Rhein-Sieg-Kreis · Es sind Bilder der Verwüstung: Das heftige Unwetter hat vor allem in Hennef, Uthweiler und Oberpleis erhebliche Schäden angerichtet. Einige hat es schwer erwischt. Wie haben Anwohner und Feuerwehr die Situation erlebt?

 Viele Helfer packten am Wochenende mit an, um wie hier auf dem Uthweiler Bauernhof die Unwetterschäden zu beseitigen.

Viele Helfer packten am Wochenende mit an, um wie hier auf dem Uthweiler Bauernhof die Unwetterschäden zu beseitigen.

Foto: Ralf Klodt

Am Samstagnachmittag„Da ging zeitweise nichts mehr.“ steht Doris Klein barfuß in brauner Brühe. Arme und Beine sind mit Schlamm verschmiert. Sie hat einen Schieber in der Hand, hinter ihr läuft der Hochdruckreiniger. Mitarbeiter tragen noch immer Eimer mit Schlamm aus den Verkaufshallen des Oberpleiser Bau-, Garten- und Futtermarktes, sortieren Ware, reinigen von Hand die Regale. Immerhin: Der Kundenbetrieb läuft. Irgendwie. „Seit 1985 haben wir hier unser Unternehmen“, sagt Doris Klein. „Und das ist jetzt das dritte Mal, dass uns eine Schlammlawine regelrecht flutet. Ich bin echt bedient.“

Das schwere Unwetter, das am Freitagabend über den rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreis zog, traf neben Teilen von Hennef insbesondere Uthweiler und den Oberpleiser Gewerbepark schwer, in dem auch das Unternehmen Baustoffe Klein angesiedelt ist. Während des Unwetters sei sein Schwager „mal auf Verdacht“ zum Betrieb gefahren, berichtet Mit-Geschäftsführer Andreas Muß am Samstag.

Wassermassen drückten alle Gullydeckel hoch

Doch er sollte nicht weit kommen: Die Feuerwehr hatte die Zufahrt zum Gewerbepark „In der Brückenwiese“ gesperrt, da die Wassermassen in kürzester Zeit alle Gullydeckel hochgedrückt hatten. Muß selbst kam von seinem Zuhause in Hennef-Rott kaum bis Oberpleis durch, da auf der Siegburger Straße das Wasser fast 50 Zentimeter hoch stand. „Da ging zeitweise nichts mehr.“

Bereits Freitagmittag hatte es Unwetterwarnungen für den Rhein-Sieg-Kreis gegeben, doch erst am späten Abend entluden sich die Unwetter örtlich eng begrenzt über dem rechtsrheinischen Kreis. Kurz vor 20 Uhr traf es Hennef, sintflutartige Regenmassen fluteten Keller, verwandelten Straßen in Flüsse, ließen Hänge abrutschen.

Die Freiwillige Feuerwehr Hennef war anschließend im Dauereinsatz, und erhielt Unterstützung vom Technischen Hilfswerk und Feuerwehren aus dem gesamten Kreis sowie aus Euskirchen. Auf dem Parkplatz eines Möbelhauses wurde eine provisorische Leitstelle eingerichtet, Malteser und DRK übernahmen die Versorgung der rund 450 Einsatzkräfte. Bis Samstagnachmittag waren sie laut Stadt Hennef 530 Mal im Einsatz.

Ein wenig später traf es am Freitag die Kollegen in Uthweiler. Wie Marc Neunkirchen, Sprecher der Freiwilligen Feuerwehr Königswinter, berichtet, gingen um 20.24 Uhr die ersten Alarmierungen für den Löschzug Uthweiler ein. Innerhalb kürzester Zeit gab es mehr als 40 weitere Notrufe.

Lagezentrum im Gerätehaus Oberdollendorf

Die Wehr besetzte das Lagezentrum im Gerätehaus Oberdollendorf. Schnell habe sich ein Einsatzschwerpunkt im Bereich des Pleistales abgezeichnet, so Neunkirchen. Im Gewerbegebiet „In der Brückenwiese“ wurden neben dem Baumarkt mehrere Gewerbebetriebe überflutet. Um 21 Uhr wurde Vollalarm für alle acht Einheiten im Stadtgebiet ausgelöst, insgesamt waren rund 110 Feuerwehrkräfte im Einsatz.

Wassermassen drückten von umliegenden Feldern auf die Siegburger Straße, die Ortsdurchfahrt Uthweiler war nicht mehr passierbar. Mehrere Fahrzeuge fuhren sich fest, Keller liefen voll, Gärten und Straßenbereiche wurden unterspült.

Nach rund zwei Stunden hatte sich der Wasserpegel normalisiert, berichtet Neunkirchen. Zurück blieb viel Schlamm und Unrat. Teils stand das Wasser zwei Meter hoch in den Wohnräumen. Mehrere Einheiten pumpten bis zum frühen Samstagmorgen Keller leer und halfen, Straßen wieder passierbar zu machen. Der Königswinterer Baubetriebshof unterstützte die Arbeit der Feuerwehr. Bürgermeister Lutz Wagner machte sich selbst am Freitag und Samstag ein Bild der Lage vor Ort.

Zahlreiche Überschwemmungen in der rechtsrheinischen Region
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Zahlreiche Überschwemmungen in der rechtsrheinischen Region

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Foto: Ralf Klodt

Viele Anwohner waren aber augenscheinlich selbst gut auf eine solche Lage vorbereitet, halfen sich etwa untereinander mit eigenen Pumpen. Landwirte unterstützten mit Traktoren und räumten Geröll von den Straßen.

