Unkeler Karnevalsband Ratsherren bringen seit 30 Jahren gute Laune auf die Bühne

UNKEL · Der Rosenmontagszug im Februar 1984 ist spät dran. Die Jecken frösteln, wippen vom linken auf den rechten Fuß, als sechs Männer am Unkeler Brunnen, den sie hier damals nur "Pumpe" nennen, plötzlich anfangen zu musizieren. Eine spontane Idee ist das. Eine, die ankommt.

 Ein Garant für gute Stimmung in den Karnvalssitzungen: Die Ratsherren stehen seit 30 Jahren zusammen auf der Bühne.

Ein Garant für gute Stimmung in den Karnvalssitzungen: Die Ratsherren stehen seit 30 Jahren zusammen auf der Bühne.

Foto: Frank Homann (Archiv)

Die jungen Burschen wollen mehr, ziehen nach dem Zug von Kneipe zu Kneipe und spielen ihre Karnevalslieder. Der Lohn? "Am liebsten eine Runde Bier", erinnert sich Walter Boendgen, "das war im wahrsten Sinne des Wortes ein voller Erfolg."

Was da noch niemand weiß: 30 Jahre später ist die Truppe nicht mehr zu sechst, sondern zu neunt. Sie trägt nicht mehr zivil, sondern Zylinder. Sie tritt nicht mehr in Kneipen auf, sondern in den großen Sälen der Karnevalshochburgen. Und sie hat längst einen Namen, der heute in Köln ebenso bekannt ist wie in ihrer Heimat Unkel: Die Ratsherren.

120 Jahre Ratsherren sitzen am Wohnzimmertisch von Matthias Wester. Engelbert Wallek ist da, Dirk Kessel und Walter Boendgen. Eine Viererkombo, die so viele Anekdoten zu erzählen hat, dass wir der Band eine eigene Zeitungsausgabe widmen müssten.

Da wäre zum Beispiel die Geschichte über die Namensfindung: Der erste Auftritt an Rosenmontag liegt einige Wochen zurück, da fallen das Winzerfest und der 40. Geburtstag des frischgebackenen Stadtbürgermeisters Werner Zimmermann auf einen Tag. Als die noch namenlosen Musiker gemeinsam mit dem Ortschef und der Burgundia eine Kneipe betreten, sagt Zimmermann: "Darf ich vorstellen: Meine Weinkönigin und meine Ratsherren." Aus dem Kalauer wurde ein Name, aus dem Namen eine Marke.

Anfangs waren sie froh, dass sie überhaupt spielen durften. "Wir sind auf jeder silbernen und goldenen Hochzeit aufgetreten", erzählt Boendgen. Zwei, drei Jahre ging das so, ehe sie feststellten: Die Leute geben ihnen für ihre Darbietung nicht nur Bier aus, sondern zahlen sogar Geld. Über Geld reden die Ratsherren nicht. Sonst über alles. Zumindest das, was sie noch wissen. "Fragen Sie lieber mal unseren Fahrer Wolfgang 'Töffi' Thelen. Der hört nämlich nicht nur alles, sondern behält es im Gegensatz zu uns auch", sagt Wallek. Die Runde lacht. "Eines hat sich nicht geändert: Im Überschwang der Gefühle", Boendgen lässt den Satz abrupt enden, "Sie wissen schon, was ich meine." Am liebsten für eine Runde Bier eben.

Wobei das Motto nach wie vor ein anderes ist: "Ohne proben nach oben", sagt Wallek. Geübt haben sie nie, hin und wieder trafen sie sich eine halbe Stunde vor dem Auftritt, um sich aufeinander abzustimmen. Spontaneität und Improvisation sind ihre Stärke, Stimmungsmache ihr Markenzeichen. "Manchmal wissen wir selbst nicht, welches Lied unser Frontmann als Nächstes anstimmt", sagt Wester. Der Frontmann, das war bis vor zwei Jahren Thomas Ottersbach. Sein Weggang riss ein tiefes Loch in die Musikgruppe - sogar über Auflösung dachte die Band nach. Doch es ging weiter.

Heute haben sie mehr als 100 Lieder im Repertoire und in den Hochzeiten 120 Auftritte im Jahr. Der größte Hit: "Icecream". "Den haben wir sicher schon 3000 Mal zum Besten gegeben", sagt Matthias Wester. Einen Karriereplan hat es nie gegeben. Dass sie einmal mit Guido Cantz und den Bläck Fööss in einer Halle auftreten, war nicht vorhersehbar. Schon gar nicht damals, an Rosenmontag im Jahr 1984.

Die Anekdoten, die sie erzählen könnten, sind unzählbar. Sie erzählen von der Steuben-Parade in New York, "ein Highlight", zu der sie der Bad Honnefer Verein Circus Comicus mitgenommen hat. Sie berichten von Abenden, an denen sie acht Auftritte hatten und hinterher nicht mehr wussten, welche Feier in welcher Halle stattfand. Und wie sie die Musik mit ihrem Beruf und der Familie unter einen Hut kriegen: "Das Geld, das wir verdienen, investieren wir in Urlaub mit unseren Frauen. Die müssen ja wieder fürs nächste Jahr ruhiggestellt werden", ulkt Wallek. Die anderen lachen zustimmend. Für 2015 stehen bereits alle Termine fest.

Und wie geht es weiter mit den Ratsherren? "Die Marke wird es weiter geben", ist sich Matthias Wester sicher. Wenn die Älteren ausscheiden, rückten eben Jüngere nach. Mit Philipp Walbröhl ist der jüngste Ratsherr sogar zwei Jahre jünger als die Band selbst. Die Frage sei nur, so Wester, wie sich der Karneval entwickeln wird: "Der Trend geht zur Ballermann-Musik, dicke Boxen und Halb-Playback." Sollte sich das fortsetzen, werde es für die live spielende Unkeler Zylinder-Kapelle schwer. Das aber sei nur zweitrangig, sagt Wallek: "Wenn wir uns etwas wünschen dürften, dann: Dass wir noch lange zusammen Spaß an der Freud' haben." Die anderen nicken. Sie sind sich einig. Wie so oft in den letzten 30 Jahren.

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