Siebengebirgsbahn Zu Weihnachten brannten die Kerzen

SIEBENGEBIRGE · In den Fensterbänken der Straßenbahn standen 24 angezündete Weihnachtskerzen. Damals, als die Mitfahrer aus Bad Honnef, Königswinter und Oberkassel das, was heute als Linie 66 oder Telekom-Express bis zur Endhaltestelle Grafenwerth "dampft", noch "Siebengebirgsbahn" nannten. Sie bildeten eine verschworene Fahrgemeinschaft und kannten sich alle.

 Die Bad Honnefer Endhaltestelle in den fünfziger Jahren: Jeden Morgen trafen sich dort dieselben Fahrgäste, um nach Bonn zu fahren.

Die Bad Honnefer Endhaltestelle in den fünfziger Jahren: Jeden Morgen trafen sich dort dieselben Fahrgäste, um nach Bonn zu fahren.

Foto: Holger Handt

Sie waren unterwegs zur Arbeit nach Bonn oder weiter nach Köln. So um 1953 muss es gewesen sein. Wilfried Unterberg weiß es nicht mehr so exakt. Aber der Bad Honnefer erinnert sich noch genau an jene Weihnachtsfeier in den zwei großen Triebwagen, in dem jeweils ein Schaffner seinen Dienst versah.

Täglich punkt 7 Uhr stand jeder Kondukteur neben der Eingangstür des Waggons auf dem Trittbrett, und der aus dem letzten Wagen überzeugte sich, dass alle Passagiere eingestiegen waren, hob seine Kelle und gab mit der Trillerpfeife das Kommando zum Start.

Jeder Schaffner ließ sich nun die Wochen- oder Monatskarte seiner Fahrgäste zeigen oder verkaufte gegen Bargeld einen bunt ausgedruckten Fahrschein aus einer Holzkiste. Entwertet wurde die Karte mit einer eigens für jeden Wagenbegleiter gezinkten Knipszange mit einem Stern oder einem Kreuz beispielsweise.

So ging es von Haltestelle zu Haltestelle bis zum Endpunkt, dem Köln-Bonner Rheinuferbahnhof. Theo Glück, damals auch ein junger Mann mit rotem Schopf, war einer der Stammfahrer. Er war der wohl berühmteste Nikolaus in Honnef, meint Wilfried Unterberg. Im Bischofsornat mit hoher Mitra und Krummstab besuchte er am Nikolausabend zusammen mit dem damaligen Küster als Hans Muff viele Kinder. Just in dieser Zeit hatte Glücks Theo die Idee, in der "Siebengebirgsbahn" eine Weihnachtsfeier abzuhalten. Jeder sollte ein winziges Geschenk mitbringen.

Die dann in einem Korb gesammelten Präsente würden später während der Fahrt verteilt. Auch die Hunde der Polizisten vom Adenauer-Wachdienst sollten nicht leer ausgehen. Und ihre Führer hatten nichts einzuwenden, dass die Vierbeiner an diesem ganz besonderen Tag eine Wurst zugesteckt bekämen. Die Hunde wurden täglich per Bahn von Rhöndorf ins Kanzleramt gebracht.

Der älteste Stammfahrer, ein Oberst a.D., wurde verpflichtet, Kerzen herbeizuschaffen. Und so war alles gerichtet. Die Schaffner wussten zwar bescheid, aber sie wollten ihre Vorgesetzten nicht informieren und ganz überrascht tun, wenn am Morgen plötzlich die fahrende Bahn Lokalität einer ganz eigenartigen Weihnachtsfeier sein würde.

Flugs waren an der Endhaltestelle die Kerzen auf den zehn Zentimeter breiten Fensterbänken aufgestellt. Die Feier konnte beginnen. In "Rhöööööndorf", wie der Schaffner laut ausrief, stiegen die Polizisten zu. Aber während normalerweise die beiden Hunde brav ruhten, waren sie an diesem Morgen nach ihrer Nachtschicht hellwach. Sie schnupperten offenbar den Duft der Würstchen.

Wilfried Unterberg: "Die beiden Adenauer-Polizisten setzten sich wie üblich in die Bankreihe, in der ich saß. Der große Riesenschnauzer legte sich wie gewöhnlich unter meine Sitzbank aus Latten und bettete seinen schweren Kopf auf meine Füße. Er und meine Füße schliefen normalerweise regelmäßig ein, und wenn ich eines meiner Beine leicht bewegte, so störte ihn das keineswegs, und er schlief und schnarchte genussvoll weiter. Nur an diesem Morgen war es anders."

In Königswinter gesellte sich Elisabeth zu der fröhlichen Runde. Die Tochter eines Konditormeisters hatte eine große Tüte Spekulatius dabei. Dollendorf, Oberkassel, Ramersdorf, immer weitere Stammgäste kletterten in den Wagen. Sie stimmten fröhlich in den Gesang ein. "Und wenn die Reihe der Weihnachtslieder durch war, begannen wir wieder von vorn", lacht Wilfried Unterberg.

Alle hatten mittlerweile ihre Geschenke ausgepackt. Die Hunde hatten ihre Würste verputzt und waren auch nicht abgeneigt, einige der Plätzchen zu verspeisen. Am Rheinuferbahnhof waren die Lichter heruntergebrannt. Die Passagiere strömten, mit fröhlichen Gesichtern, zu ihren Arbeitsplätzen.

"Ob so etwas heute noch möglich wäre?" fragt sich Unterberg. "Ich bezweifle es. Aber ich bin sicher, dass diejenigen, welche sich noch an die Weihnachtsfeier in der Siebengebirgsbahn erinnern, gerne daran zurückdenken und die Zeiten der Zusammengehörigkeit vermissen", glaubt der 77-Jährige, der während seines Berufslebens als Industriekaufmann für ein Bonner Unternehmen weltweit unterwegs war und noch viele Bahnen auf diesem Globus kennenlernte. Die Weihnachtsfeier in der "Siebengebirgsbahn" aber ist ihm unvergessen.

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