Glosse zum Verzicht auf das Handy Wecker im Umschlag

Meinung | Königswinter · An der Jugenddorf-Christophorusschule verzichten die Schüler seit einer Woche aufs Handy. Das kann zu turbulenten Szenen führen.

 Am CJD Königswinter haben die Siebtklässler eine Woche auf ihr Handy verzichtet.

Am CJD Königswinter haben die Siebtklässler eine Woche auf ihr Handy verzichtet.

Foto: dpa

Die siebten Klassen der Jugenddorf-Christophorusschule in Königswinter fasten derzeit. Nein, die Schüler verzichten nicht aufs Essen, sondern auf ihre Handys. Das hat im Vorfeld durchaus für Diskussionen gesorgt, längst nicht jedes Kind war begeistert davon, fünf Tage aufs Smartphone zu verzichten. „Wie soll ich mich denn verabreden, welche Bahn wir nehmen“, fragte sich meine Tochter beispielsweise. Der Verweis auf ein Festnetztelefon im Haus sorgte für hochgezogene Augenbrauen. Dass es so etwas gibt, schien sie fast vergessen zu haben.

Aber letztlich rückte auch sie am Montag in der Schule das geliebte Spielzeug heraus, packte es in einen Umschlag und ließ diesen versiegeln. Sogar ein bisschen stolz wurde er beim Abendessen herumgereicht und schließlich gut sichtbar im Regal im Kinderzimmer platziert.

Am nächsten Morgen dann ein mörderisches Gescheppere im Kinderzimmer. Eines, das auch nach gefühlten fünf Minuten noch nicht aufhört. Schließlich steht meine Jüngste, völlig aufgelöst, vor meinem Bett. In der Hand hält sie den Umschlag mit dem Handy, ganz vorsichtig, als würde sie eine Handgranate vor sich hertragen. Im Umschlag steigert sich sekündlich der Lärm. „Das ist der Wecker“, stöhnt das Kind verzweifelt.

„Mach ihn aus“, murmelt unter der Bettdecke neben mir eine Stimme. „Aber das geht nicht, ich darf den Umschlag nicht aufmachen!“ Die Stimme des Kindes zittert, ist unter dem martialischen Lärm des Handys aber sowieso kaum noch zu hören. Verzweifelt drückt sie auf dem Brief herum, doch da das Gerät im Inneren sorgfältig verpackt ist und sowieso nur auf direkten Fingerkontakt reagiert, ist die Wirkung gleich null.

Inzwischen hat die Lautstärke die einer Sirene erreicht. Die Nerven liegen blank. Schließlich regt sich der beste Ehemann von Allen unter seiner Decke. Ein Griff, ein Ratsch, ein Wisch – dann herrscht Totenstille.

Bei der ist es auch geblieben, denn gefastet wurde natürlich weiter. Leider ist es mit der himmlischen Ruhe heute Mittag vorbei. Dann darf das Handy wieder ganz offiziell aus dem Umschlag. Eigentlich schade.

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