Gitarrist Lulo Reinhardt in Rheinbreitbach Ein atemberaubender Ritt um die Welt

RHEINBREITBACH · Der Musiker Lulo Reinhardt verzaubert sein Publikum beim dreistündigen Konzert in Rheinbreitbach.

 Zu Gast in der Oberen Burg: Lulo Reinhardt. FOTO: FRANK HOMANN

Zu Gast in der Oberen Burg: Lulo Reinhardt. FOTO: FRANK HOMANN

Foto: Frank Homann

Der Jetlag kann noch nicht restlos überwunden sein. Vier Tage zuvor stand Lulo Reinhardt noch in Philadelphia auf der Bühne, das letzte von 33 Konzerten seiner mehr als zweimonatigen Mammut-Tournee kreuz und quer über den nordamerikanischen Kontinent. 3000er-Hallen in Kanada und den USA, 15.000 Autokilometer, 26 Inlandsflüge.

„Und jetzt Rheinbreitbach“, sagt der Weltklasse-Gitarrist aus der legendären Koblenzer Musiker-Dynastie und grinst. Dass er, bevor es in wenigen Tagen weiter nach Marokko geht, hier einen fulminanten Zwischenstopp einlegt, spricht für ihn – und für den Förderverein Obere Burg. Was da in den nächsten drei Stunden im intimen Rheinbreitbacher Rahmen folgt, was dieser Mann mit seinen Fingern, mit den sechs Saiten und dem Resonanzkörper der von ihm entworfenen und nach seinen Vorstellungen gebauten akustischen Gitarre anstellt, lässt sich kaum mit den Augen verfolgen und erst recht nicht in Worte fassen.

In Rheinbreitbach startet der Mann, der als Kind auf dem Rücken von Zirkuspferden aufgewachsen ist, mit seinem Publikum zum atemberaubenden Hochgeschwindigkeitsritt um die Welt. Lulo Reinhardt erzählt mit seiner Musik Geschichten. Schöne, denkwürdige, schräge, traurige Geschichten. Für den Sinto, der das 1000-jährige Nomadenleben seiner Vorfahren fortlebt, sind Begegnungen mit Menschen, Landschaften und fremden Kulturen eine nie versiegende Inspirationsquelle für seine spektakulären Kompositionen. Keltische Klänge verschmelzen mit afrikanischen Rhythmen, brasilianischer Samba mit andalusischem Flamenco, Jazz mit argentinischem Tango, Orient mit Okzident.

Lulo Reinhardts Musik verströmt Lebensfreude im Überfluss. Da ist keine Verbitterung spürbar, trotz der bitteren Geschichte seiner Familie. Lulos Vater Bawo überlebte als Kind Auschwitz. Bawo war noch ein Baby, als man ihm die Häftlingsnummer in das Unterärmchen stanzte. Etwa die Hälfte der Reinhardt-Sippe fand im KZ den Tod. „Man muss halt schauen, dass so etwas nicht noch mal passiert ... und deshalb die richtigen Parteien wählen“, bemerkt Lulo fast lakonisch an diesem späten Abend des Wahlsonntags.

Nach Rheinbreitbach begleitet haben ihn Percussionist Uli Krämer, mit dem Reinhardt seit 24 Jahren zusammenarbeitet, sowie der erst 23-jährige Gitarrist Christiano Gitano, Lulos ehemaliger Schüler aus der weitläufigen Verwandtschaft. Dem jungen Mann sagen Experten eine große Karriere voraus. Dass er alles dazu mitbringt, stellt er an diesem Abend unter Beweis. Nach drei Stunden applaudiert das Publikum stehend.

Die Zugabe trägt den Titel „Asia“. Stimmt: Den Kontinent hatten wir bis dahin noch nicht bereist.

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