Heidi Wunner bei der WM 79-Jährige aus Rheinbreitbach gehört zur Weltspitze im Tischtennis

Rheinbreitbach · Die 79-jährige Heidi Wunner ist in Las Vegas Fünfte bei der Tischtennis-WM geworden. Bei einem Spielchen an der Platte erzählt die Rheinbreitbacherin von ihrer Leidenschaft für den Sport und dem einen Ziel, das sie noch verfolgt.

Mit einem freundlichen Lächeln geht Heidi Wunner an die Platte, nimmt sich einen Ball und stellt sich bereit für den Aufschlag. Ihr Paradeschlag, wie die 79-Jährige sagt. Auf der anderen Seite des Netzes steht an diesem Abend allerdings keiner ihrer sonstigen Gegner aus der 3. Kreisklasse. Stattdessen habe ich für einige Runden Tischtennis mal wieder meinen alten Schläger aus dem Schrank gekramt. Mehr als zehn Jahre immerhin habe ich selbst im Verein gespielt – wenn auch „nur“ auf Kreisebene und auch mal mehr, mal weniger erfolgreich. Etwas angestaubt wirken nach langer Zeit dann auch meine ersten Top-Spin, Konter- und Blockversuche. Ganz anders sieht das bei der Rheinbreitbacherin aus, die jüngst bei der Weltmeisterschaft in Las Vegas im Doppel in der Altersklasse Ü 75 den fünften Platz erreicht hat. Ganz sicher spielt sie die Bälle lang in die Ecke oder schupft sie kurz hinter das Netz.

Mehr als 4000 Spieler aus aller Welt waren bei dem einwöchigen Turnier dabei. Für die Teilnehmer ein besonderes Ziel. „Nach Las Vegas fährt jeder, der einen Schläger halten kann“, sagt Wunner mit einem Schmunzeln. Für Europa- und Weltmeisterschaften ist sie schon um die ganze Welt gereist. Im finnischen Tampere feierte sie 2015 ebenso wie zehn Jahre zuvor in Bratislava den EM-Titel im Doppel. Bei der WM 2010 in China besuchte sie im Anschluss des Turniers die Chinesische Mauer. „Es war schon ein Erlebnis“, sagt die deutsche Doppel-Meisterin bei der Ü 75 von 2014 im Rückblick.

"Vom Siebengebirge angezogen"

Ihre erste Begegnung mit der grünen Platte und dem weißen Ball hatte sie mit zwölf, als sie noch in Niedersachsen wohnte. Weihnachten 1951 hatten sie und ihre drei Geschwister nach dem Geschenk gespinkst – und zunächst nichts entdeckt. Doch zur Bescherung dann die große Überraschung: In einem anderen Raum stand eine Tischtennisplatte. „Der Abend war gerettet“, sagt sie heute. Und ihre Leidenschaft für den Sport geboren.

1959 zog es die Familie für zunächst fünf Jahre nach Rhöndorf, dann zurück nach Niedersachsen. Die Eltern hatten sich nach einem Aufenthalt in Kanada schließlich – „vom Siebengebirge angezogen“ – in Rheinbreitbach niedergelassen. „Nach dem Tod meines Mannes 1968 bin ich 1973 nach Beendigung der Sportlehrerausbildung den Eltern gefolgt“, erzählt sie und fügt an: „Ich habe diesen Schritt nie bereut.“

Entspannt und unaufgeregt

In Rheinbreitbach trat sie dem SV bei, in dem 13 Mannschaften spielten, von Mädchen und Damen, bis Schüler und Herren. Heute sind es nur noch drei, zwei Herren- und eine Jugendmannschaft. Wunner machte den Übungsleiter- und den B-Trainerschein und brachte dem Nachwuchs lange Zeit die richtige Schläger- und Beinhaltung und Schlagtechnik bei. Vor rund eineinhalb Jahren gab sie den Jugendtrainer ab. Was sie aber nicht davon abhält, weiter Tipps zu geben und auf Fehler hinzuweisen.

