Unfallstatistik 2022 Zahl der verunglückten E-Bike-Fahrer hat stark zugenommen
Rhein-Sieg-Kreis · Ob in Rheinbach, Bornheim, Königswinter oder Bad Honnef: Es kommt überall vermehrt zu Unfällen mit E-Bikes, aber auch mit Radfahrern. Das geht aus der Unfallstatistik für 2022 der Polizei hervor. Polizei und ADFC äußern sich zu Gründen und möglichen Lösungen.
Seit Jahren kennen die Verkaufszahlen von E-Bikes und damit auch die Zahl der Unfälle mit den modernen Fahrrädern nur eine Richtung: aufwärts. Auch in Zuständigkeit des Polizei-Präsidiums Bonn ist das der Fall. Im Vorjahr sind in Bonn sowie in den links- und rechtsrheinischen Kommunen insgesamt 208 Personen verunglückt, ein Mehr von 38 Prozent. Die große Frage für Polizei und den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club ist: Was dagegen tun?
Das Fahren mit dem E-Bike trainieren
Eine Möglichkeit, das Risiko für Unfälle mit E-Bikes zu minimieren, sieht Florian Seemann, Leiter der Direktion Verkehr der Polizei Bonn in Fahrkursen, wo auch Simulatoren zum Einsatz kommen, und Trainings mit E-Bikes, die etwa in Zusammenarbeit mit dem ADFC angeboten werden. Dass sich viele ohne Training auf ein E-Bike oder Pedelec setzen, ist laut Seemann ein Teil des Problems. Viele unterschätzten die Geschwindigkeiten, die die Räder erreichen können. Hinzu komme das Gewicht der Gefährte. Gerade für Menschen in höherem Alter sei es etwa im Falle eines Unfalls viel schwerer, sich von der 25-Kilo-Last zu befreien, wenn das Rad auf einen gefallen ist. Und immerhin knapp ein Viertel der Verunglückten bei den Pedelec-Unfällen war laut der Statistik älter als 65 Jahre.
Dass Ältere einem höheren Risiko ausgesetzt sind, mit einem E-Bike zu verunfallen, bestätigt auch eine Studie der Unfallforscher der Versicherer von 2022. Aber neben den über 75-Jährigen haben besonders auch Menschen zwischen 18 und 34 Jahren ein höheres Risiko, mit dem E-Bike zu verunglücken. Während bei den Jüngeren Überschätzung und Risikobereitschaft mögliche Gründe sind, haben die Älteren laut der Studie eher Schwierigkeiten mit der Handhabung.
Für den ADFC Bonn/Rhein-Sieg sind Trainings alleine aber nicht ausreichend. Mehr Tempo beim Ausbau einer sicheren Radverkehrsinfrastruktur sei geboten. Der Ausbau halte mit der rasanten Entwicklung, im Speziellen mit Blick auf die E-Bikes, nicht Schritt: „Gegen eine parallele Entwicklung von Radverkehrsanteil und Unfallzahlen müssen jetzt alle Kräfte mobilisiert werden. Mehr Radverkehr erfordert mehr Platz für sichere Radwege. Die an vielen Orten erkennbaren Schritte dahin müssen beschleunigt und konsequent weiter umgesetzt werden“, sagt Bernhard Meier, Zweiter Vorsitzender des ADFC Bonn/Rhein-Sieg.
Helm kann schwere Verletzungen verhindern
Möglicherweise könne das auch helfen, die Zahl der Unfälle mit Radfahrern zu senken. Die sind seit Jahren auf einem gleichbleibend hohen Niveau, mit Schwankungen nach oben und unten. 673 Verunglückte verzeichnet die Statistik für 2022, das sind zwar fast 100 mehr als 2021, aber eben auch weniger als etwa 2016. Von 162 Verunglückten in Bornheim waren 54 Radfahrende, in Bad Honnef waren es 46 von gesamt 107 in 2022. Die Problematik dürfte Polizei und ADFC noch lange beschäftigen, allerdings hat Florian Seemann noch einen anderen wichtigen Rat, der zumindest dazu beitragen könnte, dass schwere Verletzungen reduziert werden: Helm tragen. Hier seien sowohl E-Bike-Fahrer, Radfahrer als auch E-Scooter-Fahrer nachlässig. Im Umgang mit E-Scootern, so Seemann, fehle vielen zudem das Verständnis, dass es sich um ein Kraftfahrzeug handelt, entsprechend würden sie nicht richtig gehandhabt. Fahrfehler sind laut Seemann auch ein Grund dafür, dass Unfälle mit Kleinkrafträdern wieder zugenommen haben. Damit stieg nach einem Absinken 2021 die Zahl mit 230 Verunglückten wieder auf den Stand von 2020. Auch verengter Verkehrsraum, da, wo viele Verkehrsteilnehmer auf wenig Platz zusammenkommen, begünstige Unfälle.