Große Resonanz auf Hilfegesuche

Apropos Nachbarschaftshilfe: Schwer traf das Unwetter auch den Bauernhof der Familie Dahm an der Siegburger Straße in Uthweiler. Michael Dahm, der unter anderem den Imbissstand „Wurst-Michel“ betreibt, veröffentlichte am Samstag über die sozialen Medien ein Hilfegesuch – und war von der Resonanz überwältigt: Mit Schiebern, Traktoren und Gülle-Fass kam Unterstützung aus der Nachbarschaft, um der braunen Brühe Herr zu werden. Dennoch: Während der Imbissstand unversehrt blieb, gingen Kühlschränke und -anlagen bei dem Unwetter kaputt, sämtliche Vorräte sind unbrauchbar.

Auch Andreas Muß hat noch am Freitagabend über die sozialen Medien einen Aufruf gestartet: „Wir haben dadurch nicht nur unseren Freundeskreis aktiviert“, erzählt er. „Sogar Kunden sind gekommen, um zu helfen.“ Zeitweise waren bis zu 40 Helfer an der Aufräumaktion beteiligt. „Die Hilfsbereitschaft war schon enorm“, sagt er. Dennoch werde es voraussichtlich noch einige Zeit dauern, bis alle Schäden beseitigt seien. Über die Schadenshöhe kann er bisher nur spekulieren: „Ich schätze, es geht in den fünfstelligen Bereich.“

Starkregen verwandelt Straßen in Flüsse

Auch in Siegburg hatte der Starkregen am Freitagabend Straßen zeitweise in Flüsse verwandelt. Besonders stark erwischte es etwa die Zeithstraße, dort hatte es im Bereich der A3-Unterführung einen Hangabrutsch gegeben. Laut Stadt rückte die Siegburger Feuerwehr insgesamt zu 30 Starkregen-Einsätzen aus.

Bilder: Aufräumarbeiten nach Starkregen und Unwetter in  Oberpleis
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Aufräumarbeiten im Gewerbegebiet Oberpleis nach dem Unwetter

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Foto: Ralf Klodt

In Lohmar hielt das Unwetter ebenfalls die Einsatzkräfte in Atem. Die 110 ehrenamtlichen Wehrleute fuhren 19 Einsätze. Im Lohmarer Zentrum waren Keller vollgelaufen und Straßen geflutet. Am Samstagmorgen rückten die Kräfte erneut aus, unter anderem, weil ein Teil der Lärmschutzwand der A3 abgerutscht war.

Unterdessen liefen in Hennef die Aufräumarbeiten: Die Wassermassen vom Vorabend hatten Schlamm und Geröll zurückgelassen – und an manchen Stellen ein Bild der Zerstörung. Daran erinnert noch am Sonntag ein roter Kleinwagen, der zusammen mit viel Unrat im Rosentaler Bach liegt.

Reißender Fluss rauscht durch Lanzenbach

Der normalerweise kleine Lauf war am Freitagabend als reißender Fluss durch den Ortsteil Lanzenbach gerauscht. Noch am Sonntag sind Anwohner damit beschäftigt, Schlamm und Wasser aus ihren Kellern zu pumpen. Die Feuerwehr muss dabei erneut zu einem Haus ausrücken, da dort während der Pumparbeiten Rauch aufgestiegen war. Laut Feuerwehr war das Wasser in Kontakt mit elektrischen Leitungen gekommen.

„Es hat einige Hennefer sehr schwer erwischt“, sagt Bürgermeister Mario Dahm, der sich Freitag und Samstag selbst ein Bild der Lage gemacht hat. Die Schäden an Häusern und auch Straßen seien mitunter massiv. „Ich bin aber froh, dass keine Personen verletzt wurden“, so Dahm, der besonders die große gegenseitige Hilfsbereitschaft der Hennefer hervorhebt. Die Container, die die Stadt am Samstag in den besonders stark betroffenen Gebieten aufstellen ließ, waren binnen kürzester Zeit voll. Das entspricht laut Stadt insgesamt 465 Kubikmetern Müll. Am Montag sollen sie geleert und bei Bedarf erneut aufgestellt werden.

Kindertagesstätte in Edgoven bleibt geschlossen

Besonders heftig hat das Unwetter auch die Kindertagesstätte in Edgoven getroffen. „Da ist die Welle einmal durch“, sagte Dahm. Deswegen müsse die Einrichtung vorerst geschlossen bleiben. Die Stadt versuche Notbetreuungsplätze zu organisieren, Hennefer Elterninitiativen hätten bereits Plätze angeboten.

In einen Wildwasserkanal hatte sich die Bahnunterführung an der Theodor-Heuss-Straße am Freitagabend verwandelt. In der Senke stehen auch weiterhin Wasser und Schlamm, da die „dortige Wasserpumpe im wahrsten Sinne untergegangen ist und erneuert werden muss“, so die Stadt.

Gesperrt waren am Sonntag auch die B 478 zwischen Allner und Bröl sowie die L 331 vom Hennefer Zentrum bis Söven in Folge der Überschwemmungen. Laut Stadt dauert die Sperrung auf der Landesstraße noch länger an, da sie in Teilen erneuert werden muss.

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