Busverkehr im Kreis Neuwied Die Fahrgäste haben das Nachsehen

Region · Noch fahren Busse zwischen dem Rhein-Sieg-Kreis und dem Kreis Neuwied. Doch das Unternehmen, das bisher in Rheinland-Pfalz die Buslinien bedient, will aus finanziellen Gründen aussteigen. Eine Lösung muss her, denn Pendler in und aus dem Rhein-Sieg-Kreis sind ebenfalls betroffen.

 Ein Bus des Unternehmens Martin Becker an einer Haltestelle in Unkel.

Ein Bus des Unternehmens Martin Becker an einer Haltestelle in Unkel.

Foto: Frank Homann

Während die große Politik versucht, dem Klimawandel eine Verkehrswende entgegenzustellen und in vielen Kommunen Mobilitätsbeauftragte den Bürgern den Umstieg vom Auto auf den Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) schmackhaft machen, droht dem Kreis Neuwied das Aus für den ÖPNV im Landkreis – mit Folgen für Pendler in den benachbarten Rhein-Sieg-Kreis.

Die Buslinien des rheinland-pfälzischen Kreises werden derzeit vom Unternehmen Martin Becker bedient. Die Firma fährt im Auftrag des Kreises, aber auf eigene Rechnung. Der Kreis Neuwid vergibt dafür Konzessionen, das Unternehmen beantragte bisher stets ein halbes Jahr vor dem Auslaufen die Verlängerung der Konzession. Vier Konzessionen laufen zum 1. Juni 2020 aus – eine Verlängerung hat die Firma Becker nicht beantragt.

Im vergangenen Herbst teilte das Unternehmen dem Kreis darüber hinaus mit, dass es beim Landesbetrieb Mobilität (LBM) beantragen werde, zum Jahresende 2019 von der Betriebspflicht auch für alle weiteren Linien im Kreis entbunden zu werden. Das würde auch für die letzte Linie gelten, die zurzeit noch Fahrgäste grenzüberschreitend befördert: die 565 von Linz nach Bad Honnef. Seit dem Jahreswechsel müssen daher Nutzer umsteigen (siehe unten stehenden Artikel).

Am Mittwoch trafen sich Vertreter des Landkreises und des Unternehmens beim LBM als zuständiger Genehmigungsbehörde zum Gespräch. Das brachte für den Kreis Erleichterung: Der LBM lehnte die Entbindung der Firma Becker ab. Die Zahlen und Belege, die das Unternehmen zum Gespräch mitgebracht habe, um zu dokumentieren, dass die Buslinien sich nicht länger rentabel betreiben ließen, hätten dem LBM nicht ausgereicht, berichtet Michael Mahlert, Beigeordneter des Kreises. „Für uns ist das Problem damit erst mal gelöst.“ Dennoch wird dieses Gespräch nicht das letzte bleiben. Nicht nur der LBM signalisiert, dass weitere Verhandlungen folgen werden; auch Rüdiger Schmidt, Geschäftsführer bei der Firma Martin Becker, geht davon aus. Er zeigt sich optimistisch. Neben dem Landkreis Neuwied ist der Verkehrsverbund Rhein-Mosel ein wichtiger Ansprechpartner für das Unternehmen. Zu dem gehört die Firma mit ihren Linien im Landkreis, und der Verkehrsverbund verteilt die Einnahmen auf die beteiligten Unternehmen. „Uns sind in den letzten Jahren einfach immer mehr Einnahmen weggebrochen“, sagt Schmidt.

Die Finanzierung des ÖPNV ist der Dreh- und Angelpunkt der Unstimmigkeiten zwischen dem Busunternehmen und dem Landkreis. Ein jährliches Defizit von 480.000 Euro nennt die Firma als Grund für den Wunsch, vorzeitig von der Betriebspflicht entbunden zu werden. Ebenso sei diese Summe ein „indikatives Angebot“ für eine zeitlich eng befristete Fortführung der Verkehre, wird die Geschäftsleitung in einer Sitzungsvorlage des Kreisausschusses vom Oktober zitiert.

Heute allerdings sagt Schmidt: „Wir wollen ja weiter fahren.“ Er geht davon aus, dass es zu einer Einigung kommen wird. Dass die Buslinien des Unternehmens seit einigen Jahren Defizite einfahren, sei nicht nur im Landkreis Neuwied so, sondern auch in anderen Gebieten. „Aber andere Kommunen und Kreise sind bereit, sich an den steigenden Kosten zu beteiligen.“ Der Kreis Neuwied dagegen wolle nichts zuschießen.

Tatsächlich war der ÖPNV bislang für den Kreis kostenlos. Alle Linien wurden an Eigenbetriebe vergeben. Inzwischen hat der Kreis aber bereits für ein anderes Unternehmen einen finanziellen Rettungsschirm aufgespannt: 500.000 Euro wurden dem Busunternehmen bewilligt, das in der Stadt Neuwied fährt. Vorausgegangen war die Meldung eines monatlichen Defizits von 50.000 Euro und der Einsatz eines Wirtschaftsprüfers.

„Wir wissen, dass der Öffentliche Nahverkehr auf Dauer nicht mehr umsonst zu haben ist“, sagt Mahlert. Dazu kommt, dass zum Linienpaket von Martin Becker auch Schulbusse gehören. Hier ist der Kreis in der Pflicht sicherzustellen, dass die Schüler zur Schule und wieder zurück kommen. Das könnte in absehbarer Zeit für den gesamten ÖPNV gelten: Noch in diesem Jahr soll eine Neuregelung des Nahverkehrsgesetzes in den rheinland-pfälzischen Landtag eingebracht werden, die unter anderem den ÖPNV zur Pflichtaufgabe für die Kommunen machen soll.

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