Kindesentführung aus Tschechien nach Neuwied Angeklagter belastet vor Koblenzer Landgericht seine Freundin

KOBLENZ · Die Entführung eines Babys aus Tschechien nach Rheinland-Pfalz wird den Richtern zum Prozessauftakt als fantastische Räuberpistole präsentiert. Vor dem Landgericht Koblenz müssen sich seit Dienstag ein 51-Jähriger und seine 48 Jahre alte Lebensgefährtin als mutmaßliches Kidnapper-Paar verantworten.

Sie sollen im vergangenen Sommer die kleine Michala in Ústí nad Labem vor den Augen der Mutter aus einem Kinderwagen gerissen haben. Doch der Mann sieht sich nicht als Täter, sondern als Opfer von Lügen seiner Freundin. Nach Angaben seines Anwalts hat er geglaubt, sein eigenes, gekidnapptes Kind zurückzuholen.

Rückblick: Am 4. Juli 2012 soll das Pärchen in einem Supermarkt in Ústí nad Labem die Mutter von Michala beobachtet haben - mit dem Baby im Kinderwagen und einem weiteren Kind. So steht es in der von Staatsanwältin Heike Franz am Dienstag verlesenen Anklageschrift. Demnach stieg die Mutter dann mit den Kindern in einen Bus, die Angeklagten folgten ihr mit einem Auto.

Nachdem die Mutter an einer Haltestelle den Bus verlassen hatte, soll der Mann das Baby aus dem Kinderwagen gezogen haben. Die Mutter habe noch versucht, die kleine Michala festzuhalten, der Angeklagte habe sie aber weggestoßen und sei mit dem Säugling und seiner Komplizin weggefahren.

Nach den Worten seines Verteidigers, Ingmar Rosentreter, handelte der Angeklagte in dem Glauben, sein eigenes, gekidnapptes Kind zurückzuholen. Die Frau soll ihrem Lebensgefährten laut Anwalt erzählt haben, von ihm Drillinge erwartet zuhaben. Da sie in Deutschland nicht krankenversichert gewesen sei, habe sie die Kinder in Tschechien zur Welt bringen wollen. Der Verteidiger geht nach eigenen Worten davon aus, dass die Frau tatsächlich schwanger war.

In Tschechien habe die Komplizin ihrem Freund nach der angeblichen Geburt - bei der er nicht dabei gewesen sei - zunächst erzählt, zwei der drei Kinder seien entführt worden. Später habe sie gesagt, die zwei Kinder seien während der Entführung gestorben und das dritte sei ebenfalls gekidnappt worden. Der Mann sei dann davon ausgegangen, dass Michala sein Kind sei. Er habe alles "blind vor Liebe" geglaubt, sagte Rosentreter, der sich für einen Freispruch seines Mandanten einsetzt.

An den Koblenzer Richtern ist es nun, die verworrene Geschichte aufzuarbeiten. Der 51-Jährige äußerte sich noch nicht vor Gericht, sein Anwalt kündigte aber für den nächsten Termin am 17. Januar eine Aussage an. Auch die 48-Jährige sagte im Gerichtssaal nichts. Ihre Verteidigerin Julia von Dreden, die gestern nicht im Gericht war, hatte vor dem Prozessauftakt gesagt, ihre Mandantin habe sich in "einem Lügenlabyrinth" verlaufen.

Das Paar war kurz nach der Entführung im Juli festgenommen worden, nachdem Michala wohlbehalten in der Neuwieder Wohnung der Mutter der 48-Jährigen gefunden worden war. Seitdem sitzen der Mann und seine Freundin in Untersuchungshaft. Ihnen droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.

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