Konfrontation zweier Generationen Was Weihnachten ausmacht

SIEBENGEBIRGE · Eigentlich sollte dies ein Text über Unterschiede werden. Eine Konfrontation zweier Generationen über den Sinn von Weihnachten. Eine Geschichte, in der es um Besinnlichkeit geht, und um den Moment, in dem sie uns angeblich verloren gegangen ist.

 "Weihnachten ist das Fest der Familie": Annemarie Mirbach und Tobias Schöpper sind sich einig.

"Weihnachten ist das Fest der Familie": Annemarie Mirbach und Tobias Schöpper sind sich einig.

Foto: Frank Homann

Um das gern strapazierte Klischee, dass es heute eh' nur noch um die Geschenke gehe, um die neueste Spielekonsole und das schickste Mobiltelefon. Dieser Text ist anders geworden.

Das liegt einzig und allein an den Menschen, um die es hier geht. An Annemarie Mirbach, 85 Jahre alt, aus Königswinter. Und an Tobias Schöpper, 18 Jahre jung, aus Linz am Rhein. Sie ist Bewohnerin des Altenheims Christinenstift in Unkel, er ist ihr Pfleger. Ein Fest, zwei Blickwinkel - oder etwa nicht?

Annemarie Mirbach hört nicht mehr so gut. Gehen kann sie auch nicht mehr. Aber ihre Erinnerungen sind wach. An einem Vormittag wie diesem hätte sie früher mit ihrem Mann vermutlich daheim gesessen und die selbst gebackenen Plätzchen gegessen. Sie hätte die Kerzen an ihrem Adventskranz angezündet, die Familie nachmittags zu Kaffee und Stollen eingeladen und sich auf Weihnachten eingestimmt.

Heute ist alles anders. Ihr Mann lebt nicht mehr, und Plätzchenbacken will ihr nicht mehr gelingen. Dieses Jahr verlebt sie ihr erstes Weihnachtsfest im Altenheim. Allein, weg von Zuhause. Sie ist neugierig, aber nicht ängstlich. Es ist halt so. Aber: "Mich berührt der Sinn des Weihnachtsfestes noch immer sehr", sagt sie.

Ob sie sich noch an ihr schönstes Weihnachtsgeschenk erinnere? "Oh ja, das waren Skistöcke. Im Erzgebirge, wo ich aufgewachsen bin, war fast durchgängig Winter." Aber ansonsten sei es deutlich bescheidener gewesen als heute. Der Krieg war gerade erst vorbei. "Mein Vater hat meiner Mutter damals Seife geschenkt, und der größte Luxus zu Weihnachten war ein Achtel Bohnenkaffee", erzählt Mirbach.

Tobias Schöpper hat sein Leben noch vor sich. Er will Altenpfleger werden. Annemarie Mirbach gehört zu den Menschen, die er als Auszubildender betreut. Er ist in einer Generation aufgewachsen, für die das Wort Vorweihnachtsstress einfach zur Adventszeit dazugehört.

Und die in diesem Jahr zu Weihnachten im Schnitt 273 Euro, und damit 43 Euro mehr als im Vorjahr, ausgeben will. Laut Statistik. Doch Schöpper sagt: "Ich wünsche mir kein Smartphone, und auch keine Spielkonsole." Er nutze sein Handy zum Telefonieren, für mehr nicht. Und bevor er sich vor eine Spielekonsole setze, gehe er lieber spazieren.

Für den 18-Jährigen sei Weihnachten das Fest der Familie: "Wir sitzen im engsten Kreis zusammen, schauen Sendungen wie 'Ein Herz und eine Seele', essen, trinken", erzählt Schöpper. Mirbach lächelt zustimmend. "Da hat sich offenbar nichts geändert. Heiligabend führte auch unsere Familie immer zusammen, selbst wenn sie sich zuvor zerstritten hatte. Dann saßen wir mit Schwiegereltern, vier Kindern, meiner Tante und meinem Mann da und genossen den Abend."

Beim Thema Essen sind sich beide auch einig: Heiligabend gibt es Kartoffelsalat und Würstchen. "Die Lebensmittel waren ja früher teilweise noch rationiert", sagt Mirbach. Das sind sie natürlich heute, 70 Jahre später, nicht mehr - und doch ist diese Mahlzeit auch für Schöpper eine besondere. Das lässt erahnen, dass Weihnachten dem gesellschaftlichen Wandel standhält. Vielleicht als eine der letzten Konstanten.

Da wäre aber noch die Vorweihnachtszeit. Annemarie Mirbach erinnert sich gut: "Als ich zwölf Jahre war, haben wir Pflaumentoffel gebastelt, einen Engel, einen Bergmann und drei Soldaten. Jedes Kind hatte eine Figur und dazu einen Spruch aufzusagen. Ich erinnere mich an einen Adventskalender aus Pappe."

Hinter jedem Türchen sei ein Spruch verborgen gewesen. Und an einen Tannenbaum erinnere sie sich auch: "An dem hingen jedes Jahr zwölf echte Kerzen." Im Hause Schöpper sieht immerhin der Baumschmuck anders aus: bunte Lichterkette, bunte Kugeln und eine Krippe unterm Baum. In diesem Jahr muss Tobias Schöpper Heiligabend nicht arbeiten. In Gedanken wird er auch bei Annemarie Mirbach sein. Bei der alten Dame und ihrem etwas anderen Weihnachtsfest.

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