Broschüre des Willy-Brandt-Forums Neues Heft zeigt das Leben von Willy Brandt in Unkel

Unkel · Das Willy-Brandt-Forum hat eine neue Broschüre über die späten Jahre des ehemaligen Kanzlers vorgestellt, die er in Unkel verbracht hat. Auf 64 Seiten haben die Autoren ein sehr persönliches Bild gezeichnet.

Es war der 30. April 1979, da tauchte das Wort Unkel zum ersten Mal in seinem Terminkalender auf. Von diesem Tag an schlossen die Tagespläne von Willy Brandt regelmäßig mit der Notiz „Heimfahrt nach U.“. Nicht von ungefähr hat die Bürgerstiftung Willy-Brandt-Forum dies zum Titel der ersten Ausgabe ihrer neuen Schriftenreihe erkoren: Unkel war für Willy Brandt weit mehr als ein Wohnort. Dort schuf er sich ein wirkliches Heim.

Auf 64 Seiten zeichnen die Autoren, allen voran seine Witwe Brigitte Seebacher, ein sehr persönliches Bild des SPD-Politikers. Am Freitag wurde die Broschüre von Seebacher und Ministerpräsident a.D. Rudolf Scharping, Vorsitzender des Vereins der Freunde und Förderer des Forums, im Rathaus der Verbandsgemeinde vorgestellt.

Dorthin war die Veranstaltung verlegt worden – aufgrund des großen Interesses: Die Kapazitäten des Willy-Brandt-Forums hätten bei weitem nicht gereicht, um allen Anmeldungen gerecht zu werden.

Einblicke in die Unkeler Zeit des Altkanzlers

Aber warum ausgerechnet Unkel? Was zog den Weltbürger und Friedensnobelpreisträger in dieses doch recht überschaubare Städtchen am Rhein? Diese Fragen stellte Christoph Charlier, Vorstandsvorsitzender des Willy-Brandt-Forums, in seiner Begrüßung in den Raum. Die Antwort gibt Seebacher in einem ihrer Beiträge, die bislang ungekannte Einblicke in die Unkeler Zeit des Alt-Bundeskanzlers – von 1979 bis zu seinem Tod 1992 – gewähren: „Es war ein Zufall.“ Denn „als die Entscheidung gefallen war, unserem Leben ein gemeinsames Dach zu verpassen“, sei es eine Anzeige im Immobilienteil des General-Anzeigers gewesen, die den Anstoß gegeben habe.

„Es war, wie sich zeigen sollte, ein Zufall mit Sinn. Denn kaum hier angekommen, begann, was ich einen Prozess des Wurzelschlagens nennen möchte“, schreibt Seebacher. Und „Unkel wirkte Wunder“: „Wenn er hier nicht wieder zu sich gefunden hätte, zur Ruhe gekommen wäre, er hätte 1989 nicht erlebt“, so Seebacher am Freitag. Und damit jenes Ereignis, das sein Leben erst „rund“ machte, wie auch Scharping betonte: der Fall der Mauer.

Von Glück, Unglauben, Überwältigung durchzogen

Die Nachricht, so schildert Seebacher, erreichte das Ehepaar just während des noch nicht ganz abgeschlossenen Umzugs von der Unkeler Wohnung ins erste eigene Haus, nachdem man abends vor den Tagesthemen ins Bett gefallen war. Seebacher: „Es war noch stockfinster, vielleicht fünf oder sechs Uhr, da ging das Telefon, das war angeschlossen. Da sagt eine ganz aufgekratzte Stimme: 'Ja aber, wissen Sie denn nicht, was passiert ist? Ich möchte jetzt sofort ihren Mann sprechen, der Bürgermeister von Berlin war, als die Mauer gebaut wurde'. Ich wecke ihn also und sage: Du, da ist ein Mensch, der behauptet, die Leute laufen über die Mauer.“ Die Reaktion Brandts überliefert sie so: „Er hatte ein feines Lächeln um den Mund, wie er es ganz selten hatte, von Glück, Unglauben, Überwältigung zugleich durchzogen.“

Unkel war seine späte Liebe

„Unkel war seine späte Liebe“, machte Seebacher der Stadt ein Riesenkompliment. Auch die weiteren Autoren, Charlier, Wolfgang Broenser und Sybille Walenciak, geben weitere Einblicke. So erfahren die Leser der reich bebilderten Broschüre etwas über die Spargelfahrt der SPD-Bundestagsfraktion, die stets ins Rheinhotel Schulz führte, über Besuche Brandts im Salon Irene, wo er sich die Haare schneiden ließ, und seinen Einsatz beim „Hähnerbach“, Zeitung des SPD-Ortsvereines Unkel-Bruchhausen. Insgesamt eine lesenswerte Lektüre, die nicht nur an den Politiker, sondern vor allem an den Menschen Willy Brandt erinnert.

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