Anwohner wollen Entlastung von Bonn bis Bingen Bahnlärm-Netzwerk fordert rasches Tempolimit für Güterzüge im Mittelrheintal

Kreis Neuwied/Region · Die Menschen im Mittelrheintal leiden weiterhin am Lärm der rechtsrheinischen Bahntrasse. Dass des Nachts bis zu 2.000 Tonnen schwere und mitunter mehrere Kilometer lange Güterzüge mit Tempo 100 mitten durch die Orte rauschen, ist für die Anwohner ein Ärgernis, für das keine Lösung in Sicht ist. Für Entlastung soll jetzt ein Tempolimit sorgen.

Wie hier in Unkel rattern die Güterzüge im Mittelrheintal nur wenige Meter neben der Wohnbebauung entlang. Das Bürgernetzwerk Pro Rheintal fordert, dass die Züge nachts nur Tempo 50 fahren.

Wie hier in Unkel rattern die Güterzüge im Mittelrheintal nur wenige Meter neben der Wohnbebauung entlang. Das Bürgernetzwerk Pro Rheintal fordert, dass die Züge nachts nur Tempo 50 fahren.

Foto: Frank Homann

Nachdem schon die sogenannten Flüsterbremsen an Zügen nach Ansicht der Anwohner des Mittelrheintals bis dato keine nennenswerten Erfolge gezeigt haben, fordern sie jetzt die rasche Einführung eines Tempolimit für Güterzüge entlang der Bahnstrecke zwischen Bonn und Bingen. Die Bahnlärminitiative Pro Rheintal will damit ihre Forderung für das Mittelrheintal aufrecht erhalten, nachdem Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) dem Vorhaben aus wirtschaftlichen Gründen eine Absage erteilt hatte.

Vor allem wundert die Bahnlärmgegner, dass Wissing als Minister in Rheinland-Pfalz noch ganz anders argumentiert habe. „Wer unter Verweis auf das Allgemeinwohl von seinen Mitmenschen erwartet, dass sie mit dem Lärm eines Presslufthammers zu Bett gehen, dass sie mit dem Lärm eines Presslufthammers Tag und Nacht verbringen und weder Urlaub noch Feiertage kennen, der bewegt sich außerhalb der gesellschaftlichen Wertevorstellungen“, zitiert Frank Gross, Vorsitzender des Bürgernetzwerks Pro Rheintal aus einer Rede des damaligen rheinland-pfälzischen Verkehrsministers im Deutschen Bundestag. „Er empfand es damals als ,kaltherzig’, solche Forderungen zu stellen. Heute ist er offensichtlich zum Chef der kalten Herzen mutiert“, findet Gross.

Bei seinem kürzlichen Besuch am Rhein, zwecks Spatenstich für Lärmschutzwände, die laut Gross seit 2014 überfällig seien, kündigt Wissing – ganz im Gegensatz zum Zweck der Veranstaltung – den weiteren Ausbau des Mittelrheintals zur Hochleistungsstrecke für den Güterverkehr an. Und: Eine Ausweichstrecke sei zu teuer und auch die seit 2014 beschlossenen Maßnahmen zum Lärmschutz entlang der Trasse würden wohl nicht vor 2030 fertig. Die Folge: Für die Menschen im Rheintal bedeute Wissings Botschaft so viel wie: „Macht, dass ihr hier wegkommt – denn das, was da auf euch zukommt, wird noch schrecklicher, als es heute schon ist“, sagt Frank Gross.

Auszeichnung als Weltkulturerbe ist laut Unesco gefährdet

Unterstützung erhält das bundesländerübergreifende Bürgernetzwerk von der Unesco, für die der Bund Vertragspartner und Antragsteller für das Welterbe Oberes Mittelrheintal ist. In ihrem jüngsten Bericht 2022 fordert die Unesco-Kommission explizit Tempo 50 am Mittelrhein und sieht ansonsten die Auszeichnung als Welterbe gefährdet. Der Grund laut Gross: Die im Antrag zum Welterbe-Rang zugesagte Entlastung der Anwohner von Bahnlärm sei bis heute nicht realisiert worden. „Derzeit fahren alle drei bis fünf Minuten Güterzüge durchs Rheintal die bis zu 120 Dezibel laut sind“, erklärt der Bahnlärmchef.

Mit den Worten: „Je langsamer die Züge fahren, desto unattraktiver ist der Verkehrsträger“ hatte der Bundesverkehrsminister vor wenigen Tagen der Forderung nach einem Tempolimit eine Absage erteilt. Pro Rheintal hält dies für ein Scheinargument, schließlich würden die Züge derzeit häufig ausgebremst. Das Zeitproblem der Bahn sei nicht Tempo 50 im Mittelrheintal, sondern „der Hürdenlauf mit Hunderten von Baustellen, liegengebliebenen Zügen, übervollen Schienenwegen, die Güterzüge auf Haltegleise verweisen, sowie eine veraltete Technik, bei der Güterwaggonkupplungen von Hand zusammengeschraubt werden, wie das schon vor 100 Jahren gemacht wurde“, erklärt das Netzwerk.

Dass nach wie vor nichts gegen die Reduzierung des Bahnlärms unternehmen wird, nennt Gross eine „Rücksichtslosigkeit gegenüber den Menschen und einer ganzen Region“. Das als Verkehrslärm akzeptable Maß ist laut WHO nachts ein gemittelter Pegel von 45 Dezibel. „Am Mittelrhein haben wir heute 75 Dezibel und darüber, wie die Messstationen der Länder Hessen und Rheinland-Pfalz belegen.“ Deshalb muss Schluss sein mit den Privilegien, tags wie nachts solch einen Lärm machen zu dürfen, fordert der Pro-Rheintal-Chef. Die 2.000 Tonnen schweren Güterzüge dürften, wie alle anderen Verkehrsteilnehmer, nicht schneller als mit 50 Stundenkilometer durch die Wohngebiete fahren. „Die Bahn wird dadurch nicht schlechter, sondern besser, weil zuverlässiger“, so Gross.

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