Während die Unfallbilanz speziell mit Blick auf Radfahrende und E-Bike-Nutzende wenig erfreulich ausfällt, gibt es beim Blick auf die Unfallstatistik durchaus auch Lichtblicke. So gab es im Zuständigkeitsbereich der Bonner Polizei 2022 nur einen Verkehrsunfall, konkret in Bonn, bei dem ein Mensch tödlich verunglückt ist. Das ist der niedrigste Stand seit 2013; die Zahl der Verunglückten lag bisher zwischen sechs und 13. Dafür trugen im Vorjahr allerdings mehr Menschen bei Unfällen schwere Verletzungen davon (2022: 308, 2021: 265, 2017: 342). Zur Erläuterung: Schwerverletzt gibt keine Auskunft über die Dramatik von Verletzungen. Als schwer verletzt gilt laut Polizei, wer infolge eines Verkehrsunfalls mindestens 24 Stunden im Krankenhaus behandelt wird. Insgesamt betrachtet hat die Zahl der Verkehrsunfälle im Zuständigkeitsbereich der Bonner Polizei nach einem Tiefststand 2020 (15 304) in 2022 wieder leicht zugenommen, dennoch liegen die Zahlen aber unter den Werten von 2013 bis 2019.
Unfallhäufungsstellen im Fokus
Um Verkehrsunfälle nach Möglichkeit zu vermeiden, nimmt die Polizei als Teil der Unfallkommission, zu der auch Mitarbeiter des Straßenverkehrsamtes Rhein-Sieg und der örtlichen Straßenbehörde gehören, regelmäßig Unfallschwerpunkte in den Blick. Ein Unfallschwerpunkt, auch Unfallhäufungsstelle genannt, liegt dann vor, wenn innerhalb eines Jahres an gleicher Stelle mindestens drei Unfälle des gleichen Typs passieren und es zu schwerem Sachschaden kam oder Menschen verletzt oder getötet wurden.
Nach Auskunft der Pressestelle des Rhein-Sieg-Kreises sind bei der Unfallkommission des Kreises derzeit 68 Unfallhäufungsstellen registriert, davon 42 im Bereich der Kreispolizeibehörde Siegburg und 26 im Bereich des Polizeipräsidiums Bonn. Dazu zählt auch der Kreisel auf der Landesstraße 182/Kreisstraße 3, der Rheinbacher Straße bei Swisttal-Straßfeld. Mehrfach habe es dort laut Jan Waszilewitz, Erster Polizeihauptkommissar der Direktion Verkehr, Unfälle gegeben, bei denen Autos über die Mittelinsel gefahren sind und sich überschlagen haben. Dabei wurde der Kreisel 2019 gebaut, um Unfälle zu vermeiden. „Da ist die Unfallkommission dran“, so Waszilewitz. Geplant ist laut Daten der Pressestelle des Rhein-Sieg-Kreises, die Situation durch Beschilderung im Bereich der Mittelinsel und einen zusätzlichen Richtungsweiser zu verbessern. Erneut im Fokus der Unfallkommission ist auch die Kreuzung L 183/Beethovenstraße/Lortzingstraße in Bornheim. Demnach kommt es nun vor allem zu Problemen zwischen Pkw-Fahrern, die aus der Beethovenstraße kommend in den Kreuzungsbereich einfahren und Radfahrern, die den kombinierten Geh-/Radweg entlang der L 183 in Fahrtrichtung Brühl benutzen. Eine angepasste Beschilderung und Markierung an der Einmündung Beethovenstraße sollen Abhilfe schaffen.
Besonders viele Unfallhäufungsstellen gibt es auch in Rheinbach. Laut Rhein-Sieg-Kreis sind es derzeit sechs. Die Kreuzungen Aachener Straße/Keramikerstraße bis Leberstraße, Aachener Straße/Am jüdischen Friedhof/An der Alten Molkerei zählen dazu. Auch auf der L 493 kommt es vermehrt zu Unfällen.
Eine Unfallhäufungsstelle ist auch die Ausfahrt von der A3 (Fahrtrichtung Frankfurt) bei Bad Honnef. Beim Abbiegen auf die Rottbitzer Straße (L247) kam es demnach 2022 zu drei Unfällen der Kategorie Vier. Das heißt: Die Schäden an den Autos waren so schwerwiegend, dass diese nicht mehr fahrbereit waren. Ebenfalls vermehrte Unfälle wurden in Königswinter-Oberpleis registriert, dort, wo die Landstraßen 143 und 331 sich treffen.