Ich solle das Handgelenk strecken, bemängelt sie meine Schlägerhaltung in der Vorhand. „Schläger mehr zumachen“, höre ich, als mein Vorhandschlag über die Platte geht. Ansonsten sehe das aber gut aus, sagt sie in meine Richtung und wirkt dabei, wie die gesamte Zeit, völlig entspannt und unaufgeregt. Nichts scheint die gelernte Physiotherapeutin, die von 1988 bis 1999 diese Abteilung am Cura-Krankenhaus in Bad Honnef leitete, aus der Ruhe zu bringen.

"Tischtennis kann man bis ins hohe Alter spielen"

Bezeichnend dafür ihre Reaktion, als sie vor 14 Jahren nach einem Unfall einen Trümmerbruch im Arm erlitt. Die Ärzte zweifelten, ob sie je wieder mit ihrer rechten Hand Tischtennis spielen könne. „Ihr kennt mich nicht“, zeigte sie sich jedoch kämpferisch, und kam eindrucksvoll zurück. „Ich habe mir einen ganz leichten Schläger zusammengestellt, vorne und hinten Noppen“, sagt sie. Erste Erfolge stellten sich ein. „Es ging wieder bergauf.“

Dass sie so lange noch an der Platte stehen würde, hätte sie vor Jahrzehnten nicht gedacht. „Du spielst mit 60 noch“, meinten Teamkollegen in ihrer Anfangszeit in Rheinbreitbach zu ihr. „Ihr spinnt doch“, reagierte sie damals ungläubig, um heute einzusehen, dass sie doch Recht behalten sollten. Für die 79-Jährige, die im Keller eine eigene Platte samt einfacher Ballmaschine stehen hat, ist es vor allem der Spaß, der sie zweimal die Woche zum Training motiviert. Tischtennis habe einen großen Vorteil: „Man kann es bis ins hohe Alter spielen. Und im Vergleich zu anderen Sportarten gibt das keine blauen Flecke.“ Reaktion, Konzentration, Beweglichkeit und Koordination werden an der Platte gefördert. „Man bleibt flexibel. Und das schadet ja nicht.“

Ziel ist das Treppchen bei der WM

Steht sie mal nicht an der Platte, vertreibt sie sich ihre Zeit mit Gartenarbeit und Radfahren oder unternimmt etwas mit den Enkelkindern und der Familie. Ihr Sohn, ebenfalls Physiotherapeut, feiert nächstes Jahr 20-jähriges Praxisjubiläum, ihr Enkel wird konfirmiert, sie selbst wird 80. „Es ist richtig was los“, freut sie sich. Auch die Osteoporose-Selbsthilfegruppe, die sie 1999 gründete, wird zwei Jahrzehnte alt. Mit 19 Mitgliedern gestartet, sind es heute mehr als 150. „Die Zusammenarbeit und das Funktionstraining mit der Gruppe ist eine Herausforderung, der ich mich gerne stelle.“

Die TT-Spielerin ist eine Frau der klaren, pragmatischen Worte. Bei einem Turnier habe sie mal gesehen, wie jemand im Rollstuhl an die Platte gefahren ist und sich anschließend mit einer Hand darauf abstützte, um spielen zu können. „Sie werden dann Vize- oder Weltmeister und ein halbes Jahr später sind sie tot. Was haben sie dann davon?“, sagt sie nur. Die Rheinbreitbacherin hat sich daher festgelegt: „Wenn ich nicht mehr meinen eigenen Ball aufheben kann, spiele ich nicht mehr.“ Doch bis das soweit ist, und das zeigen nicht nur die jüngsten Erfolge und dieses Trainingsspielchen gegen mich, werden wohl noch einige große Turniere ins Land gehen. Das sollte es auch, Wunner hat schließlich noch ein großes Ziel: „Einmal will ich noch bei einer WM aufs Treppchen. Irgendwann schaff ich das.“

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