Die Erde bleibt in Bewegung Nachbarhaus ebenfalls einsturzgefährdet

LINZ · Das Haus Am Gericht 13 war nicht mehr zu retten - jetzt arbeiten die Ingenieure fieberhaft daran, das Nachbarhaus unterhalb des Linzer Kaiserbergs vor dem gleichen Schicksal zu bewahren. Teil zwei des Hangrutsch-Dramas.

Während gestern die letzten Überreste des abgerissenen Einfamilienhauses weggeschafft wurden, bereiteten Fachleute im Auftrag der Struktur- und Genehmigungsbehörde (SGD) Nord als zuständiger Behörde umfangreiche Sicherungsarbeiten an diesem Wochenende vor. Der Hang bewegt sich unterdessen wieder schneller: täglich einen halben Meter.

Wie berichtet, hatten die Eigentümer des inzwischen abgerissenen Hauses am Montagnachmittag den Ordnungsbehörden bedrohliche Erdbewegungen gemeldet. Noch am selben Tag mussten sie ihr Eigenheim verlassen und durften es auch nicht mehr betreten: Wie Messungen zeigten, war es schon einsturzgefährdet. Die vom anhaltenden Regen durchnässte Erde am Steilhang hinter dem Haus bewegte sich durch spezifische geologische Eigenheiten des Berges - unter anderem durch eine Lehmschicht - unaufhaltsam zentimeterweise voran.

Gestern spitzte sich die Lage erneut zu. "Nach dem heftigen Regen und dem Abriss des Hauses Nummer 13 hat der Hang wieder Fahrt aufgenommen. Er bewegt sich etwa einen halben Meter pro Tag", berichtete Wolfgang Beck, Ingenieur der SGD. Um das Nachbarhaus Am Gericht 15 zu sichern, sollen am Wochenende vor den Häusern parallel zur Straße vier bis fünf Meter tiefe Gräben ausgehoben und mit Beton verfüllt werden.

Zusätzlich sollen Aufschüttungen vorgenommen werden. "Wir hoffen natürlich, dass die Böschung so nicht nur in ihrer Bewegung gebremst, sondern ganz zum Stillstand gebracht wird", erklärte Beck. Eine Prognose für das Haus Nummer 15 wollte er nicht geben, zumal aktuelle Messdaten noch ausstanden: Er könne leider noch nicht die Erfolgsmeldung geben, dass der Druck des Hangs auf das Gebäude nachlasse. Sicher sei nur, dass das Haus sich nicht bewege. Das mit den Sicherungsarbeiten beauftragte Unternehmen wolle Tag und Nacht arbeiten, damit die Gräben bis Montag verfüllt sind. Gestern wurde bereits die Stützmauer am Parkplatz unterhalb der Straße Am Gericht mit Schotter abgesichert.

Wie der Ingenieur sagte, werden die Arbeiten am Wochenende vom Koblenzer und Remscheider Technischen Hilfswerk (THW) begleitet, die die Einsatzstelle mit Speziallampen ausleuchten. Vorsichtshalber habe man die Energieversorgung Mittelrhein informiert; sie müsse am Montag die Gasleitung für die drei verbliebenen Wohnhäuser unterbrechen, um eine Explosionsgefahr abzuwenden, falls der Hang weiter rutsche. Laut SGD Nord wollen am Montagmorgen Staatssekretär Uwe Hüser und SGD Nord-Präsident Ulrich Kleemann die Unglücksstelle besuchen.

Kurz gefragt

Die Fassungslosigkeit stand Heike und Stefan Trier ins Gesicht geschrieben. Gestern Mittag musste das Ehepaar mit ansehen, wie ein Bagger die letzten Überreste seines Hauses in einen großen Container schaufelte. Journalisten, Radio- und Fernsehteams scharten sich seit Montag fortwährend um die Leidtragenden des Hangrutsch-Dramas am Kaiserberg in Linz. Auch gestern sahen sie sich nicht in der Lage, sich mit dem DRK-Vorsitzenden Dieter Korf vor eine Kamera zu stellen - zu tief sitzt der Schock über den Verlust. Mit dem Paar sprach Horst-Dieter Küsters.

Herr Trier, in den Nachrichten war immer wieder zu hören, Sie seien am Dienstag noch in Ihrem Haus gewesen, um Sachen zu retten.

Stefan Trier: Es ist viel berichtet und auch gedichtet worden. Wir haben unser Haus am Montag nur mit ganz wenigen persönlichen Dingen verlassen, weil wir da ja noch der Meinung waren, dass wir es wieder bewohnen könnten. Dann aber ist es innerhalb von 48 Stunden zur Bauruine geworden, so dass wir nur noch dem Abriss zustimmen konnten.

Können Sie angesichts dieser Situation überhaupt einen klaren Gedanken fassen?

Stefan Trier: Das ist für uns alles wie ein Albtraum, aus dem man irgendwie hofft, wieder aufzuwachen. Aber der Film läuft immer weiter ab.

Haben Sie irgendeine Vorstellung, wie es weitergehen kann?

Heike Trier: Wir haben unser gesamtes Hab und Gut verloren und stehen mit leeren Händen vor dem Nichts. Andererseits haben wir aber auch schon sehr viel Zuspruch bekommen. Und jetzt hat sich ja sogar eine Initiative gegründet, die uns mit Spenden helfen will.

Welle der Hilfsbereitschaft

Das Schicksal der Familie, die am Kaiserberg ihr Haus und ihr Hab und Gut verloren hat, bewegt nicht nur die Menschen in Linz. Aus dem gesamten Verbreitungsgebiet des General-Anzeigers erreichten die Redaktion Anfragen, wie geholfen werden kann. "Besonders tragisch ist, dass die Familie gegen diesen ruinösen Elementarschaden nicht versichert ist", sagte gestern der Linzer DRK-Vorsitzende Dieter Korf. Um zu helfen wurde mittlerweile die "Initiative Hangrutsch Kaiserberg" gegründet.

In Kooperation mit dem DRK wurde ein Spendenkonto bei der Sparkasse Neuwied eingerichtet (BLZ 57450120, Konto 30299994; IBAN DE 16574501200030299994; Empfänger DRK Linz e.V.; Kennwort "Initiative Hangrutsch Kaiserberg"). Die Verbandsgemeinde hat eine Hotline eingerichtet, unter der die Daten auch abgerufen werden können: Tel. 02644/560199.

Eine erste Spende konnte der DRK-Vizevorsitzende Josef Chevally bereits einzahlen. Als er am Freitag behinderten Kindern auf der Fahrt zu ihrer Einrichtung vom Schicksal der Familie erzählte, zückte ein kleiner Fahrgast seine Börse und gab ihm drei Euro.

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