Mit Wortwitz und Tiefgang Erste U 20-Landesmeisterschaft im Poetry Slam in Linz

Linz · Sie haben etwas zu sagen. Und sie finden hierfür beeindruckende und berührende Worte: Die sechs Teilnehmer der ersten rheinland-pfälzischen U 20-Meisterschaften im Poetry in Linz überzeugten am Wochenende mit Wortwitz, Empathie und sehr viel Tiefgang.

Er kann es nicht fassen: Leander Bauer (l.) ist der erste rheinland-pfälzische U 20-Meister im Poetry Slam.

Foto: privat

Mit zwei tiefgründigen Beiträgen und einer starken Bühnenpräsenz sicherte sich der 17-jährige Leander Bauer aus Bingen den Titel als rheinland-pfälzischer Meister im U 20-Poetry Slam 2022. Und dieser Titel wird immer etwas ganz Besonderes sein, schließlich wurde er am Samstagabend in der Stadthalle Linz erstmalig vergeben. Leander ist damit nicht nur der erste Titelträger überhaupt, er wird das Bundesland auch im Herbst bei den deutschsprachigen Meisterschaften in Sankt Gallen in der Schweiz vertreten.

Beim Poetry Slam handelt es sich wortwörtlich übersetzt um eine Dichter-Schlacht. Tatsächlich ist es ein literarischer Wettbewerb, bei dem selbstverfasste Texte innerhalb einer bestimmten Zeit vorgetragen werden und die Zuhörer entscheiden, wer gewinnt. Weitere Vorgabe bei der U 20-Variante: Kein Teilnehmer darf älter als 20 Jahre alt sein. Die sechs jungen Nachwuchspoeten hatten Samstagabend jeweils sechs Minuten Zeit, um ihr Publikum in der Stadthalle mit ihrem Thema und ihrem Vortrag für sich zu gewinnen.

Was in ihm steckt, zeigte der spätere Sieger bereits in der ersten Runde, in der die sechs Teilnehmer in zwei Gruppen antraten. Wort- und gestenreich sowie stimmgewaltig widmete er sich in seinem Vortrag „Nicht mein Tag“ den kleinen alltäglichen Nervereien eines Schülers – halt so etwas wie Lehrer oder das Nutellabrot, das vom Tisch fällt und auf der falschen Seite landet -, um dann ohne Ansatz blitzschnell in die Perspektive des kleinen Jungens Viktor zu wechseln, der von seinem Vater an die ukrainisch-polnische Grenze gebracht wird und nun als unbegleiteter Flüchtling alleine zurecht kommen muss.

Den Zuhörern, die gerade noch über die Banalitäten herzlich gelacht hatten, blieb das Lachen im Halse stecken. Und auch im Finale überzeugte er mit seinem geistreichen Beitrag über das Vergessen: „Vergessen wir das Richtige und nicht das Wichtige.“ Seine erste Bühnenerfahrung hat der 17-Jährige übrigens im Karneval gesammelt.

Preis der Werbegemeinschaft

Für seinen überzeugenden Sieg erhielt er nicht nur den Titel Landesmeister, sondern auch einen Preis der Linzer Werbegemeinschaft, die die Poetry-Slam-Wettbewerbe in Linz unterstützt. Deren Erster Vorsitzender Didi Pörzgen überreichte den von ihm selbst gravierten Glaspokal an den Sieger und zeigte sich beeindruckt von der Empathie und dem Tiefgang der Texte, die die jungen Poeten vorgetragen hatten. Auch zahlreiche Zuschauer merkten an, wie ehrlich und offen die Nachwuchsliteraten oft sehr persönliche Themen vortrugen.

Etwa Lily Sabath die in ihrem Beitrag „verschiedenen Versionen der selben Geschichte“ über Liebesbeziehungen sprach, oder Emily Schilz, die in „Lass uns was aus Lego bauen“ berührende Worte an ihren jüngeren Bruder richtete und Noah Voss mit seinen sehr poetisch formulierten Einsichten in Sorgen und das Treffen von Entscheidungen.

Rege Nachwuchsszene

Jesko Habert, selbst ein erfahrener Slam Poet, der aus Neuwied stammt und hier in Linz schon auf der Bühne gestanden hat, führte durch den Abend und betonte im Gespräch mit dem General-Anzeiger, wie groß der Nachwuchs im Poetry Slam ist. Dem Klischee von der ewig am Handy hängenden Jugend kann er nichts abgewinnen. Er mache vielmehr ganz andere Erfahrungen. „Es gibt im Poetry Slam eine sehr rege Nachwuchsszene. Viele junge Leute haben Lust ihre Themen aufzuschreiben. Ich habe oft das Gefühl, sie haben auch eine größere Themenbreite als ältere Slammer.“

Habert selbst hat 2020 den Titel Rheinland-Pfälzischer Meister im Poetry Slam gewonnen. Im Herbst 2022 wird der Landesmeister hier am Rhein gekürt – erneut in Linz. Mit dabei sein wird dann auch Anna Lisa Azur, die 2021 einen Poetry Slam in Linz gewonnen hatte und sich so für die Teilnahme an der Landesmeisterschaft qualifiziert hatte. Sie sorgte am Samstag als Eisbrecher für einen gelungenen Einstieg in den Abend. Ihre Hommage an die Großmutter, die so viel kann und darum so wenig Aufhebens macht, kleidete sie in einen Gangsterrap mit dem Titel „Meine Oma, die Kittelschürzenbraut“.

Poetry Slam und Linz gehören seit 2019 zusammen, als hier - damals noch in der Burg - ein erster Dichter-Wettstreit ausgerichtet wurde. „Der kam sehr gut an“, berichtete Janine Petit von der Tourist-Information Linz, die als Co-Veranstalter auftrat. Und Habert, der auch zur ausrichtenden Agentur Kiezpoeten gehört, ergänzte: „Wir sind der Stadt Linz sehr dankbar, dass sie das möglich macht. Die rheinland-pfälzische Slam-Szene ist sehr begeistert über das Format, das dem Nachwuchs eine Bühne bietet.“