"Klio"-Ausstellung Erdogan-kritisches Bild sorgt für Eklat in Linz

LINZ · Eine kritische Zeichnung des Kölner Künstlers Ali Zülfikar, die den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zeigt, hat in einer Ausstellung in Linz am Rhein einen Eklat ausgelöst. Das türkische Generalkonsulat hatte im Vorfeld versucht, es zu verhindern.

Eine kritische Zeichnung des Kölner Künstlers Ali Zülfikar, die den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zeigt, hat in einer Ausstellung in Linz am Rhein einen Eklat ausgelöst. Die türkische Generalkonsulin in Mainz, Sibel Müderrisoglu, habe die Stadt Linz dringend ersucht, das Bild nicht zu zeigen, weil es ehrverletzend und herabwürdigend für Erdogan und die Türkei sei, sagte der Linzer Bürgermeister Hans Georg Faust (CDU) am Dienstag.

Mit einer Gemeinschafts-Ausstellung präsentiert sich zurzeit der Kunstverein „Klio“ in der Stadthalle Linz. Die Vereinigung professioneller internationaler Kunstschaffender und Kunstförderer bündele historische wie auch zeitgenössische Kunst unter einem Dach, erklärte die Vorsitzende Denise Steger bei der Vernissage.

„Von Ihrem Verein verspreche ich mir Impulse, die man benötigt, um die Idee weiterzutreiben, den Rückblick in die Geschichte der Kunst zu tätigen und Kunst über die Zeitschiene hinweg in der Region zu präsentieren“, formulierte Bürgermeister Faust seine Erwartungen. Allerdings hätte sich der Stadtbürgermeister beinahe selbst zum Erfüllungsgehilfen einer Kunstzensur durch die Türkei gemacht: Ein Erdogan-kritisches Bild des in Köln lebenden Künstlers Ali Zülfikar sollte nicht gezeigt werden. Faust entschied in letzter Minute anders.

Kritik auf der Vernissage

Ali Zülfikar ist in der „Klio“-Gemeinschaftsschau mit vier kleinen Porträtzeichnungen vertreten – sein großes Bild „Made in Turkey“ wurde erst nach heftigen Protesten aus Künstlerkreisen doch noch in die Ausstellung aufgenommen. Hintergrund: Das türkische Generalkonsulat hatte gefordert, das Kunstwerk dürfe nicht gezeigt werden, und Einfluss über Stadtbürgermeister Hans-Georg Faust nehmen wollen. Die Arbeit zeigt den türkischen Präsidenten, in dessen Brillengläsern sich der Schrecken des Krieges sowie Selahattin Demirtas spiegeln, jener inhaftierte Politiker der „Halkların Demokratik Partisi“, der es gewagt hatte, bei der Präsidentschaftswahl 2014 gegen Recep Tayyip Erdogan zu kandidieren. Erdogan hält in seiner rechten Hand ein heiliges Buch, auf dem der Abdruck seines blutigen Fingers zu sehen ist. Unten auf dem Bild befindet sich der Stempelabdruck „Erdo-Bananen Republik“.

Wegen rechtlicher Bedenken und aus Sorge um mögliche Konflikte zwischen Erdogan-Gegnern und -Anhängern habe er den kurdischen Künstler gebeten, sein Werk vorerst nicht zu präsentieren. Das sei bei der Vernissage am vergangenen Sonntag in der Linzer Stadthalle auf Kritik gestoßen. Der Künstler teilte mit, das Werk sei an der Wand umgedreht worden - auf der Rückseite habe er den Vermerk „Zensiert von der Stadt Linz“ angebracht. Zuvor hatte die „Rhein-Zeitung“ darüber berichtet.

Bürgermeister Faust sagte der Deutschen Presse-Agentur weiter, am Montag hätten ihm Einschätzungen des Auswärtigen Amtes sowie von Juristen und der Polizei vorgelegen. Demnach könne die Zeichnung wieder gezeigt werden - bis zum Ausstellungsende am 18. November. Es gehe um die Freiheit der Kunst und die Meinungsfreiheit. Die türkische Generalkonsulin Müderrisoglu war am Dienstag zunächst nicht zu erreichen.

Ausstellung bis 18. November geöffnet

Steger stellte die Arbeiten der 18 Künstler vor, von denen sich einige längst international einen Namen gemacht haben. So weist Angelika Erhardt-Marschall, die vor einigen Jahren im Begleitprogramm der Biennale in Venedig mit Gemälden zu finden war, in ihrem Zyklus „Maikäfer flieg!“ auf die Zerbrechlichkeit des Daseins in einer durch Flucht und Schutzlosigkeit geprägten Zeit hin.

Maf Räderscheidt, die auf der wohl berühmtesten Kunstmesse der Welt, der Art Basel, vertreten war, zeigt in Linz die kraftvollen Ölgemälde „Loreley“ und „Nachtgeschöpfe“, während Stefan Noss aus Oberwinter, Meisterschüler von A.R. Penck, Figuratives in ein dichtes Netzwerk von Farblinien und Flächen einbindet und so eine für seine Arbeiten typische Oberflächenstruktur entwickelt. Adolphe Lechtenberg, Meisterschüler an der Düsseldorfer Kunstakademie, ist mit drei kleinen, aufklappbaren plastischen Kartonobjekten vertreten.

Der Fotograf Zygmunt Gajewski, der sein Land Polen beim EU-Beitritt offiziell in einer Wiener Ausstellung vertreten hat, zeigt Schwarz-Weiß-Aufnahmen von der Klosterstraße oder der Verladestation. Er führe „den ständigen Wandel der Stadt Linz vor Augen“, so Steger. Auch die Bad Honnefer Objektkünstlerin Gabriele Pütz und die Bornheimerin Maria Dierker stellen in Linz aus.

Die Ausstellung von „Klio“ in der Stadthalle an der Strohgasse in Linz ist bis Sonntag, 18. November, donnerstags bis sonntags jeweils von 16 bis 19 Uhr zu sehen. Am letzten Ausstellungstag hält Hannes Rötter ab 16 Uhr den Vortrag „Ivan Turgenev in Linz und Sinzig und seine Novelle Asja“ anlässlich des 200. Geburtstages des Schriftstellers. Außerdem liest die Malerin und Schriftstellerin Maf Räderscheidt Auszüge aus ihrem autobiografischen Roman „Die Küsse der Farben“.

Weitere Infos zu der Ausstellung unter www.kunst-am.mittelrhein.de (mit Material von dpa)

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