Theater zum Holocaust-Gedenktag in der Aula Oberpleis Von der Einsicht in die Fähigkeit zur Kollaboration mit dem Bösen
Oberpleis · Es ist ein Stück, das auch die Schülerinnen und Schüler in Oberpleis sehr nachdenklich gemacht hat: Das Kölner Ensemble „rimon productions“ zeigte in der Aula des Schulzentrums seine Inszenierung von „Zwischenfall in Vichy“ nach Arthur Miller.
„Jude ist nur die Bezeichnung, die wir dem Fremden geben. Jedermann hat seine Juden.“ Dies sind Sätze, die nachdenklich stimmen, die betroffen machen. Und die dazu anregen, in sich selbst hineinzuhorchen. Sätze aus einem Theaterstück, über das der Autor sagte, es handele von der Einsicht in die Fähigkeit zur Kollaboration mit dem Bösen, das man verdammt.
Keine leichte Kost also für die Oberstufenschüler des Gymnasiums am Oelberg in Oberpleis, die sich am Montag anlässlich des Holocaust-Gedenktags am 27. Januar das Theaterstück „Zwischenfall in Vichy" von Arthur Miller anschauten. Auf Initiative von Geschichtslehrerin Claudia Kollbach und mit finanzieller Unterstützung der Gastspielförderung NRW und des Fördervereins der Schule war das Gastspiel des Theaterensembles „rimon productions“ in der Aula möglich geworden. Das Kölner Ensemble bietet speziell Theaterstücke mit Themenschwerpunkten wie Shoah und Antisemitismus an.
Ein Beitrag zur Erinnerungskultur
„Ich dachte mir, es wäre doch schön, wenn unsere Schule einen Beitrag dazu leistet, eine Erinnerungskultur aufzubauen“, so Kollbach – also einen Beitrag dazu, das, was auch achtzig Jahre nach dem Holocaust noch immer unbegreiflich ist, nicht zu vergessen. Gleichzeitig sollte das Theaterstück, das sich mit der Frage „Schuld und Mitschuld“ sowie dem Thema Menschenwürde beschäftigt, die jungen Leute auch zum Nachdenken anregen.
Stück entstand nach Recherchen zum Auschwitz-Prozess
Autor Arthur Miller schrieb das Stück 1964 nach seiner Recherche beim Auschwitz-Prozess in Frankfurt. Mit diesem Werk liefert er zugleich eine Erklärung, wie es den Nazis gelungen ist, den Holocaust zu verüben - und warum es so wenig Widerstand gab. Die Handlung spielt im September 1942 am Sitz der mit den deutschen Besatzern kollaborierenden französischen Regierung Petain in Vichy: In einer Polizeiwache sind acht Männer und Frauen versammelt, die bei einer Razzia festgenommen wurden – auch eine Kommunistin, ein österreichischer Adeliger, ein Schauspieler und eine Künstlerin sind darunter.
Mit wenigen Ausnahmen sind es Juden, die mit falschen Papieren bislang der Verfolgung entkommen konnten. Zunächst diskutieren sie über die Gründe ihrer Verhaftung, wobei sie bemüht sind, den wahren Grund – ihr Judentum – den anderen gegenüber zu verleugnen. Spekulationen über ihr mögliches Schicksal machen die Runde, bis aus dem Verhörraum Worte wie „Verbrennungsöfen“ dringen.
Manch einer bezweifelt, dass Menschen zu solchen Taten fähig sind: „Etwas so Abscheuliches hat doch keinen Anspruch auf Glaubwürdigkeit“, meint etwa der Schauspieler. Die Deutschen seien schließlich auch Menschen. Der österreichische Adelige, der selbst Zeuge eines Erschießungskommandos geworden ist, jedoch erkennt genau darin den Grund für den Erfolg der Nationalsozialisten: „Darin liegt ihre Stärke, das Unvorstellbare zu tun.“ Einer nach dem anderen wird schließlich in den Verhörraum gerufen und dem Professor für Rassenkunde, der stets ein Instrument zum Abmessen von Nasen und Ohren in der Hand hält, vorgeführt – zurückkehren werden nur zwei.
Schüler nutzen Angebot zum Gespräch
Mit großem Interesse und nachdenklichen Gesichtern hatten knapp 100 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe Q2 sowie der Leistungskurse Geschichte und Französisch der Q1 das Theaterstück verfolgt. „Ich fand die Atmosphäre sehr gut. Man hat richtig mitgefiebert“, so ein Schülerin. Entsprechend wurde im Anschluss von der Möglichkeit, mit den Schauspielern Hanno Dinger, Britta Shulamit Jakobi, Matthias Fuhrmeister, Anton Tsirin, Marie Dinger, Carlos Piedra, Hanjo Butscheidt und Isai Liven über das Stück und ihre eigenen Rollen zu sprechen, auch rege Gebrauch gemacht.
Nicht nur Lehrerin Claudia Kollbach, sondern auch Schauspielerin und Regisseurin Britta Jakobi freuten sich dabei über die vielen interessante Fragen, Anmerkungen und Beobachtungen, die aus dem Publikum kamen.